Bernd-Marcel Löffler glaubt, dass Bad Cannstatt viel Potenzial hat. Foto: Maira Schmidt

Im April ist Bernd-Marcel Löffler als Bezirksvorsteher von Mühlhausen nach Bad Cannstatt gewechselt. Im Interview spricht er über die Zukunft des Volksfestes, eine neue Idee für den Wochenmarkt und die Diskussionen im Bezirksbeirat.

Bad Cannstatt – - Seit April ist Bernd-Marcel Löffler Bezirksvorsteher von Bad Cannstatt. Im Interview blickt er auf sein erstes Jahr zurück, verrät, welche Idee es für den Wochenmarkt gibt und warum die Gefahr besteht, dass das Volksfest am eigenen Erfolg erstickt.
Herr Löffler, vervollständigen Sie bitte diesen Satz. Neun Monate in Bad Cannstatt, das ist wie ...
… jeden Tag ein bisschen mehr ankommen. In Bad Cannstatt ist es ein ganz anderes Arbeiten als in Mühlhausen, wo ich vorher Bezirksvorsteher war. Die Abläufe sind zwar die gleichen und auch das Aufgabenspektrum ist ähnlich, aber Bad Cannstatt tickt völlig anders. Hier liegt der Fokus viel stärker auf dem Handel, dem Gewerbe und der Industrie. In Mühlhausen ist es mir immer gelungen, einen persönlichen Kontakt mit allen Einrichtungen und Vereinen zu halten. Das gelingt einem ob der puren Masse in Bad Cannstatt schon nicht.
In Ihrem Antrittsinterview haben Sie gesagt: „Ich möchte frischen Wind in das Gesamtthema Marktstraße und Marktplatz bringen.“ Ist der kulinarische Abendmarkt ein erster Schritt?
Ja! Es muss uns gelingen, nicht nur die Cannstatter im Bezirk zu halten, sondern auch neue Menschen hierher zu holen. Deshalb haben wir bereits Gespräche mit den großen Frequenzbringern geführt, mit der Wilhelma und dem Mercedes-Benz-Museum. Wir haben ein riesen Potenzial, unser Umfeld ist Einwohnerstark ohne Ende.
Es gibt aber nicht nur Pläne für einen Abendmarkt, auch beim Wochenmarkt könnte sich etwas ändern, oder?
Es gibt die Idee, den Markt am Donnerstag vom Vormittag auf den Nachmittag zu verlegen. Hierzu laufen derzeit die Verhandlungen mit den Marktleuten.
Was soll das bringen?
Die schwäbische Hausfrau, die morgens nichts anderes zu tun hat, als auf den Markt zu gehen, gibt es nicht mehr. Wir haben vormittags einen reinen Rentnermarkt, was ich nicht abwerten will. Aber es reicht nicht aus. Die jüngere Generation kennt den Markt nicht, weil er zu Unzeiten stattfindet. Ich denke, ein Markt, der langfristig überleben will, muss dann geöffnet sein, wenn die Leute von der Arbeit kommen.
Viele Cannstatter wünschen sich einen Bio-Markt. An Interessenten mangelt es nicht, aber an den Flächen. Wie können die Hauseigentümer mit ins Boot geholt werden?
Es gibt definitiv Bio-Markt-Anbieter, die nach Bad Cannstatt wollen und es ist auch in unserem Sinne, denen ein passendes Angebot zu machen. Aber das ist sehr schwierig. Die Stadtverwaltung hat ein Leerstandmanagement, doch leider erfahren wir oft erst dann, dass eine Fläche frei wird, wenn sie schon wieder vermietet ist.
Wünschen Sie sich von den Hauseigentümern mehr Verantwortungsgefühl?
Ich würde mir wünschen, dass weniger auf die Rendite geachtet wird und dafür mehr auf die Nachhaltigkeit. Es ist schade, wenn ein Ankermieter verschwindet, weil ihm die Pacht zu hoch wird. Ich kann keinem verübeln, dass er eine maximale Rendite erwirtschaften will, aber vielleicht schadet es auch nicht, zu überlegen, welcher Pächter dem Standort gut täte. Das Umfeld beeinflusst auch den Wert der Immobilie.
