Bürgermeister Fabian Mayer verabschiedet Ulrike Zich. Foto: Georg Fried/l

Die „Queen“ von Weilimdorf verabschiedet sich nach 45 Jahren im Dienst der Stadt Stuttgart. 34 Jahre lang war sie Bezirksvorsteherin, zunächst in Botnang, dann in Weilimdorf.

Es war ein fulminanter Abend. Dem Einladungsruf von Ulrike Zich folgten weit über 100 Gäste. Kommunale Weggefährten und Kollegen aus der Stadtverwaltung wie der frühere Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, aber auch sehr viele am ehrenamtlichen, sozialen und politischen Leben in Weilimdorf und in der Gesamtstadt Beteiligte waren gekommen, um sie nach 45 Jahren im Dienste Stuttgarts zu feiern und in den Ruhestand zu verabschieden. Da war im Entreebereich des Weilimdorfer Holiday Inn erst einmal Geduld gefragt. Die Schlange zur Begrüßung der scheidenden Weilimdorfer Bezirksvorsteherin reichte zeitweise quer durch die gut 100 Meter lange Hotellobby und hatte – zumindest was die Länge betraf – Bürgerbüro-Charakter.

Unter die Gratulanten reihte sich alles ein, was im Stadtbezirk Rang und Namen hat. Und darüber hinaus: Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Vereinen kamen. Neben Alt-OB Schuster waren die Bürgermeister Fabian Mayer und Thomas Fuhrmann sowie Amtsleiter, zahlreiche Stadt- und Bezirksbeiräte und Bezirksvorsteher-Kollegen aus anderen Stadtbezirken zum beruflichen Abschiedsdefilee erschienen. Ulrike Zich nahm gemeinsam mit ihrem Mann Horst jede Menge Blumensträuße, Grüße und Präsente entgegen. Es wurden Hände geschüttelt, es wurde umarmt und gedrückt.

Offenheit für gesellschaftliche Veränderungen gezeigt

Erster Bürgermeister Fabian Mayer dankte Zich für ihr großes Engagement: „Die Power, die Sie sich bewahrt haben, ist sehr bewundernswert.“ Probleme habe sie immer gleich angesprochen: „Bei der Zich wusste man, woran man war.“ Eine Ära gehe in Weilimdorf nun zu Ende, sagte Mayer: „Mit Ulrike Zich verlieren wir nicht nur unsere erfahrenste Bezirksvorsteherin, sondern eine herausragende Persönlichkeit, die den Stadtbezirk und die Arbeit der Bezirksvorsteherinnen und Bezirksvorsteher als deren Sprecherin maßgeblich geprägt hat.“ Die Zusammenarbeit mit Zich sei immer vertrauensvoll, konstruktiv und verlässlich gewesen. „Sie war eine gefragte und hochgeschätzte Ansprechpartnerin innerhalb der Verwaltung, aber auch in der Bürgerschaft.“

Ihre Offenheit für gesellschaftliche Veränderungen hob Mayer ebenfalls hervor. Zich öffnete Anfang der 2000er Jahre neben ihrem damaligen Kollege Klaus Eggert in Untertürkheim ihre Standesamtstüren erstmals auch den gleichgeschlechtlichen Paaren. Schwule und Lesben in Stuttgart konnten auf einem dieser Bezirksämter ihre Lebenspartnerschaft eintragen lassen, die gleichgeschlechtliche Ehe war noch nicht möglich. Aber viele homosexuelle Paare kamen dann gut anderthalb Jahrzehnte später wieder zu Zich, um sich diesmal von ihr „richtig“ trauen zu lassen. „Dieses Weilimdorfer Wirken für gleichgeschlechtliche Ehen ist inzwischen auch im Hause der Geschichte dokumentiert“, sagte Mayer.

Lehrmeister Manfred Rommel

Auch in anderen Bereichen sei Ulrike Zich offen und konstruktiv an neue Aufgaben und Themen herangegangen. Sie holte meist die Akteure an einen Tisch. Erfolge waren zweifelsohne der Abschluss der Sozialen Stadt Giebel, die Eröffnung des Stadtteilzentrums „Treffpunkt Pfaffenäcker“ mit dem von ihr initiierten und umgesetzten Projekt „Hausaufgaben und Betreuung“, die Einrichtung des Jugendcafés 13, die Sanierung der Lindenbachhalle, die Sanierung des Alten Rathauses, die Erweiterung der Marie-Montessori-Schule und die Umgestaltung des Löwenplatzes – um nur einige Beispiele zu nennen. Runde Tische und Bürgerbeteiligungen moderierte sie selbst. SPD-Bezirksbeirat Dieter Benz und Freie-Wähler-Stadtrat Michael Schrade hoben in ihrem Grußwort auch ihre Fähigkeiten als Moderatorin hervor: „Wenn es richtig schwierig wurde, lief sie zur Höchstform auf“, sagte Benz. Zichs Leitfigur und Lehrmeister war da Manfred Rommel: „Ich durfte damals noch bei ihm als Oberbürgermeister lernen, wie man Sitzungen führt“, hob sie selbst hervor. 1978 fing sie im damaligen Hauptamt an. Ihr Talent, auf dem mitunter glatten kommunalpolitischen Parkett stets die richtige Balance zu bewahren, stachen da schon sichtbar hervor: „Sie war 1989 bestens vorbereitet als Bezirksvorsteherin in Botnang“, sagte Wolfgang Schuster.

Auf das Team kommt es an

Zehn Jahre in Botnang, danach 24 Jahre in Weilimdorf leitete sie die Geschicke der Stadtbezirke. 20 Jahre war sie zudem Sprecherin der hauptamtlichen Bezirksvorsteher. „Die Leute haben mir immer etwas zugetraut. Ich war auch später nie allein und hatte immer Menschen um mich herum, auf die ich mich verlassen konnte“, fasste Zich ihr Erfolgsrezept zusammen – auch mit Blick auf ihr Team im Bezirksrathaus. Denn im Grunde ihres Herzens war die „Queen“ von Weilimdorf, wie sie Mayer „halb scherzhaft“ bezeichnete, eine Teamspielerin. So sagte sie in einem Interview zur 775-Jahr-Feier Weilimdorfs: „Wenn Menschen etwas zusammen auf die Beine stellen, wenn sie sehen, wie viel mehr man zustande bekommt, wenn man etwas nicht alleine stemmen muss, dann ist das etwas, was in die Zukunft weiterwirkt.“

Die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Ulrike Zich wird von den Stadträten wohl in der Gemeinderatssitzung am 20. Juli gewählt. „Es liegen mehrere qualifizierte Bewerbungen vor“, heißt es bei der Stadt.