Ist der CDU-Mann Paul Eckert durch die Immobilien als Bezirksbeirat befangen? Auch die CDU und die Stadt geraten in Erklärungsnot. Er sagt: „Ich vermiete nicht an Prostituierte.“
Stuttgart - Paul Eckert hält 50 Prozent an drei Häusern im Leonhardsviertel; in einem Haus davon arbeiten Prostituierte. Ein weiteres Bordell-Haus im Viertel ist laut Eckert im „Familienbesitz“. Ist der CDU-Mann durch die Immobilien als Bezirksbeirat befangen? Auch die CDU und die Stadt geraten in Erklärungsnot.
Im Erdgeschoss ist eine Bar. Ein Pils kostet fünf Euro, ein Johnny Walker acht Euro. Auf den oberen Stockwerken in der Leonhardstraße 1 wird Sex verkauft. Eine Handvoll Frauen arbeitet dort. Mit 50 Euro ist ein Freier dabei.
Bei der Polizei gilt die Leonhardstraße 1 als „unauffällige“ Adresse im Rotlichtviertel. Mit der langjährigen Wirtin der Bar oder den selbstständigen Huren gebe es fast nie Schwierigkeiten, sagen die Beamten. Doch jetzt rückt der Eigentümer des Hauses in den Blickpunkt: Nach Recherchen unserer Zeitung handelt es sich dabei um Paul Eckert. Der 55-Jährige ist Rechtsanwalt, seit Jahrzehnten Mitglied der Stuttgarter CDU und seit 2009 einer der CDU-Bezirksbeiräte im Stadtbezirk Mitte. Im selben Jahr kandidierte Eckert als Stadtrat, verfehlte aber trotz eines guten Resultats von 43 682 Stimmen den Einzug in den Gemeinderat.
Es stellt sich die Frage der Befangenheit
„An der Leonhardstraße 1 bin ich – wie an der Jakobstraße 2 und 4 – als Eigentümer zu 50 Prozent beteiligt“, bestätigt Eckert unserer Zeitung. Die anderen 50 Prozent gehörten seinem Vater. „Mir ist bekannt, dass sich in der Leonhardstraße 1 im Erdgeschoss eine Animier-Bar und in den Obergeschossen teilweise Zimmer befinden, in denen Frauen wohnen und auch der Prostitution nachgehen“, sagt der 55-Jährige.
Das Leonhardsviertel mit seinen sozialen und städtebaulichen Konfliktlagen ist für den Bezirksbeirat Mitte ein ständiges Thema. Das wirft die Frage auf, inwieweit bei Eckert nicht eine Interessenkollision vorliegt. „Ich akzeptiere, dass ich befangen sein könnte“, entgegnet Eckert. „An Bezirksbeiratssitzungen nehme ich zu Tagesordnungspunkten, bei denen ich befangen sein könnte, aber nicht teil.“ Diese Trennung klappt offenbar nicht immer: So wurde Eckert bei der Bezirksbeiratssitzung am 5. März 2012 nach Auskunft der Stadtverwaltung im Protokoll als „anwesend“ geführt – und an dem Tag stand die für Hausbesitzer und die Rotlicht-Branche gleichermaßen wichtige neue Vergnügungsstättenkonzeption auf der Tagesordnung und wurde besprochen.
