Der SV Bonlanden war im Mai der letzte Bezirkspokalsieger in Vaihingen – das steht inzwischen fest. Das dortige 25-Jahr-Jubiläum wird es nicht mehr geben. Foto: Archiv Baumann

Der Bezirk Stuttgart beschließt, seine Cupendspiele erstmals seit 24 Jahren nicht nach Vaihingen zu vergeben. Dort sei zuletzt „alles in die Hose gegangen“. Der Ersatzplan ist aber bereits geplatzt – und beim Filderclub fühlt man sich vor den Kopf gestoßen.

Vaihingen - Die Alarmlichter mussten bei den Fußballern des SV Vaihingen bereits im August angehen, noch in der Anlaufphase der Saison. Damals befand der Abteilungsleiter Peter Breuer sich bei der morgendlichen Lektüre und hat sich im ersten Schreck beinahe an seinem Kaffee verschluckt. Der Auslöser: ein Interview unserer Zeitung mit Mario Krkac, dem neuen Vorsitzenden des Fußballbezirks Stuttgart. Befragt nach seinen Zielen als Jobeinsteiger, tat Krkac für die Vaihinger Erstaunliches kund. Demnach seien ihm vor allem die Bezirkspokalendspiele ein Anliegen. Da schwebe ihm eine Aufwertung vor. „Hinterher“, so Krkac seinerzeit wörtlich, „sollen die Spieler sagen: Das war eine richtig geile Veranstaltung.“

Vaihinger Vorwurf: „Schlechter Umgangsstil“

Dies durfte man durchaus als eine erste Watschn für den Filderclub interpretieren, beinhaltete diese Aussage doch, dass Krkac die bisherigen Finalauflagen unter Vaihinger Ausrichtung für eher keine „geile Veranstaltung“ hielt. Die zweite und noch heftigere ist jetzt gefolgt: Vor wenigen Tagen haben die Verantwortlichen am Schwarzbach Post erhalten. In jener ranken sich Dankesfloskeln um eine kernige Botschaft: Es ist Schluss. Erstmals seit 24 Jahren vergibt der Bezirk seine Endspiele der Männer und Frauen nicht mehr nach Vaihingen. Damit endet eine Langzeitpartnerschaft abrupt. Nicht nur das: auch flankiert von Misstönen. „Das ist für mich kein Umgangsstil mit jemand, mit dem man zweieinhalb Dekaden lang verlässlich zusammengearbeitet hat“, moniert Breuer. Ein nur konsequentes Handeln sieht derweil Krkac im vollzogenen Schnitt, denn: „In Vaihingen hat man sich bemüht, aber dort ist zuletzt alles in die Hosen gegangen.“ Peng. Damit erst mal hinsetzen und beiderseits tief Luft holen.

Letzteres ist starker Tobak. Schließlich hat die Veranstaltung erst unter Vaihinger Ägide ihre heutige Popularität erlangt. Fanden die Finals früher oft vor nur ein paar Handvoll Interessierter statt, betteten die rot-weißen Macher jene ein in ein Event, das ein breites Publikum anlockte. Eine Mischung aus Fußball, Show und Festle ließ zu den Glanzzeiten bis zu 5000 Leute ins Schwarzbachstadion strömen. Kickende Altstars wie ein Paul Breitner, Guido Buchwald und „Buffy“ Ettmayer sowie Hochseilartisten, Freestyle-Motocrosser oder Live-Musik bildeten das Rahmenprogramm. Fronleichnam, Saisonabschluss-Hocketse – es wurde seit den Anfängen anno 1995 für Sport- und Partyfans gleichermaßen ein Fixtermin im regionalen Terminkalender.

In den vergangenen Jahren, auch nachdem die Filder-Zeitung sich als Veranstaltungspartner zurückgezogen hatte, mussten die Vaihinger zwar abspecken. Gut 2000 kamen aber auch in diesem Jahr noch, für Spiele auf Bezirksebene nach wie vor eine bemerkenswerte Zahl.

Zu wenig Fußball, zu viel Drumherum?

