Simon Schempp nimmt den nächsten Anlauf zu einer Einzel-WM-Medaille. Foto: AFP

Noch immer fehlt Simon Schempp eine Einzel-Medaille bei Biathlon-Weltmeisterschaften – das soll sich nun bei den Titelkämpfen in Hochfilzen ändern.

Hochfilzen - Glück gehabt. Die Frage nach der noch immer fehlenden Einzelmedaille wurde am Mittwoch nicht gestellt. Simon Schempp musste sie in den Tagen davor in Hochfilzen ja schon mehrfach beantworten. Vor jedem Interview dürfte er sich gefühlt haben wie der Pennäler, der die Hausaufgaben nicht gemacht hat – und der zielsicher herausgepickt wird, um darüber zu referieren. „Es ist natürlich nicht leicht, dass ich immer wieder darauf angesprochen werde“, hatte der Uhinger gestöhnt. So ist das bei einer WM – wenn die Nummer eins der deutschen Frauen, Laura Dahlmeier Plakette um Plakette einkassiert, Schempp, gefühlte Nummer eins der Männer, aber weiter ohne Einzelmedaille ist. „Lauras Erfolge erhöhen den Druck nicht“, versichert der 28-Jährige.

Simon Schempp mutet an wie ein Jäger des verlorenen Schatzes – stets mit guten Ergebnissen zu Weltmeisterschaften oder Olympia angereist, doch dann will es solo nicht klappen. Sieben Medaillen, drei aus Gold, besitzt der Mann aus dem Filstal; aber alle hat er mit dem Team geholt. Die nächste Chance kommt im Einzel an diesem Donnerstag (14.30 Uhr/ARD) – und wie es in dieser Disziplin mal nun ist: Die Medaillen werden am Schießstand gewonnen oder verloren, pro Fehlschuss gibt’s eine Minute auf die Laufzeit drauf. „Einen Fehler kann man sich maximal erlauben, wenn man aufs Podium will“, vermutet Schempp, „bei zweien müsste man eine grandiose Laufleistung liefern.“

Besuch von den Eltern

Ausgerechnet das Schießen macht ihm derzeit so viel Kopfzerbrechen wie einem Neureichen das Ausfüllen der Steuererklärung. Was tun? Sich nicht verrückt machen (lassen). Keine Panik. Negative Gedanken ausblenden. Weil ein Biathlon-Wettkampf nicht nur mit Armen und Beinen, sondern auch dem Kopf gewonnen wird, hat Schempp sich erstmal von mentalem Ballast getrennt – und am Montag seine Eltern besucht. Abschalten von der WM, andere Eindrücke wirken lassen. Am Dienstag hat er sich in Hochfilzen wieder dem Beruf gewidmet; locker, ohne zu verkrampfen. Dazu gebe es keinen Grund, behauptet er, weil er sich nicht zusätzlich unter Druck setzen möchte. „Die bisherigen Ergebnisse waren ja keinen Riesenenttäuschung“, betont er, „es hat nur nicht nach ganz vorne gereicht.“

Platz neun im Sprint und Rang zehn in der Verfolgung sind gut für die Weltspitze, aber nicht gut genug für eine Medaille. „Bei insgesamt drei Fehlern ist es in diesem Feld eben so, dass man im Anschluss-, aber nicht im Medaillenbereich ist“, sagt Männer-Bundestrainer Mark Kirchner. Im Laufen ist der Uhinger stets bei den Besten, das Schießen macht den Unterschied – also hat Simon Schempp noch ein paar Extraeinheiten eingelegt, und zwar stehend. „Ich muss einfach Sicherheit gewinnen“, sagt er. Positive Erlebnisse am Schießstand sammeln, damit der Teufel im Kopf nicht jedesmal tönt, sobald sich der Mixed-Weltmeister zum stehend Schießen positioniert: „Du versemmelst es! Du versemmelst es wieder!“

Vorbereitung nach bekanntem Wettkampfmuster

Vor der Saison hat Schempp sein Gewehr verändert. Am Lauf hat er ein Gewicht befestigt, das die Trägheit der Waffe erhöht. Der Lauf ist nicht so windanfällig, damit kann er sicherer zielen, und vielleicht sogar schneller. „Die einfachste Variante, um Zeit herauszuholen, ist der Schießablauf“, weiß Ex-Weltmeisterin Kati Wilhelm, die als TV-Expertin in Hochfilzen weilt. 20 bis 25 Sekunden pro Schießeinlage gelten als perfekt, vorausgesetzt alle Scheiben fallen. „Ich fühle mich gut. Ich bin bereit“, sagt Schempp und unterstreicht die Worte mit einem breiten Lachen. Ruhig bleiben lautet seine erste Biathleten-Pflicht, deshalb läuft seine Vorbereitung aufs Einzel nach dem bekannten Wettkampfmuster ab. Aufstehen um 8.30 Uhr, zum Frühstück gibt es Müsli, eine Semmel und Kaffee schwarz. Um 10 Uhr wird 30 Minuten locker gejoggt zur Aktivierung des Kreislaufs, danach folgen Gymnastik sowie eine halbe Stunde Trockentraining im Zimmer: Ziel- und Schussübungen ohne Munition. Zu Mittag um 12 Uhr gibt’s viele Kohlenhydrate in Form von Nudeln und Wasser. Danach umziehen, Sachen packen und um 13 Uhr die Abfahrt ins Stadion. Skitest 13.30 Uhr, Anschießen 14 Uhr und danach lockeres Einlaufen, zum Abschluss setzt er noch ein paar intensive Intervalle. Und um 14.45 Uhr wird es ernst.

Womöglich gehört Schempp 90 Minuten später zu den Top Drei – er würde sich sicher diebisch auf diese eine Frage von den Reportern freuen: „Wie fühlen Sie sich Herr Schempp, nachdem Sie endlich Ihre erste Einzelmedaille gewonnen haben?“