Starker Auftritt vor beeindruckendem Berg-Panorama: Erik Lesser fährt zur ersten Olympia-Medaille für die deutschen Biathleten in Sotschi Foto: Getty Images Europe

Bei seinen ersten Olympischen Spielen gewinnt Biathlet Erik Lesser Silber. Danach gab’s für den erfolgreichen Skijäger erst einmal eine innige Umarmung.

Sotschi - Die Umarmung war herzlich, sie war innig, und als Mark Kirchner seinen Schützling nach fast einer Minute wieder loslassen wollte, legte Erik Lesser noch einmal den Kopf an dessen Schulter. Worte allerdings fielen dabei so gut wie keine – obwohl es doch so viel zu sagen gegeben hätte.

Einige Minuten zuvor nämlich war Erik Lesser nach 20 Kilometern in der Loipe und vier Stopps an den Schießscheiben ins Ziel des olympischen Einzelrennens gekommen. Die Zeit von Martin Fourcade aus Frankreich hatte er um 12,2 Sekunden verfehlt – ansonsten aber gab es niemanden, der den Thüringer hatte unterbieten können. Silber war sicher – der große Gefühlsausbruch jedoch blieb aus. „Wir beide sind eben keine Männer großer Worte“, sagte Lesser später, ergänzte, dass er sich „lieber für mich“ freue, und wirkte dabei, als habe man ihm sämtliches Adrenalin aus dem Körper gesaugt. Es war tatsächlich nicht leicht, in diesem Moment der Freude schlau zu werden aus dem 25-Jährigen. Ist der unterkühlt? Extrem gelassen? Oder einfach nur abgezockt?

Schwer zu sagen – und fast beruhigend wirkte es da, als Erik Lesser versicherte, es habe durchaus Emotionen gegeben nach dem größten Erfolg in seiner bisherigen Karriere. „Ich hatte Tränen in den Augen“, sagte er über den Moment der Begegnung mit seinem Coach. Und als ihm bestätigt wurde, dass auch Mark Kirchners Augen feucht geglänzt hatten, war für den Biathleten die Welt in Ordnung. Weil das Duo nun endgültig als Erfolgsgespann gelten kann.

Zu Beginn der Zusammenarbeit in Oberhof trafen da zwar zwei Typen mit eigenen Vorstellungen aufeinander, irgendwann fanden beide aber eine gute Mischung zwischen den jeweiligen Ansichten – und die Leistung Lessers entwickelte sich stetig nach oben. Die Silbermedaille von Sotschi markiert nun den vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung und bedeutete eine Befreiung für die deutschen Biathleten. Sollte man zumindest meinen.

Denn der Auftakt in die Winterspiele verlief für die deutsche Biathlon-Mannschaft schließlich eher ernüchternd, und das Warten auf die erste Herren-Medaille seit 2006 drohte zu einer langwierigen Angelegenheit zu werden. Dank Erik Lesser ist das Thema nun aber durch, die Plätze zehn (Daniel Böhm), 16 (Simon Schempp) und 22 (Andreas Birnbacher) sind auch nicht völlig verkehrt. Kirchner und sein Schützling hätten also von einem Befreiungsschlag reden können – doch auch das ließen sie sein.

Kirchner reagierte eher genervt auf derartige Fragen, kritisierte die negative Berichterstattung und sagte: „Wir haben immer dran geglaubt.“ Auch Lesser wollte die Wirkung dieser Medaille alles andere als überbewerten. Das Team aus Technikern, Trainern und ihm als Athleten hätte diese Silbermedaille zwar gemeinsam gewonnen. Die anderen Teammitglieder und auch er selbst könnten sich davon aber „nix kaufen.“ Denn: „Im nächsten Rennen geht es ja wieder bei null los – und es kann schnell wieder in die Hose gehen“. Es kann aber auch laufen wie bei Erik Lesser am Donnerstag.

Der hatte sich Mitte des Rennens zunächst etwas müde gefühlt. „Da hatte ich mir von meinen Oberschenkeln mehr Rückhalt gewünscht“, scherzte er. Im letzten Schießen spürte er dann „wackelige Beine“, doch er dachte sich: „Absetzen ist was für Mädchen.“ Also zog er die fünf Schuss durch, traf sie allesamt und konnte am Ende noch einmal alle Kräfte mobilisieren. Als Führender vor der Schlussrunde träumte er kurz sogar von Gold, mit Silber hinter Fourcade und vor dem Russen Jewgeni Garanitschew war er hinterher aber hochzufrieden. „Es wäre vermessen, wenn das anders wäre“, sagte er – und dachte im Moment des Erfolgs an seine beiden Großväter.

Der eine, Axel Lesser, war einst für die DDR im Langlauf bei Olympischen Spielen im Einsatz. Der andere, Willi Pietzko, ist bereits 93 Jahre alt, hatte seinem Enkel aber versprochen, dessen Olympia-Debüt noch mitzuerleben. Das hat er nun geschafft, weshalb Erik Lesser in Sotschi erklärte: „Diese Silbermedaille ist für meine zwei Opas.“ Dabei klang er beinahe emotional.