Der Strandkorb lockt: Doch wenn Menschen mit Behinderungen in den Urlaub fahren wollen, sind sie zumeist auf Hilfe angewiesen. Foto: dpa

Wie verreisen Menschen mit Behinderungen? Jana Wagner und Michael Härle vom Bhz erzählen.

Feuerbach - Eine Woche Strandurlaub in Türkei. Nicht sehr exklusiv, möchte man denken. Doch für Jana Wagner war diese Reise im Juli dieses Jahres etwas ganz besonderes. Und zwar nicht, weil es beim Abflug in Deutschland noch geregnet hatte und es in der Türkei Sommerwetter vom Feinsten gab. Nein: Jana Wagner ist dieses Jahr zum ersten Mal nicht mit ihren Eltern verreist, sondern mit einer Freizeit der Lebenshilfe Vaihingen/Enz. Zwar war die 23-Jährige schon mal in der Türkei, auch mal auf der Insel Lanzarote. Aber immer im schützenden Kreis der Familie. Doch dieses Jahr hat sich Jana Wagner, deren Gliedmaßen auf der linken Seite gelähmt sind, ein Herz gefasst: „Das hat mich schon einige Überwindung gekostet“, sagt sie.

Mit ihr unterwegs waren noch elf andere Menschen mit Behinderungen. „Ich war noch eine der Fitteren, ich komme ganz gut zurecht. Es waren aber auch Schwerstbehinderte dabei, die die Hilfe der drei Betreuer gebraucht haben“, sagt Jana Wagner. Ob sie mit den anderen in der Gruppe zurechtkommen würde, das waren ihre größten Bedenken. Aber ihr Mut hat sich gelohnt, rundum zufrieden ist Jana Wagner zurückgekommen. „Es war total schön. Wir sind viel am Pool oder am Strand gelegen.“ Einziger Wermutstropfen: Da die Reisegruppe in einem normalen Hotel untergebracht war, gab es auch unschöne Begegnungen mit anderen Urlaubern. „Die Reaktionen der Gäste sind manchmal schon blöd, es gibt einige, die glotzen richtig. Aber ich versuche das dann zu ignorieren“, sagt Jana Wagner, die im Bistro des Behindertenzentrums (Bhz) in Feuerbach arbeitet.

Auch schon in Amerika

Solche Begegnungen kennt auch Michael Härle. „Aber meistens ist es recht positiv gelaufen“, sagt der Stuttgarter. Auch er wird dieses Jahr mit einer Gruppe verreisen – es geht nach Rügen. Für ihn sind solche Freizeiten die einfachste Art des Verreisens. Denn Michael Härle gehört zu den Menschen mit Behinderungen, die auch im Urlaub auf Betreuung angewiesen sind: „Ich brauche teilweise Hilfe beim Anziehen, aber auch im pflegerischen Bereich“, sagt der Bhz-Mitarbeiter, der an spastischer Tetraplegie leidet. Doch auf seinen wohlverdienten Urlaub möchte der 50-Jährige, der normalerweise im Bhz „Strafzettel eintütet“, nicht verzichten: „Ich fühle mich etwas ausgelaugt und habe keine Power mehr. Deswegen freue ich mich auch aufs Ausschlafen.“ Und ganz davon abgesehen, möchte der Stuttgarter auch einfach mal etwas anderes sehen.

Das hat Michael Härle trotz seines Handicaps schon ganz gut hinbekommen: „In den 80er Jahren war ich mal mit dem Deutschen Roten Kreuz in Amerika, das war meine weiteste Reise. Da habe ich alles zusammengespart, dass ich da mitkonnte.“

Besonders gerne erinnert sich Härle aber an die Reisen, bei denen er alleine unterwegs war. „Einmal haben wir uns ein Trike gemietet und sind ins Elsass gefahren. Da hatte meine Mutter ganz schön Angst, aber das war richtig cool“, schwärmt er. Und auch auf Mallorca war er mal, nur mit einer Betreuerin und einem Zivildienstleistenden. „Das war wirklich ein Highlight.“ Ein Highlight, das eine Ausnahme bleiben wird: „Es ist einfach zu schwierig, so eine Reise zu organisieren.“

Seite 2: Reisen mit Handicap

Rechtsanspruch: „Jeder Mensch hat Anspruch auf Erholung und Freizeit sowie auf eine vernünftige Begrenzung der Arbeitszeit und periodisch bezahlten Urlaub“: Im Paragraf 24 der 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Erklärung der Menschenrechte wird bereits festgelegt, dass alle Menschen ein Recht auf Urlaubhaben.

Tourismus: Lange Jahre werden behinderte Menschen von der Tourismuswirtschaft als Nischenzielgruppe betrachtet. Doch in Zeiten einer Gesellschaft, die aus immer mehr älteren und in ihrer Mobilität eingeschränkten Menschen besteht, wird diese Gruppe immer wichtiger.

Reisemotive: Die Reisemotive von Menschen mit und ohne Behinderung unterscheiden sich nicht: Entspannung, Abstand vom Alltag, aktive Erholung sind laut einer Untersuchung der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen die treibenden Kräfte.

Urlaubsziele: Städtereise nach Venedig, Strandurlaub auf Teneriffa, Kreuzfahrt durchs Mittelmeer: Auch für Menschen mit Behinderung wird eine breite Palette an Urlaubszielen geboten. Zum einen bieten Organisationen wie die Lebenshilfe, das Deutsche Rote Kreuz oder auch der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Gruppenreisen an. Zum anderen gibt es spezielle Reiseveranstalter. Gerade bei Freizeiten mit gemeinnützigen Organisationen sind oft automatisch Betreuer dabei, ansonsten können auch Assistenten zugebucht werden. Schlafen in barrierefreien Zimmern, reisen mit rollstuhlgeeigneten Bussen oder barrierefreie Ausflüge gehören dann mit zum Paket.

Weitere Infos und Tipps zum barrierefreien Reisen unter www.einfach-teilhaben.de.