Die Zuschauerränge sollen gefüllt sein, das wünscht sich der Bezirksbeirat Nord. Wer kommt und einen Vorschlag hat, darf den in der Regel auch äußern. Foto:  

Der Bezirksbeirat Nord wünscht sich mehr Zuschauer zu seinen Sitzungen. Wie das gelingen soll, dazu gibt es unterschiedliche Vorschläge aus den Fraktionen des Gremiums.

S-Nord - In den meisten Sitzungen des Bezirksbeirats Nord ist es dasselbe Bild: Um den runden Tisch sitzen die Bezirksbeiräte und ihre Stellvertreter, Bezirksvorsteherin Sabine Mezger, Schriftführer und Beisitzer aus der Stadtverwaltung und die Betreuungsstadträte. Die Zuschauerränge sind meist leer, abgesehen von Pressevertretern.

 

Dass sich meist kaum Zuschauer einfinden, um zu hören, mit welchen Themen sich die Lokalpolitiker beschäftigen, gefällt Anna Kedziora (Freie Wähler) nicht. „Die Leute werden nur aktiv, wenn es um ihre eigenen Interessen geht“, kritisiert sie. Darum gebe es eben immer wieder solche „Geistersitzungen“, wie sie es nennt. „Der Bezirksbeirat trifft sich oft und regelmäßig, und wir greifen viele Themen im Bezirk auf“, sagt Kedziora. „Viele Bürger verstehen nicht, dass sie mitwirken dürfen.“ Zwar muss der Bezirksbeirat laut Sitzungsordnung bei jedem Bürger, der eine Anmerkung oder ein Anliegen hat, abstimmen, ob er zu Wort kommen darf, aber das ist nur eine Formalie. Kedziora: „Wir lassen Wortmeldungen von Bürgern immer zu, wir haben noch nie Nein gesagt. Wir sind die Interessenvertretung aller Bürger, nicht nur einiger.“

Wer sich beteiligt, kann etwas verändern

Dass beispielsweise beim Informationsabend zur Doggenburg-Kreuzung an der Waldorfschule am Kräherwald viele Zuschauer da waren, in den Bezirksbeiratssitzungen zum gleichen Thema aber auffallend wenige, erklärt sie so: „Die Leute erwarten, dass sie abgeholt werden. Zur Infoveranstaltung gab es eine persönliche Einladung im Briefkasten für die Anwohner – beim Bezirksbeirat muss man selbst nachsehen, wann die Termine sind.“ Hinterher heiße es dann oft: Ich habe davon nichts gewusst. „Die Leute kennen ihre Macht nicht“, sagt Kedziora. „Wenn sie sich beteiligen, kann wirklich etwas passieren.“ Außerdem sei es für die Bezirksbeiräte wichtig zu wissen, „wie die Stimmung bei den Leuten vor Ort ist“.

Auch Christian Lohr (Grüne) sagt: „Politikverdrossenheit sehe ich nicht, aber die Leute kommen nur, wenn es sie betrifft.“ Dabei habe der Bezirk Nord gerade so viele Themen, die alle Bürger betreffen – beispielsweise die vielen Neubauprojekte oder der Autoverkehr, der stetig zunimmt.

Armin Serwani (FDP) sieht eine größere Informationspflicht bei der Stadtverwaltung. „Nicht jeder liest das Amtsblatt oder die Zeitung“, sagt er. Um die Bezirksbeiratstermine so publik wie möglich zu machen, könne man auf der Internetseite der Stadt auf der Startseite eine Rubrik „Aktuelle Termine“ machen. „Sonst ist es zu kompliziert, sich durchzuklicken, bis man die Termine gefunden hat.“ Serwani bedauert die Entwicklung. „Ich bin seit 35 Jahren im Bezirksbeirat, und die meisten Zuschauer hatten wir, als es um die Hundewiese am Killesberg ging.“ Rund 150 Personen seien das gewesen, schätzt Serwani. „Und nach dem Tagesordnungspunkt sind alle gegangen.“ Dabei sei danach ebenfalls ein wichtiges Thema besprochen worden: die damals noch vorhandene Lärmbelästigung der Anwohner beim Skatepark.

An jene Sitzung erinnert sich auch Sebastian Sage (SPD). „Das waren Leute die persönlich betroffen waren. Es gibt weniger, die sich für die Politik interessieren.“ Die persönliche Betroffenheit werde oft sehr eng gesehen: „Der Weg ins Rathaus ist vielen zu weit.“ Darum sei es wichtig, ein Bürgerhaus für den Bezirk einzurichten. Sage: „Was wir besprechen, betrifft die Leute.“ Er hofft, dass sich für die Bürgerbeteiligung für das Rosensteinviertel Leute finden, die mitmachen wollen.

Keine „Bittstellerkultur“ für die Bürger

Den Weg ins Rathaus nehmen zu müssen, sieht auch Paul Bendel (SÖS-Linke-Plus) als Hindernis. „Da wir Bezirksbeiräte nicht in der Mitte des Bezirks Nord tagen, sondern außerhalb, setzen wir uns von den Bürgern ab“, meint er. Das sei, wie wenn der baden-württembergische Landtag in Pirmasens und nicht in Stuttgart tage. Um dies zu ändern, ist ein Bürgerhaus aber keine Voraussetzung für ihn: „Ein Bürgerhaus wäre toll, aber man könnte auch bestehende Räume so einrichten, dass sie sich für Sitzungen eignen.“ Außerdem ist es ihm ein Anliegen, dass Bürgern gleich zu Beginn einer Sitzung die Möglichkeit gegeben wird, Anliegen vorzutragen. „Die Bezirksbeiratssitzung soll eine Begegnungssitzung sein“, sagt er. „Es soll weniger eine Bittstellerkultur für die Bürger sein, als eine Gestalterkultur.“

Für die „Fünf Minuten für Bürger“, die bei anderen Bezirksbeiräten regelmäßig auf der Tagesordnung steht, ist auch Timo Haug (CDU): „Es wäre schön, wenn wir das machen könnten.“ Er möchte dies mit einem Antrag unterstützen. So könnten nicht nur mehr Zuhörer in die Sitzungen gelockt werden, sondern der Bezirksbeirat hätte auch Einblicke in aktuelle Themen, „aus denen wir lernen können“.

Die Bezirksvorsteherin Sabine Mezger bemüht sich, bei jeder Gelegenheit Werbung für die Sitzungen des Bezirksbeirats zu machen: „Ich wünsche mir, dass mehr Zuschauer kommen. Wir haben den Luxus, uns ganz auf unseren Bezirk konzentrieren zu können, wir müssen nicht den Blick auf die ganze Stadt haben, wie die Gemeinderäte.“ Es sei schade, dass nicht mehr Menschen davon Gebrauch machen.