Franziska Preuß hat sich in der Weltspitze etabliert – und könnte die Saison mit Platz drei im Gesamtweltcup abschließen. Doch das wird schwierig. Foto: imago/Kalle Parkkinen

Franziska Preuß erlebt die beste Saison ihrer Karriere, nachdem sie auch die Schattenseiten durchlitten hat. Die 27-Jährige freut sich aufs Biathlon-Saisonfinale in Östersund, auch wenn sie dort benachteiligt wird.

Stuttgart - Es schien, als liege ein kleiner Fluch auf Franziska Preuß. Als habe eine unsichtbare Macht all ihre finsteren Kräfte dafür eingesetzt, die kleine Biathletin vom SC Haag vom Podium fernzuhalten. Achtmal kämpfte sie sich in diesem Jahr in Folge in Einzelwettbewerben unter die besten Zehn, doch bei den Siegerehrungen war sie stets nur Zuschauerin. Bis zum Verfolgungsrennen in Nove Mesto am vergangenen Samstag, da schoss und lief Franziska Preuß so stark, dass lediglich zwei Konkurrentinnen besser waren. Platz drei, endlich. „Ich war wirklich sehr glücklich, dass ich die Hürde aufs Podium überwunden habe“, erzählt die 27-Jährige, „es ist extrem schwer, unter die Top Drei zu kommen – Tiril Eckhoff ist gerade so überragend, da fällt ein Platz gleich von vornherein weg.“

Drei Versuche, erneut aufs Stockerl zu hüpfen, bekommt die Deutsche in dieser Saison noch. An diesem Wochenende sammeln sich die Biathleten in Östersund zum Weltcup-Finale; es geht im Sprint (Freitag 12.30 Uhr), in der Verfolgung (Samstag 12.15 Uhr) und im Massenstart (Sonntag 13 Uhr/alle ARD) gegen Tiril Eckhoff und den Rest der Welt. Die Norwegerin steht mit 1043 Punkten schon als Gesamtweltcup-Siegerin fest, dahinter duellieren sich Marte Olsbu Röiseland (903/Norwegen), Hanna Öberg (824/Schweden), Franziska Preuß (795) und Dorothea Wierer (767/Italien) um die Plätze – wobei ausgerechnet die Deutsche schlechte Karten besitzt, weil sie in dieser Saison konstant gut war. Sie wird bei den vier Streichresultaten wahrscheinlich mehr Punkte verlieren als ihre Gegnerinnen, so dass Rang drei im Gesamtweltcup unwahrscheinlich scheint. „Ich will gar nicht groß rumrechnen, ich greife an“, sagt die Staffel-Vizeweltmeisterin von Pokljuka, „schade, dass meine Konstanz nicht belohnt wird und ich durch die Streichresultate viele Punkte verliere.“ Wohl wieder kein Platz auf dem Podium. Ist schon irgendwie wie verhext.

Preuß vermisst den Kontakt zu den Eltern

Nichts ist normal. Es war eine bizarre Saison, der Winter 2020/2021, dieser Corona-belastete Biathlon-Weltcup. Keine Fans, weniger Stationen, das Leben in festgelegten Teamblasen, was dazu führte, dass das Miteinander in der Mannschaft zwangsläufig gelitten hat, weil man auf nur mit bestimmten Leuten in Kontakt kommen durfte und man meist im Einzelzimmer untergebracht war; die häufigen, unangenehmen Tests, die distanzierten, emotionsarmen Siegerehrungen und die Interviews mit Mund-Nasen-Schutz, wo die Sportler aufpassen mussten, dass die Worte nicht im Nuscheln versinken. „Im Sport habe ich mich kaum eingeschränkt gefühlt, alles war sehr gut organisiert“, sagt Preuß, „aber die Treffen mit der Familie waren selten, weil das ja ein Risiko darstellte. Das fehlte mir. Ich freue mich darauf, bald endlich wieder meine Eltern in den Arm nehmen zu können.“

Ausgerechnet in dieser befremdlichen Saison erreicht die Staffel-Weltmeisterin von 2015 ihren bisherigen Leistungshöhepunkt. Franziska Preuß ist die Nummer eins im deutschen Biathlon und zwar geschlechterübergreifend. Arnd Peiffer, der Anführer der Männer, residiert im Weltcup auf Platz elf. Diese Spitzenposition ist der zurückhaltenden Frau gar nicht so recht, weil sie es nicht schätzt, wenn die Medien sie als Frontfrau inszenieren oder gar als Nachfolgerin von Laura Dahlmeier bezeichnen. Sie will Rennen bestreiten und ihr Bestes geben, Glanz und Glamour dürfen andere genießen.

Preuß steckte in der Sinnkrise

Dass sie überhaupt diesen (vorläufigen) Höhepunkt erreicht hat, ist für Preuß nicht selbstverständlich. In den Jahren 2017 und 2018 dachte sie nicht ans Podium, nicht einmal an die Top Ten, sondern daran, ob die Karriere überhaupt eine Fortsetzung findet, nachdem Verletzungen und Erkrankungen sie immer wieder aus der Bahn katapultiert hatten. Sie steckte in der Sinnkrise, und sie befreite sich daraus. „Es hat sich gelohnt, weiterzumachen“, sagt sie, „deshalb schätze ich es umso mehr, dass ich gerade so stark bin, weil ich weiß, dass es auch anders sein kann.“ Die Verunsicherung, ob der Körper den Strapazen im Training, im Wettkampf und auf den Reisen wirklich standhält, ist einem neuen Selbstbewusstsein gewichen. „Das war ein Lernprozess“, sagt Preuß, aus dem sie gestärkt an Körper und Geist hervorgegangen ist.

Vielleicht war dieser Schritt der letzte auf dem Weg in die absolute Weltelite, mit 27 Jahren ist die Bayerin eine, die man in jedem Rennen auf der Rechnung haben muss – weil es nicht abstruse Flüche sind, die im Biathlon den Unterschied zwischen Podium und Pleite machen, sondern allein der Kopf am Schießstand und die Beine auf der Strecke.