„Ich habe der CDU und Herrn Eckert schon mehrfach in längeren Gesprächen den Hinweis gegeben, eine mögliche Befangenheit zu prüfen“, sagt Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle (Grüne). Im Rathaus war nicht bloß Kienzle geläufig, dass der CDU-Mann Häuser im Leonhardsviertel besitzt. „Die Verquickung als Bezirksbeirat geht gar nicht“, ärgert sich ein Beamter. Auch in der Partei wussten manche Bescheid. Der Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann indes zeigt sich überrascht: „Ich habe keinen Zweifel, dass Bezirksbeirat Eckert sein ehrenamtliches Mandat ordnungsgemäß ausübt. Mithin gilt für ihn wie für alle Menschen die Unschuldsvermutung.“
Eckert bezeichnet die fraglichen Immobilien als Investment
Laut Paragraf 17 der Gemeindeordnung darf ein Bezirksbeirat „weder beratend noch entscheidend mitwirken“, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit ihm selbst – oder zum Beispiel seinen Eltern – einen „unmittelbaren Vorteil oder Nachteil“ bringen kann. Falls Befangenheit vorliegt, muss der Bezirksbeirat die Sitzung verlassen. In der entsprechenden Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums heißt es, diese Regelungen dienten „der Sauberkeit der Gemeindeverwaltung“. Dabei komme es nicht darauf an, ob tatsächlich eine Interessenkollision vorliege. „Es genügt ihre Möglichkeit“, heißt es in der Vorschrift.
Eckert bezeichnet die fraglichen Immobilien als Investment. Direkte Geschäfte mit der Sex-Branche mache er nicht, betont er: „Ich vermiete nicht an Prostituierte.“ Die Leonhardsstraße 1 sei an einen Pächter vermietet, der das Haus in Eigenregie weitervermiete. „Ich persönlich würde es begrüßen, wenn dort kein Sex verkauft würde“, sagt Eckert. Allerdings sei Prostitution ein legaler Beruf, und in Stuttgart gebe es einen „Bedarf“ danach. „Das sind gesellschaftliche Gegebenheiten, die ich nicht beurteilen mag“, sagt Eckert.
So zurückhaltend zum Gesellschaftlichen ist der Familienvater nicht immer. 2009 plädierte er zum Beispiel öffentlich dafür, die Jugend „in Ehrfurcht zu Gott“ und „zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit“ zu erziehen. 2007 wurde Eckert direkt in die Synode der Evangelischen Landeskirche Württemberg gewählt; 2010 berief die Kirche den Juristen Eckert in ihr Verwaltungsgericht.
Verbindungen zur Sex-Branche?
Die Leonhardsstraße 1 ist ein Barockhaus von 1769. Von außen wirkt es gepflegt. Die Bausubstanz der Jakobstraße 4 – wo laut Polizei eine Prostituierte arbeitet – und die Jakobstraße 2 wirken dagegen desolat. Beide Häuser, die Jahrhunderte alt sein dürften, hat Eckert 1980 von der Stadt erworben. Indem er die Häuser verfallen lasse, „konterkariert Herr Eckert alle Bemühungen um die Aufwertung des Viertels“, kritisiert Heinrich Huth, ein Wirt von nebenan.
In der Sex-Branche wird Eckert auch mit dem Maxim in der Katharinenstraße 21 c in Verbindung gebracht. In dem Etablissement arbeiten laut Polizei zehn bis zwölf Frauen. „Das Haus gehört meinen Eltern“, betont Eckert: „Das ist seit Jahrzehnten Familienbesitz. Ich bin weder Eigentümer noch Verwalter.“ Das Maxim gilt wegen des Strichs vor der Tür und einer Grundschule vis-à-vis in der Kommunalpolitik als Problemfall. 2008 untersagte die Stadt den Betrieb. Doch die Hausbesitzer legten Widerspruch ein, worauf die Stadt das Sex-Gewerbe auf Grundlage einer Altfall-Regelung im April 2011 wieder genehmigte.
„Grundsätzlich lehne ich jede Verantwortung für die Katharinenstraße 21c ab“, sagt Eckert. Doch Insider im Sex-Gewerbe behaupten: „Der Anwalt sollte genau wissen, was im Maxim passiert.“ Eckerts Generalmieter in dem Gebäude ist die Firma H., die im Leonhardsviertel etliche Gebäude verwaltet und ins Rotlichtmilieu untervermietet. „Der Deal ist, dass die seriösen Eigentümer ihr Geld machen und trotzdem angeben können, sie hätten mit der Sex-Branche nichts zu tun“, erklärt der Insider.