Die Bundesstraße 10 trennt die Stadt vom Fluss – deshalb soll sie nicht oben bleiben. Foto: Christoph Kutzer

Im Bezirksbeirat Stuttgart-Ost wurde die Machbarkeitsstudie zur Uferstraße B10 vorgestellt – zur großen Freude des Gremiums.

S-Ost - Selten löst ein Tagesordnungspunkt im Bezirksbeirat ähnlich euphorische Gefühle aus, wie die Berichterstattung zur Machbarkeitsstudie Uferstraße B 10 im Osten. Bezirksvorsteherin Tatjana Strohmaier sprach von einem historischen Tag und gestand, bei ihrem Amtsantritt 2014 habe sie nicht damit gerechnet, dass das Gremium so rasch konkret über die Transformation des Geländes am Neckarufer zwischen Leuze und Heizkraftwerk Gaisburg sprechen und es aus seinem Dornröschenschlaf erwecken würde. Das ewige Thema „Stadt am Fluss“ beginne nun tatsächlich Gestalt anzunehmen.

Großes Interesse am hypothetischen Blick in die Zukunft

Noch handelt es sich bei den Ergebnissen der Voruntersuchung freilich um Visionen, wie Stephan Engelsmann vom beteiligten Ingenieursbüro Engelsmann Peters betont. Man wolle die Bezirksbeiräte mit auf eine Reise nehmen, die eben erst begonnen habe. Während Ulrich Rockenbauch (SÖS/Linke-plus) anmerkte, ehe man anfange, Luftschlösser zu bauen, sei zunächst eine grundsätzlicher Klärung der naturräumlich-geologischen Verhältnisse nötig, zeigte die Mehrheit der Anwesenden parteienübergreifend großes Interesse am hypothetischen Blick in die Zukunft. Zumal sich die Präsentation nicht auf einen einzigen Entwurf beschränkte, sondern gleich mehrere Varianten umfasste. Ein zentraler Punkt ist etwa der Umgang mit der B 10, deren Verlauf je nach Szenario kaum oder stark abweicht. Auch das Ausmaß der Tieferlegung für die Bundesstraße fällt unterschiedlich aus. Die von Engelmann und seinen Kollegen bevorzugte Lösung sieht bis zum Dreieck Neckarpark eine Verkehrsführung durch zwei Kilometer Tunnel vor. Ein Alternativvorschlag käme mit 900 Metern aus. Dafür fiele hier die angedachte Promenade am Neckarufer weg.

Auch die geschätzten Kosten klaffen auseinander. Die Vorüberlegungen, die das größte Potenzial bieten und mit bis zu 212 000 Quadratmetern ein Höchstmaß an Flächen für Wohnraum erschließen würden, liegen ohne Erwerbs-, Erschließungs- oder Baunebenkosten bei rund 267 Millionen Euro. Obwohl ein Vergleichswert von 154 Millionen Euro wesentlich attraktiver klingt, tendiert auch das Gros der Bezirksbeiräte zum Favoriten der Studien-Macher. „Angesichts der Möglichkeiten, die sie eröffnet, wäre diese Lösung jeden Cent wert“, so Bernhard Herp (CDU). Diese Variante biete wesentlich größere Möglichkeiten für Wohnen, auch am Fluss, und für das Gewerbe als die anderen.“ Auch Federico Busarello (FDP) sieht hier „trotz vieler Konjunktive“ ein „extremes Potenzial“. Brian Krause merkt an, den Grünen liege der Quartiersgedanke besonders am Herzen. Wohnen, Arbeiten und Kultur müssten in einem neuen Viertel zusammenkommen. Denkbar sei etwa eine Anschlussnutzung des Gaskessels für kulturelle Veranstaltungen.

Kritik am Detail bleibt nicht aus

Bei aller grundsätzlichen Freude darüber, dass die Ideenfindung zur Erschließung des Neckarufers voranschreitet, bleibt Detailkritik nicht aus: Ulrich Gohl (SPD) sieht in den vorgestellten Entwürfen eine Tendenz, dem Norden des Stadtbezirks Pluspunkte zuzuschanzen und den Süden dafür bluten zu lassen. Er würde eine weitergehende Tunnelführung für die B10 in Richtung Gaisburg begrüßen. Offenbar erweist sich hier die Abzweigung der B 14 Richtung Waiblingen als neuralgischer Punkt. Ein weiterer Knackpunkt ist das Areal des Wasserwerks im Norden. Die Bauten dort stehen teilweise unter Denkmalschutz, was zu planerischen Einschränkungen führt. Davon abgesehen ist noch unklar, unter welchen Bedingungen und in welchem Maß der Eigentümer, die EnBW, ihre Grundstücke veräußern würde.

Ehe es an konkrete Planungen geht, ist auch eine Bürgerbeteiligung vorgesehen. „Gerade für die Anwohner von Berg ist es wichtig, dass sie sich einbringen können, ehe der Ideenwettbewerb um die Gestaltung losgeht“, betont Tatjana Strohmaier. Auch der Bezirksrat möchte sich rechtzeitig einbringen. Jörg Trüdinger (SPD) kleidet dieses Anliegen in Worte: „Wir sollten unbedingt vermeiden, dass es bei der Stadt, wenn alles entschieden ist, wieder heißt, wir hätten ja keine Meinung geäußert.“