Der BGH gibt VW-Kunden im Diesel-Streit wieder Hoffnung. Foto: dpa

Der Bundesgerichtshof stuft Schummelsoftware bei Diesel als einen Sachmangel ein. Das ist eine schwere Schlappe für VW. Und es ist eine juristische Sensation, kommentiert Christian Gottschalk. Denn die Richter hätten sich nicht äußern müssen.

Karlsruhe - Die Richter am Bundesgerichtshof haben sich geärgert über Volkswagen – und zwar mächtig. Nur all zu häufig, wenn der Autokonzern in der Flut von Diesel-Klagen zu ertrinken drohte, waren die Wolfsburger mit lukrativen Vergleichsangeboten zur Stelle. Die intensive Prozessvorbereitung war damit für die Katz, und Volkswagen hat es so zudem stets verhindert, dass höchstrichterlich ein Urteil gesprochen werden konnte, das Rechtsklarheit schaffen könnte.

Ein höchst ungewöhnlicher Schritt

Der BGH ist dem mit einem höchst ungewöhnlichen Schritt entgegen getreten. Noch vor einer geplanten Verhandlung haben die Richter ihre Sicht auf die Dinge den Parteien kund getan, sehr ausführlich, auf 19 Seiten. Und, das ist das besonders Beachtliche, sie haben diese Hinweise danach auch noch veröffentlicht. Nun gibt es zwar kein Urteil, aber die Welt, und vor allem die unteren Instanzen, wissen trotzdem, wie Deutschlands höchsten Zivilrichter entscheiden würden. Dass sich der Senat vorsichtig äußert und von einer vorläufigen Meinung spricht, ist juristische Worthülsenakrobatik. Tatsächlich ist das, was die Richter sagen, die größtmögliche Klatsche für den Autokonzern.

Das Ende des Dramas ist nicht in Sicht

Der Beschluss der Bundesrichter ist somit ein Meilenstein in der juristischen Aufarbeitung des Dieseldramas, dessen Ende ist aber noch lange nicht in Sicht. Die Schummelsoftware als Sachmangel zu beurteilen bedeutet, dass die Käufer Ansprüche haben. Sei es auf Minderung oder Schadensersatz. Dem VIII. Zivilsenat gebührt Ruhm und Ehre dafür, diese Grundsatzfrage geklärt zu haben. Aber es werden wohl noch Jahre und zahlreiche Gerichtsverfahren vergehen, in denen die Gerichte feststellen müssen, inwieweit der Rückruf von VW als Rettungsmaßnahme ausreichend ist.

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.prozess-im-vw-dieselskandal-gericht-verpasst-vw-kunden-einen-daempfer.15f8583e-c881-42fd-9594-e6949d791fec.html

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