Gelb oder Gold. Manchmal ist es schwer, die Nuancen zwischen den Farbtönen zu erkennen. Im Biathlon kommt es darauf nicht an. Ob Gold für den Weltmeister oder Gelb für den Weltcup-Führenden: Der Franzose Martin Fourcade trägt beides gerne.
Oslo - Keine französische Nationalhymne am Montagabend, keine Marseillaise am Dienstag. Manch ein Norweger mag sich schon gefragt haben, ob Martin Fourcade aus Oslo abgereist ist. Doch die Hoffnung ist unbegründet. Es waren nur zwei Tage ohne Wettbewerb bei der Biathlon-WM. An diesem Donnerstag können nach dem Einzel über 20 km (15.30 Uhr/ZDF) schon wieder die bekannten Töne erklingen.
Drei Goldmedaillen – mit der Mixed-Staffel, im Sprint und der Verfolgung – hat Fourcade bei den Welttitelkämpfen in Oslo bereits abgeräumt. Genug hat er aber nicht. Dreimal geht er bei dieser WM noch auf die Jagd. Sechs Siege wären ein Rekord. In seiner derzeitigen Form ist dieser Coup für Fourcade aber nicht nur theoretisch möglich. Fünf Gründe für seine Dominanz.
Die Beständigkeit: Vielleicht liefert er mal ein schlechtes Rennen ab. Maximal. Doch schlechte Phasen gibt es bei dem 27-Jährigen nicht. Drei der vier Weltcup-Ranglisten in den Einzeldisziplinen führt er an. Nur die des Klassikers nicht. Doch er kann auch die 20 Kilometer. 2015 wurde er Weltmeister über diese Distanz, 2014 Olympiasieger.
Pink trägt er also in fast jedem Rennen. Es ist die Farbe des Führenden in der jeweiligen Disziplin. Und das Gelbe Trikot muss er in diesem Winter auch nicht mehr abgeben. Den Sieg im Gesamtweltcup hat er nach seinem WM-Erfolg im Jagdrennen sicher. Es ist das fünfte Mal in Folge, dass er die große Kristallkugel abräumt – das ist noch keinem anderen gelungen. „Ich hätte mir nie erträumt, das mal zu schaffen“, meint Fourcade. Die Treffsicherheit: 88 Prozent aller Scheiben trifft der Dreifach-Weltmeister. Ein Spitzenwert. Nur vier Athleten kommen noch auf eine bessere Ausbeute. Von denen hat jedoch keiner so viele Wettbewerbe bestritten und so viele Schüsse abgefeuert wie der Franzose. Vom Schnellfeuer ist Fourcade zuletzt abgekommen. Zugunsten der Treffsicherheit. „Er braucht auch nicht schnell zu schießen. Er weiß, dass er auf der Strecke gut drauf ist“, sagt die deutsche Biathlon-Legende Fritz Fischer.
Die Laufform: Keiner laufe so effektiv, so auf Zug wie der Franzose. „Er verbessert ständig seinen Stil“, schwärmt Fischer. Laufbestzeiten sind bei Fourcade keine Seltenheit. Selbst wenn er am Schießstand mal nicht trifft, so wie am Sonntag im Jagdrennen, ist er fast uneinholbar. „Auch wenn er wackelt, für uns reicht es immer noch“, meinte der deutsche Biathlet Erik Lesser etwas frustriert nach den drei Fehlern des Franzosen in den letzten zwei Schießeinlagen. Vor allem aber kann Fourcade wegen seiner Laufform mit der Konkurrenz spielen, sie demotivieren. Mal nimmt er das Tempo raus, dann zieht er wieder an. „Das ist alles Taktik“, erklärt Fischer und fügt an: „Ich finde es schade, wenn manche bei ihm ohne Beweise Doping vermuten. Das ist nicht fair.“
Das Umfeld: „Hinter einem guten Athleten steht auch immer ein gutes Team“, meint Fritz Fischer. In Frankreich steht Biathlon zwar nicht an Nummer eins, aber die Skijäger haben es geschafft, aus wenig viel zu machen. Von den Erfolgen von Vorläufer Fourcade profitiert nun auch der Rest des Teams.
Auch privat hat der Franzose sein Glück gefunden. Im vergangenen Jahr brachte seine Lebensgefährtin Helene die gemeinsame Tochter Manon zur Welt.
Der Antrieb: Als Kind duellierte sich Martin Fourcade im heimischen Perpignan in Südfrankreich mit seinem älteren Bruder Simon – ebenfalls Biathlet. „Sie waren wie Hund und Katze“, sagt ihr Vater Marcel. Dann bekam es Martin Fourcade mit Athleten wie dem Uhinger Simon Schempp und dem Norweger Tarjei Boe zu tun. Alle drei wurden 1988 geboren. In den Anfangszeiten konnte Fourcade nicht immer mithalten – mit seinem Ego eigentlich unvereinbar. „Ich denke, ich bin da ein bisschen wie ein kleines Kind. Ich liebe einfach jede Art des Wettkampfs. Das ist das Geheimnis. Wenn ich in einem Wettkampf bin, dann gebe ich mein Bestes. Ich will mit mir selbst zufrieden sein. Ich mag es nicht zu verlieren“, sagt er.
Das ist eine Kampfansage vor den letzten drei WM-Rennen in Oslo. Sechs Siege sind für den Gold-Hamster in Reichweite. „Ich bin offensichtlich der Einzige, der das bei dieser WM noch schaffen kann“, sagt Fourcade scherzend. Ausgeschlossen ist es jedoch nicht, dass er Ernst macht.