Mit Vollgas: Laura Dahlmeier kehrt in Ruhpolding in den Weltcup zurück. Foto: dpa

Der deutsche Biathlon-Star Laura Dahlmeier pendelt aufgrund verschiedener Erkrankungen in dieser Saison zwischen Höhen und Tiefen. Auch in Ruhpolding.

Ruhpolding - Ein wilder Ritt in einer Achterbahn weckt wirklich keine Leidenschaft bei Laura Dahlmeier. Die aufgeweckte Bayerin aus Partenkirchen schätzt die künstlich erzeugte Aufregung in einem Hyper-Coaster, wie sie die Adrenalin-Junkies nennen, gar nicht. Sie liebt es dagegen, wenn die Natur für echte Gefühle sorgt; sie bevorzugt das erhabene Gefühl der Abgeschiedenheit auf dem Gipfel eines Berges im Gegensatz zum Hormon-Thrill, wenn die Bahn vom höchsten Punkt in die Tiefe stürzt.

Dem Comeback folgt die nächste Zwangspause

Das alles mag sie verwirrt haben, weil es ihr in diesem Winter ergeht wie auf einem Sitz in einer Achterbahn. In einem Biathlon-Coaster. Es geht auf und ab, auf und ab – die ersten zwei Weltcups hatte sie wegen eines angeschlagenen Immunsystems ausgelassen, ihr Comeback in Nove Mesto endete mit Platz zwei im Sprint und Rang fünf in der Verfolgung grandios. Dann lag sie um Weihnachten und Neujahr wegen einer hartnäckigen Erkältung flach, sie musste pausieren und Oberhof aus dem Terminplan streichen – irgendwann wusste die Doppel-Olympiasiegerin ob der permanenten Richtungswechsel nicht mehr, was denn überhaupt mit ihr los ist.

Also wollte sie im Heimrennen in Bayern sehen, in welche Richtung die Achterbahn nun fährt. In Ruhpolding, der fünften Weltcup-Station dieser Saison, absolvierte die 25-Jährige ihr erst drittes Rennen. Sie war mit großen Erwartungen in ihre Heimat gereist, sie hatte sich gut gefühlt, hatte gut trainiert. Auch die 11 500 Zuschauer freuten sich auf die beste deutsche Skijägerin, und Uschi Disl, eine ihrer Vorgängerinnen in der Branche, hatte Dahlmeier gar den Sieg zugetraut: „Sie hat ein so großes Potenzial.“

„Ich war top motiviert“

Als die siebenmalige Weltmeisterin am Nachmittag über die Ziellinie fuhr, machten die Fans tatsächlich einen Höllenlärm, als habe Dahlmeier zumindest das Podium erobert – dabei war sie beim Sieg von Anastasija Kuzmina (Slowakei) auf Platz neun im Sprint über 7,5 Kilometer gelandet. Zwar unter den Top Ten und beste Deutsche, aber nicht unter den drei Besten. Mehr ging nicht. „Ich war top motiviert“, erzählte sie gut eine Stunde später, „aber schon am ersten Berg waren meine Beine blau – und ich musste mich selten in einem Rennen so brutal plagen.“

Offenbar stecken doch noch ein paar bösartige Viren der Erkältung in ihrem Körper, die sie sich um den Jahreswechsel zugezogen hatte, denn die Bedingungen in Ruhpolding waren mit Sonnenschein und Minusgraden perfekt. Es war der erste scharfe Test für die zierliche Frau, und der endete zwar nicht so erfolgreich wie beim Saisoneinstieg in Nove Mesto, aber doch zufriedenstellend. Schließlich hatte sie eine fehlerfreie Schießleistung abgeliefert, das war ihr Ziel, nachdem sie gespürt hatte, dass die Beine nicht so arbeiten wollten wie ihr Kopf befahl. „Das war wichtig, ich habe mich ganz aufs Schießen konzentriert“, betonte sie, „und weil das funktioniert hat, nehme ich es als das positive Ergebnis mit.“

Eine WM-Medaille im März ist das Ziel

Ein Anfang, ein kleiner Schritt – mehr nicht. Wer Laura Dahlmeiers Charakter ein wenig einschätzen kann, der weiß, dass Platz neun nicht ihr Anspruch ist. Sie will mehr, sie plant auf eine Medaille bei der WM in Östersund im März hin. Deshalb ist Florian Steirer gefordert, er kennt die Psyche der wahnsinnig ehrgeizigen Partenkirchnerin. Der Disziplin-Trainer Frauen muss seinen Schützling bremsen. „Laura ist ein Rennpferd und sie setzt dieses Temperament im Training um. Damit wird ihr Körper geschunden und ist anfälliger für Infekte“, bemerkte der 36 Jahre alte Coach, der vor Oberhof die Reißleine gezogen und ihr die Zwangserholung verordnet hatte. „Laura muss lernen, im Training dosierter vorzugehen“, verriet Steirer, „andere muss man immer wieder antreiben wie ein Animateur. Laura muss man bremsen.“

Nun ist die Biathletin klug genug, um auf ihren Coach zu hören. Aber die ewigen Richtungswechsel, die ihre Gesundheit ihr beschert, belasten die Psyche. Wenn sich irgendein Zeichen einer Erkältung einstellt, herrscht sofort Alarmstufe Rot. „Dann fängt die Maschinerie im Kopf wieder an, man denkt nach: Nicht schon wieder – und das zehrt natürlich an den Nerven“, räumte Dahlmeier ein. Den Tag Pause bis zur Staffel an diesem Samstag wird sie nutzen, um ihren Körper wieder einzupendeln, am Sonntag folgt der Massenstart – und dann werden alle in der Biathlon-Szene wissen, in welche Richtung der Achterbahnwagen der Laura Dahlmeier Ende Januar fährt.