Rund um Bad Cannstatt wird zurzeit viel gebaut, Stichwort Rosensteintunnel. Durch den Rückbau der B10 werden am Neckar Flächen frei. Was soll damit geschehen, ein Gehege für Flusspferde?
Der Gedanke allein ist drollig, aber es wird nicht umsetzbar sein. Die Idee eine Flusslandschaft zu gestalten, die nicht primär von vierspurigen Straßen geprägt ist, ist dagegen sehr vernünftig. Ohne den Rückbau und die Umgestaltung der frei werdenden Flächen macht für mich der Rosensteintunnel keinen Sinn. Die Planungen müssen jetzt erfolgen, sonst läuft uns die Zeit davon.
Da möchte ich mich ganz massiv dagegen wehren. Die Vereine haben alle eine Chance, sie bekommen nur nicht immer ihren Wunschtermin. Wir müssen dem Beschluss des Gemeinderats entsprechen und das jährliche Defizit auf 300 000 Euro begrenzen, was uns aufgrund der guten Belegungszahlen auch gelingt. Diese beiden Ansprüche unter einen Hut zu bekommen, ist ein Spagat. Hier prallen zwei Dinge aufeinander, die im Prinzip nicht kompatibel sind, ein hochpreisiges Veranstaltungszentrum und ein Bürgerhaus.
Vom Kursaal zu einer anderen Cannstatter Institution, dem Volksfest. Das Lärmproblem scheint gelöst, jetzt wird über das Parkchaos diskutiert. Haben Sie Verständnis für die Klagen der Anwohner?
Ich kann nicht in der Stadt wohnen und eine Ruhe wie auf der Schwäbischen Alb erwarten. Aber – und deshalb bin ich dann doch bei den Anwohnern – die Belästigungen haben zugenommen. Nehmen wir das Thema wildes Urinieren. Die Leute haben keine Hemmungen, sich in jedem Hauseingang zu erleichtern. Das Gleiche gilt fürs Parken. Jede Lücke wird ausgenutzt. Es wird immer schlimmer. Was aber auch daran liegt, dass viel mehr Leute zum Volksfest kommen. Vor zehn bis 15 Jahren war es für einen unter 40-Jährigen uncool, dorthin zu gehen. Das hat sich verändert.
Ist der Wasen an seiner Kapazitätsgrenze?
Ich denke, der Wasen ist in diesem Jahr an seine Grenzen gestoßen. Es besteht die Gefahr, dass das Volksfest am eigenen Erfolg erstickt. Wer am 3. Oktober dort war – und ich war da –, der weiß, wie man sich ein Stück weit Duisburg vorstellen kann. Wir können nur dankbar sein, dass es zu keiner Panik gekommen ist und die Polizei rechtzeitig abgesperrt hat. Auch der Cannstatter Bahnhof ist an seiner Grenze. Es muss an massiven Stellschrauben gedreht werden, sonst ist dieses Volksfest in der jetzigen Form für mich auf Dauer schwer zu halten.
Klare Worte. Auch die Cannstatter Bezirksbeiräte sind dafür bekannt, dass sie kein Blatt vor den Mund nehmen. Ein Vorurteil oder ist das Gremium wirklich etwas streitlustig?
Ich muss in Bad Cannstatt tatsächlich öfter schlichtend eingreifen als in Mühlhausen. Die Parteipolitik spielt hier eine ganz andere Rolle, was ich per se auch in Ordnung finde. Aber man muss darauf achten, dass man nicht aus allem ein ideologisches Thema macht. Im Großen und Ganzen ist der Umgang der Cannstatter im Bezirksbeirat aber meistens fair. Als Stadtbezirk könnte Bad Cannstatt allerdings manchmal stärker dastehen, wenn manche Beschlüsse einmütig getroffen und nicht im Vorfeld auf ideologischem Kriegspfad zerredet würden.
Für die Bezirksbeiräte hätten wir also schon einen guten Vorsatz fürs neue Jahr. Und wie sieht es mit Ihnen aus?
Mein Vorsatz für Bad Cannstatt lautet: Ich werde versuchen, mich bestmöglich hier einzubringen und möglichst viele Themen voranzutreiben.