Der Plattenhardter Edal Tunc (rechts) entschied mit seinem Treffer das Filderstädter Derby. Links: der Bernhausener Emilio Padalino. Foto: Günter Bergmann

Während die Verfolger allesamt patzen, wird der TSV Plattenhardt zum großen Gewinner eines verrückten Spieltags.

Filder - Die Kommentare reichen von „merkwürdig“ über „unglaublich“ bis „völlig gaga“. Doch kein Irrtum: die Ergebnisse an diesem Spieltag der Stuttgarter Fußball-Bezirksliga waren wirklich so. Da fängt sich der eine Aufstiegsanwärter (Türkspor Stuttgart) acht Gegentore ein, da fliegen dem anderen (SV Sillenbuch) beim bislang sieglosen Letzten die Bälle um die Ohren, und da ist im Klassement das vormalige Kanonenfutter der Staffel (SV Vaihingen) plötzlich auf Schlagdistanz zu den Spitzenteams. Der größte Gewinner dieses verrückten Sonntags heißt freilich TSV Plattenhardt. Jener führt nach seinem selbst nur schmeichelhaften 2:1-Derbyerfolg in Bernhausen die Tabelle nun mit sieben Punkten Vorsprung an – und verblüfft mit einer Serie.

TSV Bernhausen – TSV Plattenhardt

Auswärtssieg Nummer fünf also für den TSV Plattenhardt in dieser Saison. Auf gegnerischen Plätzen haben die Weilerhau-Kicker hiernach 16 von bislang 18 möglichen Zählern geholt, auch in diesem Ranking mehr als jede andere Mannschaft in der Staffel. Und das soll nun mal einer verstehen. Auswärtsmacht Plattenhardt!? Jahrelang hätte eine solche Aussage als Widerspruch in sich gegolten, in etwa so, als hätte man bemerkt „Ferienparadies Castrop-Rauxel“, haben sich die Filderstädter doch gerade mit einer ominösen Schwäche fern des eigenen Zuhauses in ärgerlicher Regelmäßigkeit ihrer Titelchancen beraubt.

Warum das in der Vergangenheit so war, da vermag der Trainer Steffen Küttner nur ratlos mit den Schultern zu zucken. „Ich habe keine Erklärung dafür“, sagt er. Wie auch, ist er selbst doch erst im Sommer eingestiegen. Seither wirkt es jedenfalls wie verzaubert. Schlagartig flutscht es auch dann, wenn sich der abermalige Titelfavorit jenseits des heimischen Rasens versucht – zumindest von den Ergebnissen her. An der Leistung gemessen, daraus macht Küttner keinen Hehl, war es diesmal eine ziemlich zähe Angelegenheit. Viel hat nicht gefehlt, und die Plattenhardter hätten sich unliebsam bei den Überraschungen des Spieltags eingereiht. „Wir hatten 80 Prozent Ballbesitz“, schätzt ihr Coach, „aber das allein bringt halt noch nichts.“ Nicht ohne Tempo, ohne Zug zum Tor und ohne Durchschlagskraft.

Aufgemeißelt haben die Gäste den Abwehrbeton ihres geschickt verteidigenden Lokalrivalen TSV Bernhausen schließlich erst in Hälfte zwei. Zwei eigentliche Defensivkräfte wurden für Küttners Elf zu den Matchwinnern. Erst traf Sebastian Gückel nach einer Kattenberg-Ecke per Kopf, dann versenkte Erdal Tunc einen Bayrak-Flankenball sehenswert per Volleyabnahme im Netz. „Aus eineinhalb Chancen haben die zwei Tore gemacht“, ächzt Küttners Gegenüber Konstantinos Kalantidis. Umso bitterer für die somit doch noch geschlagenen Bernhausener, versiebten sie ihrerseits mehrere dicke Möglichkeiten wenigstens für einen Teilerfolg. Für sie blieb Nicola Portogheses Abstauber zum zwischenzeitlichen Ausgleich die einzige zählbare Ausbeute. Ein Schuss von Onur Aycil klatschte gegen die Querlatte, und Patrick Kerker sowie Daniel Johne scheiterten am starken Plattenhardter Keeper Daniel Wagner.

So galt für am Ende enttäuschte „Veilchen“: Formanstieg weiter ja, weitere Aufholjagd im Tabellenkeller dagegen erst einmal nein – während Küttner mit den Seinen nach dem Abpfiff mit zunehmend breitem Grinsen auf die Ergebnisse der anderen schaute. Wie gesagt: nun sieben Punkte Vorsprung. Spätestens am übernächsten Spieltag, dem 1. Dezember, werden die Plattenhardter die Gelegenheit haben, den Halbzeitmeistertitel einzutüten. Dann kommt ihr Verfolger MTV Stuttgart in den Weilerhau. In diesem Fall ein Heim-, kein Auswärtsspiel.

