Thomas Becker hat das Projekt Kesselhof mitgegründet. Das Ziel ist es, gemeinschaftlich, selbstverwaltet und generationenübergreifend zu wohnen. Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Nach langer, intensiver Suche sind Thomas Becker und seine Frau Karin Eizenhofer fündig geworden: Zu einem einigermaßen bezahlbaren Preis haben sie in Botnang zwei Häuser für ihr Gemeinschaftswohnprojekt gefunden.

Stuttgart - Fast fühlen sich die Gründer des Kesselhofs wie Asterix und Obelix in ihrem kleinen gallischen Dorf. Nur wehren sie sich nicht gegen zahlenmäßig überlegende Römer, sondern gegen böse Immobilienspekulanten.

Überall in Stuttgart wird gebaut, die meisten Objekte gehen sang- und klanglos an zahlungskräftige Investoren. Private Käufer können auf dem überhitzten Immobilienmarkt kaum noch mithalten. Die Mieten steigen seit Jahren immens, Eigentum ist selbst für die Mittelschicht fast schon unbezahlbar geworden.

Spätes Glück: Die langwierige Suche war dann am Ende doch erfolgreich

Thomas Becker, Geschäftsführer des Genossenschaftsladens Plattsalat, und seine Frau Karin Eizenhöfer, Mitarbeiterin bei der Volkshochschule und Künstlerin, haben seit Jahren von einem Gemeinschaftswohnprojekt geträumt – doch die Suche war aussichtslos. Geholfen hat ihnen am Ende dann doch kein geheimer Zaubertrank, sondern schlicht Hartnäckigkeit und ein bisschen Glück. Intensiv habe seine Frau im Winter 2016 die gängigen Immobilienbörsen durchforstet. Jeden Tag aufs Neue. „Lass bleiben, das bringt nix“, habe er gesagt, erzählt Thomas Becker. Der Berater von der GLS-Bank war auch nicht gerade ermutigender: „Entweder jenseits von zwei Millionen Euro oder ganz seltsam.“

Zwei Millionen Euro hatten sie definitiv nicht mal so eben auf dem Bankkonto. Also blieb nur noch die Hoffnung, auf ein etwas problematisches Objekt zu warten. Und das kam dann auch: Zwei alte Häuser in Botnang, unsaniert, ein paar An- und Umbauten wurden im Laufe der Jahre dazu geschustert. „Normalerweise ist auch so ein Objekt innerhalb von einer Woche vom Markt“, sagt Becker. Doch der Haken an den Häusern macht es für Investoren recht uninteressant. Das Grundstück ist sehr schmal, die Häuser sind direkt auf die Grenzen gebaut. Als Abrissobjekt eignete sich das Konglomerat damit nicht mehr. Heutzutage sind Bauvorschriften strenger, die 2,50 Meter Abstand zu den Nachbargrundstücken müssen eingehalten werden. Damit würde nur noch ein sehr kleine überschaubare Fläche zum Bauen bleiben. „Damit waren unsere Hauptkonkurrenten raus“, sagt Becker. Für einzelne Familien ist das Objekt wiederum zu groß.

Becker und seine Frau wollten aber nicht einfach nur ein Haus haben. Ihnen schwebte schon immer ein Gemeinschaftswohnprojekt für alle Generationen vor – gemeinschaftlich organisiert und selbstverwaltet. Besitz spielt für sie dabei keine große Rolle. „Meins, deins – das wollten wir nicht“, sagt Becker. Sie haben ja auch idealistischere Ziele: „Wir leisten dem Ausverkauf der Stadt Widerstand.“ Wichtig war ihnen, ihr Objekt dem Markt zu entziehen und vor Spekulanten zu schützen.

Die Hausbesitzer sind am Ende doch nur Mieter – verkaufen können sie nicht

Deshalb haben sie sich dem Mietshäuser Syndikat angeschlossen. Dem Syndikat, einst aus der Freiburger Hausbesetzer-Szene entstanden, geht es darum, Häuser langfristig zu sichern und ihren Charakter als Wohnprojekte zu erhalten, samt Selbstverwaltung und bezahlbarer Mieten. Es ist eine Beteiligungsgesellschaft für Gemeinschaftswohnprojekte. Dazu gründen die Hauskäufer einen Verein, in dem alle Bewohner automatisch Mitglied sind, und zusätzlich einen GmbH. Neben dem Verein ist auch das Syndikat Gesellschaft. Sollten spätere Bewohner doch auf die Idee kommen, das Haus zu veräußern, legt das Mietshäuser Syndikat ein Veto ein. „Für uns war klar, dass wir das darüber machen“, sagt Becker.

Einst entstanden aus der Freiburger Initiative „Mietshäuser in Selbstorganisation“, kümmert sich das Syndikat mittlerweile um 22 Projekte bundesweit, zum Beispiel in Freiburg, Tübingen und Berlin. Man berät und vermittelt Kredite, gibt Unterstützung für die Durchführung von Projekten auf politischer oder Verwaltungsebene. Deutschlandweit bilden inzwischen rund 100 Hausprojekte und etwa 20 Projektinitiativen als Mietshäuser-Syndikat einen festen Verbund. Jedes der Hausprojekte ist autonom, rechtlich selbstständig in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die die Immobilie besitzt.

Das Haus gehört einer GmbH mit zwei Gesellschaftern

Hinter jedem steht eine Hausbesitz-GmbH mit zwei Gesellschaftern: der Hausverein und das Mietshäuser-Syndikat als eine Art Kontroll- oder Wächterorganisation. Der Kesselhof ist nun auch so eine Hausbesitz-GmbH, denn die Initiatoren wünschen, dass er Allgemeingut bleibt. Und die die dort wohnen, bestimmten nur solange mit, wie sie eben dort wohnen. Wer auszieht, tritt automatisch aus dem Verein aus. „Das ist besser für gemeinschaftliches Wohnen“, so glaubt Becker. Aber für viele sei das ja eine total fremde Vorstellung, dass der Gruppe das Gebäude gar nicht wirklich selbst gehört, erzählt er. Aber: „Dieses meins – deins, das wollten wir nicht mehr.“

Zu Beginn gab es erst einmal eine große Abrissparty, seitdem sanieren die neuen Mieter erst einmal komplett. Becker und seine Frau sind aber bereits eingezogen, vier weitere Mitbewohner ebenfalls. Wenn das Hofgebäude dann fertig ist, wollen sie nach hinten ziehen, damit das vordere Haus renoviert werden kann. Insgesamt, so Becker, bieten die Gebäude dann Platz für 15 Mieter. Eine junge Familie mit Kindern fände man noch schön.

Jeder habe in dem Haus seine privaten Räume, aber Bad und Küche werden gemeinschaftlich genutzt. Er glaubt trotzdem nicht, dass es so ausartet wie früher in so mancher Studenten-WG: „Wir haben ja alle seitdem an Lebenserfahrung dazu gewonnen.“