Freilich: gerade im Eventcharakter und dem bunten Beiwerk lag für Krkac ein Stein des Anstoßes. „Als ich das erste Mal da war, sind wir vom Bezirk uns vorgekommen wie ein zweitrangiges Anhängsel“, sagt er. Der Vorwurf: zu wenig Pokalfußball, zu viel Drumherum. Der eigentliche Part müsse wieder mehr in den Vordergrund. Also gründeten er und die Seinen eine Arbeitskommission Bezirkspokal. Dieses Gremium mit Krkac an der Spitze hat für den SV Vaihingen nun den Daumen gesenkt. Bei jenem wiederum fühlt man sich vor den Kopf gestoßen – weniger wegen der Entscheidung an sich. Die hält der Abteilungsboss Breuer für „absolut legitim“. Doch für Unmut sorgt das Wie.

So war man im Verein fest davon ausgegangen, erneut der Ausrichter zu sein. Eine Annahme, die zwar auf keinen vertraglichen Fakten, aber einem bislang gepflegten Handschlag-Agreement basierte. Noch im Mai waren Vaihinger Verantwortliche und die Bezirksgranden zu einer Abschlussbesprechung für die diesjährige Auflage zusammengetroffen, darunter Krkac als Chef in spe. Damalige Endzeitstimmungstendenzen? Laut Breuer keine. Im Ohr hatte er da auch noch das vormals geflügelte Wort des Amtsvorgängers Harald Müller: „Unser Berlin ist Vaihingen.“ Hieß: so wie die Bundeshauptstadt für Bayern, Dortmund oder die sonstigen Stars des deutschen Fußballs seit Jahren Endspielort ist, galt eigentlich auch Vaihingen als gesetzt.

Eigentlich. Als dann Krkacs besagtes Interview erschien, habe es mehrere Vaihinger Ersuchen um ein klärendes Gespräch gegeben. Ohne Erfolg. Krkac, wie er einräumt, vertröstete jedes Mal – bis dem Filderclub nun der erwähnte blaue Brief ins Haus flatterte. Der erwischt auch insofern auf dem falschen Fuß, weil Breuer und Co. sich mittlerweile schon mitten in der Planung für 2019 befanden. „150 bis 200 Stunden sind bereits investiert“, sagt Breuer. Ein weiterer ärgerlicher Aspekt: auch im Etat der Abteilung hatte die Veranstaltung eine Rolle gespielt. Trainingslager, Ausrüstung und Teambuildingmaßnahmen ihrer Aktiventeams haben die Vaihinger bisher jeweils über den Erlös finanziert.

Gazi-Stadion erweist sich als Luftschloss

Alles in allem blickt Breuer nun halb angesäuert, halb gespannt darauf, welchen Weg der Bezirk stattdessen gehen wird. Ein Fragezeichen, das man dummerweise allerdings auch bei den Bezirksverantwortlichen selbst noch setzen muss. Denn deren ursprüngliche Idee, am großen Rad zu drehen, ist inzwischen geplatzt: Der in einer Pressemitteilung angedeutete Umzug ins Degerlocher Gazi-Stadion hat sich als Luftschloss herausgestellt. Eine Kostenüberprüfung ergab, dass man dafür eine fünfstellige Summe aufbringen müsste – die Miete wäre dabei noch der geringere Teil. Den weitaus größeren erforderte der nötige Ordnungsdienst. „Das ist unrealistisch“, sagt Krkac.

Von überhaupt Realitätsferne der Handelnden ist in externen Beobachterkreisen die Rede, zumindest hinter vorgehaltener Hand. Davon zeuge allein die Annahme, eine vergleichsweise Großarena wie auf der Waldau mit bloßem Bezirksfußball ausreichend füllen zu können.

Nun eine Ausschreibung bei den Vereinen

Aktuell also steht der Bezirk jedenfalls ohne Ersatzspielort da. Lösen will er das Problem nun mit einer Ausschreibung unter seinen Vereinen: Gastgeber für den 20. Juni 2019 gesucht. Dass es auf diesem Weg dann vielleicht doch nicht gleich für die erhoffte „geile Veranstaltung“ reichen wird, sondern nur ein paar Nummern kleiner, nimmt Krkac notgedrungen in Kauf. „Wenn es sein muss, fliegen wir im ersten oder zweiten Jahr auf die Schnauze“, sagt er. Bewerben könne sich jeder – im Übrigen „natürlich auch der SV Vaihingen“.

Kein Witz. Ernst gemeint. Wenn auch auf die Gefahr hin, dass sich dort bei der Lektüre dieser Worte erneut der ein oder andere am Kaffee verschluckt.