Auch die Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat ihren blauen Twitter-Haken verloren – und kritisiert das Bezahlmodell. (Archivbild) Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich/IMAGO/Arnulf Hettrich

Die Landesregierung, Polizeibehörden und die Stadt Stuttgart machen nicht mit beim Abo-Bezahlzwang auf Twitter. Der Preis: Der blaue Haken verschwindet und die Reichweite leidet.

Die Landesregierung in Baden-Württemberg stemmt sich gegen den Bezahlzwang beim Kurznachrichtendienst Twitter. Dafür nimmt das Staatsministerium auch in Kauf, dass der offizielle Behörden-Account von Ministerpräsident Winfried Kretschmann künftig keinen blauen Haken mehr hat. Das war in den vergangenen Jahren immer ein Beleg dafür, dass wirklich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums über @RegierungBW twittern.

Doch mit dem kostenlosen Echtheitszertifikat ist nun Schluss. Twitter-Chef Elon Musk hat neben zahlreichen Promis auch Polizeirevieren, Städten und Regierungen weltweit den blauen Haken entzogen. Nun gilt: Wer nicht für das neue Abomodell „Twitter Blue“ zahlt, der bekommt kein Verifizierungssymbol mehr in seinem Profil angezeigt.

Das Land Baden-Württemberg lehnt dieses Modell ab. Ein Sprecher des Staatsministeriums teilt unserer Redaktion mit, dass man „die Einführung des kostenpflichtigen Verifikationssystems kritisch“ sehe. Bisher habe ein blauer Haken die Authentizität eines Profils bestätigt. Das sei ein Hinweis auf verlässliche Informationen gewesen. Nun könnten alle einen solchen Haken erwerben, „was zu einem Anstieg von Fake-Profilen und Desinformation führen könnte“, sagt der Sprecher.

Das Land erteilt dem Abo „Twitter Blue“ eine klare Absage und will derzeit kein Geld für einen blauen Haken zahlen. Derzeit stimme man sich zudem mit anderen Ländern und dem Bundespresseamt ab, wie man mit den offiziellen Twitter-Profilen weiter vorgehe.

Polizei wappnet sich gegen Fake-Accounts im Krisenfall

Auch die Stuttgarter Polizei wappnet sich für den Fall, dass der Account @PP_Stuttgart imitiert werden könnte. Ein Sprecher teilt auf Anfrage mit: „Generell besteht die Gefahr, dass Betrügerinnen und Betrüger versuchen könnten, sich als Polizei Stuttgart auszugeben.“ Bisher seien der Behörde keine Fälle bekannt. Sollte es dazu kommen, würde das Profil sofort gemeldet werden. Das sei vor allem in Gefahrensituationen wichtig. „Als Polizei tragen wir eine hohe Verantwortung, die Bevölkerung im Krisenfall mit verlässlichen Informationen zu versorgen.“

Bereits am Montag hatte sich die Stadt Stuttgart mit deutlichen Worten gegen das Abomodell ausgesprochen. Ein Sprecher sagte: „Klar ist: Wir werden kein Geld für Haken ausgeben.“ Demnach habe das Symbol an Aussagekraft verloren, seitdem sich jeder ein Häkchen für das Profil kaufen könne. Etwa acht Euro kostet das Abo pro Person im Monat. Unternehmen müssen mehr als 1000 Euro monatlich hinblättern.

Die Behörden hoffen nun auf einen grauen Haken, der Regierungsprofile in Zukunft kennzeichnen soll. Die Stadt New York hat bereits einen solchen Twitter-Haken bekommen. Doch hierzulande ist das Symbol bisher nicht aufgetaucht. Das Staatsministerium und die Polizeibehörden in Baden-Württemberg haben den grauen Haken nach eigenen Angaben bereits beantragt.

Reichweite der Nicht-Abonnenten bricht ein

Das Problem: Wer sich weigert für das Abo zu zahlen, der verliert nicht nur das Echtheitssiegel. Auch die Reichweite bricht ein. Das ist ein Grund dafür, dass die Timelines vieler Nutzerinnen und Nutzer immer mehr mit Gewaltvideos, Hetzkommentaren und Propaganda geflutet werden. Betrüger haben nun ein viel leichteres Spiel, sich mit einem gekauften blauen Haken und falschem Profilbild für Amazon-Gründer Jeff Bezos oder die „New York Times“ auszugeben.

In den vergangenen Tagen hatten zahlreiche Promis wie Fußballstar Cristiano Ronaldo, Schauspielerin Halle Berry und Sängerin Beyoncé ihren Haken verloren. Lediglich für ein paar Promis scheint Elon Musk eine Ausnahme zu machen: Horrorbuch-Autor Stephen King, Sängerin Bette Midler und Basketball-Star LeBron James haben ihre blauen Haken zurück. Offenbar zahlt Elon Musk die Gebühren selbst, um Werbefiguren für das Abomodell zu gewinnen – obwohl die eigentlich gar nichts damit zu tun haben wollen.

So lässt sich die Timeline zügeln

Ein blauer Haken ist längst kein Hinweis mehr auf glaubhafte Informationen. Und auch an der Zahl der Follower lässt sich nicht ablesen, ob wirklich ein vertrauenswürdiger Account dahinter steckt, da die Anhänger gekauft sein können. Wer wissen will, ob der Account bestätigt ist, sollte zunächst auf der offiziellen Website nachschauen, ob dort ein Link zum Twitter-Profil hinterlegt ist. Diesen Weg empfehlen auch die Behörden.

Gegen die Flut an Desinformation fremder Accounts hilft vor allem der Timeline-Riegel. Wer den Reiter „Für dich“ in der Twitter-App oder im Browser auswählt, der ist Hetze und Fake-Informationen von Blauhaken-Abonnenten schutzlos ausgeliefert. Dort können praktisch sämtliche Tweets auftauchen, die der Algorithmus als empfehlenswert markiert. Die Option „Folge ich“ eignet sich besser zum Aussortieren. Hier werden ausschließlich Tweets von Accounts angezeigt, denen man auch folgt. Damit lässt sich die Timeline deutlich sauberer halten.