Foto: Leif Piechowski

Saliou Gueye möchte als Zuffenhäuser Bezirksvorsteher ein Impulsgeber sein.

Stuttgart-Zuffenhausen - Am 1. Oktober wird Saliou Gueye offiziell die Nachfolge des Zuffenhäuser Bezirksvorstehers Gerhard Hanus antreten, der in den Ruhestand verabschiedet wird. Der 52-jährige Gueye setzte sich vor der Sommerpause schon im ersten Wahlgang gegen seine Mitbewerber durch. 33 von 58 anwesenden Stadträten gaben ihm ihre Stimme. Wer ist der neue Chef im Zuffenhäuser Rathaus?

Saliou Gueye ist im senegalesischen Dakar geboren. Er hat fünf Brüder und eine Schwester. „Unser Vater hat immer sehr viel Wert auf Bildung gelegt“, erzählt Gueye. „Ich bin ihm dafür sehr dankbar.“ Die Beharrlichkeit und das Engagement des Vaters haben sich ausgezahlt. Einige seiner Kinder arbeiten in den USA, Frankreich oder Kanada – als Manager bei Bosch oder als Ingenieur. Oder eben bald als Bezirksvorsteher von Zuffenhausen. „Die Resonanz auf meine Wahl war im Senegal riesig. Es ist wahnsinnig, wie viele Leute sich bei mir gemeldet und mir gratuliert haben. Alle sind sehr stolz auf mich“, schwärmt Saliou Gueye, der stolz auf seine Wurzeln ist.

Zwei Geschwister und seine Mutter leben noch im Senegal. In seinem Ludwigsburger Büro, wo er seit vier Jahren Leiter der Koordinierungsstelle Kommunale Entwicklungszusammenarbeit ist, ist auch eine kleine senegalesische Fahne zu finden. Und die berühmte „I have a dream“-Rede von Martin Luther King. Sie hängt gerahmt an einer Wand. Aber auch Bilder von Gueye gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem aktuellen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und dessen Vorgängern Horst Köhler und Joachim Gauck zieren die Wände des Büros. Von Bundespräsident Gauck erhielt Gueye 2014 das Bundesverdienstkreuz für sein Engagement beim Thema Migration. Horst Köhler trifft er heute noch ab und zu. „Wenn er hier in der Nähe ist, fragt er gleich nach, ob ich da bin“, berichtet der neue Bezirksvorsteher.

Schon an der Uni war er der Stimmenkönig

„Ich bin schon immer engagiert gewesen“, sagt Gueye – auch in seinem Geburtsland. Von 1992 bis 1994 war er Französischlehrer und ehrenamtlicher Sozialarbeiter in einem Armutsviertel von Dakar. „Die 1990er Jahre waren im Senegal politisch schwierig.“ 1990 begann Gueye sein Studium der afrikanischen und französischen Literatur in der Hauptstadt. Aber als ihm aufgrund von Schülerstreiks gegen die damalige Regierung ein ganzes Studienjahr aberkannt werden sollte, zog es ihn nach Deutschland. „Ein Freund aus Hannover hat mir von den Universitäten dort erzählt.“ 1995 kam Gueye dann nach Dortmund. Er begann ein Studium der Raumplanung mit Schwerpunkt Entwicklungs- und Migrationspolitik. „Ich habe erst hier Deutsch gelernt – mit Kassetten und viel Leidenschaft. Ich wusste, wenn ich hier etwas bewegen möchte, muss ich der deutschen Sprache mächtig sein.“ Gueye machte schnell Fortschritte. „Ich war immer schon jemand, der auf Menschen zugegangen ist.“

Er ließ sich für den Allgemeinen Studierendenausschuss aufstellen und wurde Stimmenkönig. „Als Wertschätzung habe ich an der Uni Dortmund noch den Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes verliehen bekommen.“ Während seines Studiums war er Jugendbegleiter im Kulturzentrum „Dietrich-Keuning-Haus“ in Dortmund und kümmerte sich dort um Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Es folgte ein Studium in Brüssel mit dem Schwerpunkt internationale Beziehungen, geopolitische Hintergründe der internationalen Konflikte und internationales Recht, ehe es Gueye nach Mannheim verschlug.

