Simon Schempp will bei der WM mit der Staffel angreifen Foto: dpa

An diesem Samstag (16.30 Uhr/ARD) kämpfen die deutschen Biathleten um WM-Medaillen – mit Simon Schempp als Schlussläufer. „Er kann das“, sagt der ehemalige Skijäger Fritz Fischer.

Herr Fischer, Sie sind ein cooler Typ, oder?
Wieso?
Sie waren jahrelang Schlussläufer der deutschen Biathlon-Staffel – mit einer beeindruckenden Bilanz. Und Sie haben nie Nerven gezeigt.
Bei meiner ersten Staffel 1981 war das noch anders.
Erzählen Sie!
Ich war damals ein völlig unbekannter Biathlet, aber meine Trainer haben mir das Vertrauen gegeben, Schlussläufer zu sein. Ich habe mir fast in die Hosen gemacht vor Aufregung, aber ich habe gemerkt: Je mehr Stress, je besser die Konkurrenz, desto mehr gefällt mir das. Ich wollte einfach zeigen, wie großartig Biathlon ist.
Wie ist die Staffel 1981 denn ausgegangen?
Ich bin als Fünfter los, und wir sind Zweiter geworden. Es war also gar nicht so schlimm. Und seit diesem Tag war ich Schlussläufer.
Eine Biathlon-Staffel kann ja spannender sein als jeder Samstagabend-Krimi – was ist das Besondere an diesem Wettbewerb?
Gegenfrage: Was ist das Besondere an einer Weihnachtsfeier?
Dass alle zusammenkommen.
Genau. Und die Besonderheit einer Staffel ist, dass man gemeinsam für das eigene Land antritt. Es ist einfach toll, zur Mannschaft zu gehören. Das hat man vor ein paar Wochen auch bei der Ski-WM gesehen.
Bei der Ski-WM hat man aber auch gesehen, dass in einer Mannschaft jeder von jedem abhängig ist. Auch wenn es mal nicht so läuft.
Das stimmt, aber das gehört ebenfalls dazu. Die Athleten lernen zu respektieren, dass jeder einen Fehler machen kann. Ich musste auch damit umgehen, und für mich war es das Schlimmste, mein Land, meine Freunde und mein Team mit meinen Leistungen zu enttäuschen. Aber wir sind nun mal Menschen und keine Maschinen.
Lassen Sie uns von den positiven Dingen reden. Was war Ihr schönstes Staffelerlebnis?
Neben meinem ersten Rennen war es das Staffelrennen 1992 bei den Olympischen Spielen in Albertville, als wir die Goldmedaille gewonnen haben und ich mit der deutschen Fahne in der Hand ins Ziel gelaufen bin. Da würde ich am liebsten heute noch laufen.
Bekommen Sie gerade Gänsehaut?
Immer, wenn ich daran zurückdenke. Ich war ja nicht der schnellste Läufer, aber ich habe immer von solch einem Moment geträumt. Der Druck war enorm hoch. Ich bin mit sieben Sekunden Vorsprung als Führender raus, und jeder hat gesagt, jetzt kommt der Fritz Fischer: Das ist so sicher wie die Bank von England.
Aber Sie waren nicht sicher.
Nein, nach dem Start habe ich die ersten 100 Meter Selbstgespräche geführt und gesagt: „Fritz, jetzt kannst du zeigen, ob du wirklich ein Cooler bist.“ Danach kam der Spaß. Wenn ich dran denke, wie schnell ich da geschossen hab’. Ich habe dabei wirklich etwas fürs Leben gelernt.
Was denn?
Wenn du etwas Schwieriges machen sollst, musst du dich darauf freuen, sonst wirst du nicht erfolgreich sein. Egal in welchem Bereich. Wenn ich sag’, ich hab’ dafür gearbeitet, ich will einen guten Job machen, dann klappt es auch.
Haben Sie immer so positiv gedacht?
Nicht immer. 1988 bin ich als Gesamtweltcup-Führender nach Calgary zu den Olympischen Spielen gefahren, und dann bin ich krank geworden. Ich hab’ Rotz und Wasser geheult. Dennoch sage ich: Wenn man sich nicht auf die Aufgabe freut, dann muss man erst gar nicht damit anfangen. Den Tipp habe ich auch Simon gegeben.
Von Schlussläufer zu Schlussläufer sozusagen. Hat Simon Schempp denn das Potenzial? Ist er so cool wie Sie?
Ja, auf jeden Fall. Das hat er im vergangenen Jahr bei den Olympischen Spielen in Sotschi gezeigt und in dieser Saison, auch wenn es bei der WM bisher noch nicht ganz optimal gelaufen ist. Er will das, und er kann das. Er ist ein Killer, ein Knipser. Er ist im letzten Anschlag einer der besten Schützen. Wenn’s einer richtig macht, dann der Simon. Ich glaube, mit ihm werden wir noch viel Freude haben.
Was erwarten Sie denn von der deutschen Herren-Staffel an diesem Samstag?
Die deutsche Mannschaft ist mal wieder reif für einen WM-Titel. Natürlich gehört auch eine gute Tagesform dazu, aber ich wünsche den Jungs, dass sie Weltmeister werden. Sie können natürlich auch Zweiter, Dritter oder Vierter werden, aber das Zeug für Gold haben sie. Nur wenn man das auch sagt, glaubt man daran.
In Sotschi schien der eine oder andere der deutschen Herren überrascht von der Silbermedaille gewesen zu sein...
Das stimmt, aber ich habe den Burschen damals gesagt: „Ihr seid so gut, ihr braucht nicht überrascht zu sein. Ja, klar sind die anderen auch gut. Aber ihr seid besser.“ Das ist nicht arrogant oder überheblich. Es war nur eine Bestätigung ihrer Leistungen.
Seit Sie nicht mehr die Herren trainieren, sind Sie auf der Suche nach den Stars von morgen. Sind Sie schon fündig geworden?
Erst vor kurzem waren hier in Ruhpolding 40 Kinder. Viele waren sehr talentiert. Ich würde mir nur wünschen, dass unsere deutsche Regierung mehr macht.
Wie meinen Sie das?
Die müssen mal merken, dass man Kinder nicht nur vom Kopf her ausbeutet. Dass man ihnen auch mal wieder die Chance gibt, Sport zu treiben. In jedem gesunden Körper steckt auch ein gesunder Geist.
Was genau muss geändert werden?
Es muss in der Schule wieder mehr Sport geben, Programme für die Kinder müssen her. Die bewegen sich viel zu wenig. Ich fände es auch toll, wenn wir Biathlon an die Schulen bringen würden. Dieser Sport ist eine gute Lehre fürs Leben. Ich finde es gut, dass ich wieder an der Basis arbeite und die Möglichkeit habe, die Kinder für einen richtig tollen Sport zu begeistern. Deshalb fehlt mir die Weltklasse auch gar nicht. Denn mir liegt vor allem der Nachwuchs sehr am Herzen.