Die Büsten sind teilweise nicht im besten Zustand. Foto: Manuel Kern

Weil der Dachboden des Vaihinger Bezirksrathauses aus Brandschutzgründen geräumt werden muss, könnten viele Kunstwerke bald obdachlos sein, darunter auch Büsten der Künstlerin Hanne Schorp-Pflumm. Bezirksvorsteher Meinhardt und der Verein Historisches Vaihingen möchten das verhindern.

Vaihingen - Folkmar Schiek und Peter Grunikiewicz haben eine Mission: Vaihinger Kunstschätze vor der Mülltonne retten. Und so erklimmen die beiden Vorsitzenden des Vereins Historisches Vaihingen am Donnerstag im Bezirksrathaus eine steile Holztreppe in Richtung Dachboden, die sie mitten in die Vergangenheit des Stadtteils führt. Oben angekommen, knarzen die Holzdielen bei jedem Schritt, ein modriger Geruch liegt in der Luft. Was hier lagert, muss schnell einen Abnehmer finden, sonst droht die Entsorgung.

„Alles Brennbare muss raus“, so Bezirksvorsteher Wolfgang Meinhardt, der die Expedition begleitet. Im August hätten Vertreter des Baurechtsamtes und des Amtes für Liegenschaften und Wohnen bei einer „Brandverhütungsschau“ den Dachboden inspiziert und Mängel entdeckt. Im Oktober wolle die Stadt erste Ergebnisse sehen. „Ab Ende September wird entrümpelt“, kündigt Meinhardt an.

Kunstwerke sollen in Vaihingen bleiben

Über die Jahre haben sich allerhand Kuriositäten angehäuft: Eine Wildschweintrophäe, Karnevalsorden, alte Musikinstrumente, eine Mineraliensammlung. Doch das Interesse des Bestatters Schiek und des Ingenieurs im Ruhestand Grunikiewicz gilt vor allem rund 50 Büsten und Skulpturen, die unter Plastikplanen und einer dicken Staubschicht lagern. Erschaffen hat die Objekte der Begierde die 1990 verstorbene Bildhauerin Hanne Schorp-Pflumm, die in Büsnau gelebt hat. Die Kunstwerke aus getöntem Gips zeigen bekannte Stuttgarter Unternehmer oder ihre Kinder, eines den früheren Bundespräsidenten Walter Scheel. Folkmar Schiek will die Büsten unbedingt retten. Schorp-Pflumm sei schließlich eine bedeutende Künstlerin gewesen, erklärt er und verweist auf bekannte Skulpturen der Bildhauerin wie das Mahnmal auf dem Buchrainfriedhof.

Die promovierte Kunsthistorikerin Julia Müller, die sich an diesem Nachmittag ebenfalls auf dem Dachboden umschaut, ist begeistert. „Die Porträts sind wunderschön“, schwärmt die Leiterin des Graevenitz-Museums auf der Solitude, während sie eine Plastikplane zur Seite schiebt. Fritz von Graevenitz war an der Kunsthochschule Stuttgart Schorp-Pflumms Lehrmeister. „Für uns ist natürlich relevant, was aus den Werken seiner Schülerinnen und Schüler wird“, so Müller. Das Wichtigste sei, dass die Kunstwerke an einem Ort zusammenbleiben. Dass die Plastiken aufgeteilt werden und einige beispielsweise im Stuttgarter Kunstmuseum landen könnten, ist auch für Folkmar Schiek unvorstellbar: „Was in Vaihingen und Büsnau an Kunst und Kultur entstanden ist, soll auch dauerhaft hier bleiben.“ Liebend gern würde sein im März gegründeter Verein Historisches Vaihingen die Skulpturen komplett übernehmen und ausstellen, das Einverständnis von Schorp-Pflumms Erben vorausgesetzt.

Verein Historisches Vaihingen sucht noch Räumlichkeiten

Schiek hat seine Kamera dabei und fotografiert einige Stücke vorsichtshalber schon einmal für eine spätere Katalogisierung. Noch haben er und seine knapp 30 Vereinskollegen keine eigenen Räume, lagern ihre Bestände in Privathaushalten. „Langfristig wollen wir ein kleines Museum aufbauen, müssen aber einen Schritt nach dem anderen machen“, erzählt Schiek. Die Suche nach einer Bleibe für das Stadtteil-Archiv laufe auf Hochtouren, ergänzt sein Stellvertreter Peter Grunikiewicz. „Wir sind auf Hilfe der Stadt angewiesen, Miete können wir uns nicht leisten“, berichtet der engagierte Rentner. Obwohl ehemalige Vaihinger in aller Welt den Verein unterstützten, beispielsweise in Japan oder Florida. Deshalb habe er einen Brief an Oberbürgermeister Fritz Kuhn geschrieben.

Die Vereinsvertreter werden für ihre Rettungsmaßnahmen in den nächsten Wochen noch oft auf den Dachboden steigen. Zumal an diesem Nachmittag weitere Relikte auf ihrer Wunschliste landen. In alten Holzschränken, an einer Garderobe und in stapelweise Umzugskartons lagern historische Kostüme von vergangenen Vaihinger Kinder- und Heimatfesten. Von der Stadt wurden sie zwar nicht beanstandet, die Aufmerksamkeit von Schiek und Grunikiewicz ist dennoch geweckt. Gemeinsam sehen sie sich die Kleidungsstücke genauer an und äußern ihr Interesse, einige zu übernehmen. Bezirksvorsteher Meinhardt hätte nichts dagegen. In der Altkleidersammlung sollen die Kostüme auf keinen Fall landen, findet er: „Da hängt viel Herzblut und Historie dran.“