TV Zuffenhausen – SV Sillenbuch

Dass sich diese Kluft an der Spitze des Klassements aufgetan hat, liegt auch am SV Sillenbuch – und damit zurück zur Rubrik „völlig gaga“. Die Mannen vom Spitalwald schafften das Kunststück, beim bisher sieglosen Schlusslicht TV Zuffenhausen mit 2:6 unterzugehen. Ein Ergebnis, das der Trainer Zvonimir Topalusic und seine Kicker vorab wohl für einen Aprilscherz gehalten hätten, auch noch zur Halbzeitpause. Zu diesem Zeitpunkt führten die Gäste durch einen Doppelschlag von Louis Schmidt noch standesgemäß mit 2:0. 45 Spielminuten später lachte bei ihnen dann aber keiner mehr. Topalusics Team bekam die bittere Quittung für eine Leistung, die der Coach selbst zwischen überheblich und halbherzig verortet. „Keine Körperspannung. Da hat alles gefehlt“, sagt er, nachdem der Ball noch sage und schreibe ein halbes Dutzend Mal im eigenen Kasten eingeschlagen hat, und das, obwohl beim Gegner der Toptorjäger Kai Prechter verletzt fehlte.

Es wurde ein Sillenbucher Debakel, für das Topalusic selbst die Verantwortung übernimmt. „Ich selbst hatte zwischendurch gedacht: gegen diesen Gegner kann man nicht verlieren“, räumt er ein. Diese Einstellung habe sich wohl auf die Mannschaft übertragen – wonach, so Topalusics Annahme, die „Aufstiegsträume, die einige der Jungen bei uns bereits hatten, nun aus den Köpfen draußen sein dürften“. Stattdessen willkommen zurück auf dem Boden der Tatsachen. Insgesamt war es für die Höhenflieger von zuvor die dritte Niederlage in Folge.

TSV Musberg – Spvgg Möhringen

Andernorts registriert man es derweil staunend mit offenem Mund – und einem hadernden Reflex: „Eigentlich müsste man sich in den Hintern beißen, wenn man nach dem eigenen Ergebnis noch diese anderen Resultate sieht“, sagt Ralf Martins, der Trainer des TSV Musberg. Dessen Mannschaft gab beim 2:2 gegen die Spvgg Möhringen spät noch zwei Punkte her und verpasste somit den unerwartet möglichen Sprung auf den zweiten Tabellenplatz. Kurz vor der Ziellinie rächte sich der Musberger Chancenwucher. Ein Handspiel im Strafraum, folglich Elfmeter. „Ein saublödes Ding“, sagt Martins. Dem Gästeroutinier Marvin Kuhn waren die Umstände freilich egal. Er erzielte nervenstark seinen zweiten Treffer der hektischen Partie, erneut zum Ausgleich, was vor allem einen gegrämt haben dürfte.

Bis dahin hatte es so ausgesehen, als sollte just das Geburtstagkind Lukas Zug zum spielentscheidenden Mann avancieren. Der nun 26-Jährige hatte die Heimelf ebenfalls per Strafstoß in Führung gebracht. Nach einem Dribbling von ihm war er selbst von Samir Ramic zu Fall gebracht worden. „Von uns ein bisschen dusselig angestellt“, konstatiert Martins’ Amtskollege Karl-Heinz Fuhrmann.

Insgesamt jedoch konnten immerhin die Möhringer mit dem Verlauf gut leben. Den letztlich ergatterten Zähler sieht Fuhrmann als Lohn „für eine zweikampf- und laufstarke Vorstellung“ – und „als Ausrufezeichen zur Stärkung der Moral“. Auch wenn sich die Ausgangslage weiter verschlechtert hat. Zum einen personell mit Gelb-Rot für den Abwehrchef Steven Jordan. Zum anderen tabellarisch mit dem trotzdem erfolgten Rutsch auf den letzten Rang – auch das eine Auswirkung der kuriosen Ergebnisse der Konkurrenz.

SV Vaihingen – TB Untertürkheim

Was den Möhringern Mut macht, ist das Beispiel SV Vaihingen. Das zeigt, wie schnell es in dieser Liga gehen kann, wenn man einmal ins Rollen gekommen ist. Vor gerade einmal zwei Monaten bildeten die Schwarzbachkicker ihrerseits noch das Schlusslicht. Nun, nach dem souveränen 4:0 gegen den Aufsteiger TB Untertürkheim, grüßen sie von Platz sechs – dies mit nur noch drei Punkten Abstand zum Zweiten. So ergeben sich für das im Sommer einem Radikalumbruch unterworfene Ensemble plötzlich völlig neue Perspektiven. Ja, gar Aufstiegs- statt des von manch einem befürchteten Abstiegskampfs?

„Es macht gerade riesig Spaß. Aber wir warten jetzt einfach mal ab“, sagt der Trainer Stephan Tregel. Hausgemachten Druck gebe es jedenfalls keinen. Auch intern scheint man eher erstaunt über die Rasanz der Entwicklung. Ihrem aktuellen Gegner setzten die Vaihinger wie schon den vorigen mit Pressing, hoher Laufbereitschaft und einem temporeichen Angriffsspiel zu. Zwei Treffer bereitete Steffen Günther mit Flanken vor, die Marc Scherle und Benjamin Schiffner verwerteten. Außerdem netzte Ali Hasöz ein und verlängerten die Gäste einen scharf getretenen Ball von Thomas Drephal unglücklich ins eigene Tor.

So ergab sich Saisonsieg Nummer sechs, schon jetzt mehr als in der kompletten Hinrunde des vergangenen Spieljahrs. Hätte das jemand im August oder September prophezeit, als Tregel vor einem Puzzle aus 17 Ab- und 18 Zugängen stand, hätte dies wohl ähnliche Kommentare gezeitigt wie jetzt: gaga, oder was? Wer hätte es geglaubt?