Auch Böblingen – hier die Stadtkirche – ist vom Personallabbau betroffen. Foto: factum/Granville

Die Landeskirche reagiert auf den Mitgliederschwund und auf den Nachwuchsmangel. In einer der Kirchengemeinden regt sich Protest.

Protestanten - In den Dekanaten der drei Kirchenbezirke im Landkreis wird der geplante Stellenabbau in der evangelischen Landeskirche unterschiedlich aufgenommen. „Wir sehen das relativ entspannt“, sagt der Herrenberger Kirchenchef Eberhard Feucht. 3,25 Stellen sollen bis zum Jahr 2024 gestrichen werden– ebenso viele wie in Leonberg. Der dortige Dekan Wolfgang Vögele sagt: „Das tut weh.“ Vor allem deshalb, weil in kleineren Kirchengemeinden wie in Mönsheim Pfarrhäuser dicht gemacht werden sollen. Sein Böblinger Kollege Bernd Liebendörfer dagegen sieht die Sache ziemlich nüchtern. Auch wenn in seinem Bezirk 4,5 Pfarrstellen eingespart werden sollen. „Wir werden künftig ohnehin nicht mehr alle Pfarrhäuser besetzen können“, erklärt Liebendörfer- Er beklagt einen eklatanten Nachwuchsmangel .

Dekan: Arbeitsbedingungen schrecken ab

„Es gehen in den nächsten Jahren mehr Pfarrer in den Ruhestand als junge Nachwuchskräfte nachrücken werden“, stellt Liebendörfer fest. Das jedenfalls sei für die nächsten drei bis fünf Jahre schon heute vorauszusehen. Der Grund dafür seien die Arbeitsbedingungen in den Pfarrhäusern. Ein Geistlicher müsse sieben Tage in der Woche erreichbar sein und sonntags predigen. „Das ist oft mit der Familie nicht vereinbar“, sagt der Böblinger Dekan. Früher sei es meist so gewesen, dass die Pfarrersfrau in der Gemeinde ehrenamtlich eingebunden gewesen sei. „Heutzutage haben die Gattinnen einen anderen Job. Viele sind von Montag bis Freitag berufstätig“, berichtet der Böblinger Dekan. Deshalb wünsche sich die Ehefrau, dass ihr Mann am Wochenende möglichst ohne zweitaufwendige Verpflichtungen am Familienleben teilnehmen könne.

Außerdem gebe es für die Pfarrer eine Dienstwohnungspflicht. „So manche Pfarrersfamilie würde sich ihr Heim lieber selbst aussuchen“, sagt Liebendörfer. Langfristig gesehen führten die Lebensumstände von Pfarrern dazu, „dass junge Leute lieber einen anderen Beruf ergreifen“, fügt der Böblinger Kirchenchef hinzu.

Vor Jahren war es in den Gemeinden finanziell knapper

Die sinkenden Mitgliederzahlen in den Kirchengemeinden und auch die Notwendigkeit, am Kirchenetat zu sparen, sind laut Liebendörfer also nicht unbedingt ausschlaggebend für den geplanten Stellenabbau. Finanziell gehe es der Kirche derzeit nämlich gut. Vor einigen Jahren seien die Gemeinden noch deutlich knapper dran gewesen. Den Aufschwung führt er auf die boomende Wirtschaft im Kreis zurück. „Wer mehr verdient, zahlt auch einen höheren Beitrag an Kirchensteuer.“

Natürlich ist es aber auch der demografische Wandel, der sich in der schwindenden Zahl der Gläubigen niederschlägt. Dieser Tatsache müsse man ins Auge sehen, meint der Herrenberger Dekan Wolfgang Feucht. „Es sterben mehr Leute, als Kinder geboren und getauft werden“, stellt er fest. Die Gesellschaft werde immer älter. Und zudem fordere die zunehmend globalisierte Welt ihren Tribut, meint Feucht. Sodass das Interesse schwinde, einer Kirchengemeinde anzugehören. „Gerade deshalb sollten wir unseren Einsatz eigentlich erhöhen“, gibt der Herrenberger Kirchenobere zu Bedenken.

Protest in Mönsheim

Um die Stellenstreichungen aufzufangen, soll deshalb die Zusammenarbeit der Gemeinden verstärkt in Angriff genommen werden. Feucht wähnt sich und seine Mitstreiter bereits auf einem guten Weg. „Wir haben runde Tische gebildet, einen Beteiligungsprozess mit Pfarrern, Kirchenmitarbeitern und Ehrenamtlichen begonnen und können deshalb zuversichtlich in die Zukunft schauen“, betont der Dekan. Das Ziel sei es, die drei Herrenberger Distrikte so intensiv zu vernetzen, dass man in jedem von ihnen den Wegfall von mindestens einer Pfarrstelle ausgleichen könne. Ein dreitägiges Treffen mit allen Beteiligten soll im kommenden März stattfinden.

Die Diskussion, wo die Stellen eingespart werden können, soll auch in Böblingen und in Leonberg im nächsten Frühjahr beendet sein. Während Liebendörfer einen Abbau in Magstadt, Ehningen, Holzgerlingen, Sindelfingen und in Böblingen ins Auge fasst und bisher offenbar weitgehend auf Verständnis stößt, sieht sich sein Leonberger Kollege mit einigem Unwillen konfrontiert. „Dieser regt sich in Form einer Protestnote von Kirchengemeindemitgliedern in Mönsheim“, berichtet Wolfgang Vögele. Die Gemeinde gehört mit Wimsheim, Friolzheim und Heimsheim einem der drei Leonberger Teilgebiete an – eine Besonderheit: sie liegen im Enzkreis. In Mönsheim soll ein Pfarrhaus aufgegeben und die Gemeindestruktur verändert werden. Vielen Mönsheimern geht das gegen den Strich. Vögele will dennoch versuchen, die Wogen zu glätten. Er überlegt zudem, Gebersheim und Höfingen zu fusionieren. „Rein personell gesehen ist das natürlich mit Verlusten verbunden“, sagt der Leonberger Dekan klipp und klar.

Die Zahl der Gläubigen sinkt stetig

Mitgliederzahlen:
Im Kirchenbezirk Böblingen sank die Zahl binnen zehn Jahren um 7365 auf 61 480 im Jahr 2016. Einen ähnlichen Schwund gibt es auch in den anderen beiden Bezirken im Kreis. Der Bezirk Leonberg zählte Ende 2016 genau 41 868 Gläubige, im Jahr 2007 waren es 47 266. In Herrenberg verringerte sich die Zahl in diesem Zeitraum um 3563 auf 38 498. Insgesamt gehörten der evangelischen Landeskirche Württemberg Ende 2016 in den 51 Bezirken (nach der Kirchenstruktur vom 31.12.2005) noch etwas mehr als zwei Millionen Mitglieder an. Im Jahr 2007 waren es rund 230 000 mehr.

Pfarrstellen:
Laut dem so genannten Pfarrplan 2024 wird sich die Zahl der Pfarrerstellen in den Bezirken um jeweils rund 13 Prozent verringern. In der evangelischen Landeskirche Württemberg werden damit insgesamt 220 Stellen wegfallen. Die Zahl sinkt dann auf 1446. In den kommenden Jahren werden außerdem voraussichtlich fast 500 Pfarrerinnen und Pfarrer altersbedingt ausscheiden.