Dort war er knapp drei Jahre Quartiersmanager in Neckarstadt West – einem der größten Stadtteile von Mannheim, mit etwa 50 Prozent Migrantenanteil. „Ich war der Erste, der dieses Amt bekleidet hat. Es war wichtig, nah an den Bürgern zu sein, sich ihre Probleme anzuhören und sie ernst zu nehmen“, sagt Gueye. „Ich wollte nicht im Rathaus sitzen, sondern mich draußen mit den Menschen treffen. Das ist immer mein Ansatz.“ Klar habe er auch in Mannheim zunächst gegen Vorurteile ankämpfen müssen. „Brauchen wir den hier? Einen Stadtplaner aus dem Senegal“, hieß es an der einen oder anderen Stelle. „Aber durch viele Gespräche konnte ich auch immer wieder die Vorurteile abbauen“, betont Gueye.

Gueye möchte das Rad nicht neu erfinden

So möchte er auch in Zuffenhausen agieren: „Ich freue mich auf die Menschen.“ In den vergangenen vier Monaten sei er oft im Stadtbezirk unterwegs gewesen. „Ich habe hier bislang nur aufgeschlossene Menschen getroffen. Das gibt Hoffnung.“ In den nächsten Wochen und Monaten werde er dann intensivere Gespräche mit den Vereinen und Institutionen führen. „Ich werde mit jedem sprechen. Wir müssen alle an einem Strang ziehen – für Zuffenhausen.“

Der Stadtbezirk stehe vor Herausforderungen. „Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das gemeinsam schaffen“, sagt Gueye. Das Rad wolle er dabei aber nicht neu erfinden. „Ich möchte nicht wie Superman auftreten und überall aufräumen. Ich möchte da ansetzen, wo Potenzial vorhanden ist.“ Mit dem Strukturkonzept Nord, den Projekten Stadtteilzentren konkret und Industrie im Wandel sowie dem Stadtentwicklungskonzept habe man schon gute Programme aufgelegt, die den Bezirk für die Zukunft stark machen sollen. „Natürlich ist wichtig, dass wir die Unterländer Straße aufwerten und attraktiver machen. Aber auch am Bahnhofsvorplatz muss sich etwas tun. Zudem gibt es im Stadtteil Rot noch einige Baustellen“, sagt Gueye. Auch mit dem leidigen Thema Verkehr, dem fairen Handel, der Integration, Bildung und Schulsozialarbeit möchte er sich unter anderem beschäftigen. „Ich möchte ein Impulsgeber sein.“

Und dass er das kann, hat er bei seinen beruflichen Stationen schon bewiesen. Nach seinem Engagement in Mannheim war Gueye von 2007 bis 2013 Beauftragter für Integration und Migration bei der Stadt Ludwigsburg, ehe er knapp zwei Jahre Leiter der Koordinierungsstelle Ulm für den Bereich Internationale Stadt war. Seit 2016 ist er nun der Leiter der Koordinierungsstelle Kommunale Entwicklungszusammenarbeit der Stadt Ludwigsburg. „Ich habe aber eine neue Herausforderung gesucht. Die Aufgabe in Zuffenhausen ist sehr interessant. Und als ich dann mit meiner Familie im Bezirk unterwegs war, hatten alle ein gutes Gefühl“, erzählt Gueye, der eine 14-jährige Tochter und einen fünfjährigen Sohn hat.

Er kann es kaum erwarten, loslegen zu dürfen: „Im Mittelpunkt meiner Tätigkeit als Bezirksvorsteher stehen die Zuffenhäuserinnen und Zuffenhäuser mit ihren Anliegen, Interessen und Ideen. Deshalb soll das Bezirksamt für mich zur Willkommensbehörde per excellence werden. Dabei sind mir Kundenfreundlichkeit, Kundenorientierung, interkulturelle Kompetenzen und das Wohlergehen meiner Mitarbeiter wichtig.“