Die Esslinger Altbauten in der Innenstadt sind Zeugen der hiesigen Baukultur. Foto: Roberto Bulgrin

Vor allem klimaschonende Sanierungen im Bestand sind eine Herausforderung, sagt der Architekt und Kammerpräsident Thomas Sixt Finckh.

Kein Blatt vor den Mund nimmt Thomas Sixt Finckh. Eine PV-Anlage auf dem Kielmeyerhaus am Esslinger Marktplatz kann sich der Leiter der Architektenkammer Esslingen genauso wenig vorstellen wie historische Gebäude, deren Fachwerkfassaden mit Rücksicht auf den Energiestandard auf einmal hinter einer Dämmung verschwinden sollen.

Nachhaltiges Sanieren und Bauen seien keine ganz einfachen Themen, erklärt der Architekt, der mit monolithischen Baukörpern und transluzenten Fassaden von sich reden macht und für gute Architektur wirbt, weil sie für den Menschen wie eine dritte Haut sei.„Wir sollten die Zeitzeugen so erhalten, wie sie damals waren“, fordert der Esslinger Planer, der es nicht für angebracht hält, aus einem historischen Gebäude ein Nullenergiehaus machen zu wollen. Gerade Holz kann sehr schön altern, diese Qualität und die Liebe zum Material müsse man verstehen lernen.

Auch zur Debatte über die Zukunft des Einfamilienhauses hat der Architekt eine klare Haltung. Wenn man hier mit Blick auf die Nachhaltigkeit und den Ressourcenverbrauch ein Verbot von Einfamilienhäusern postuliere, wie es von Politikern wie dem Grünen Peter Hofreiter beispielsweise vor einiger Zeit propagiert worden sei, handele es sich einfach um Bevormundung. Auch ein Einfamilienhaus könne einen ökologischen Beitrag leisten. Es komme immer auch auf die Größe und den ökologischen Fußabdruck an. Und Finckh rechnet vor: In Deutschland steigt der Wohnflächenanteil pro Kopf von Jahr zu Jahr. Im Jahr 2021 habe er bei 47,7 Quadratmeter im Durchschnitt gelegen, das sei viel zu viel.

„Bei uns im Büro streben wir 30 Quadratmeter an“, erklärt der Planer und verweist auf ein Haus mit 133 Quadratmetern, das er für eine vierköpfige Familie in der Stadt Ebersbach (Kreis Göppingen) geplant hat und ergänzt: „Nachhaltig bauen beginnt bereits im kleinen Denken“. Weite lasse sich aber durch große Fensterflächen erreichen, mit denen man gleichzeitig die Natur ins Haus holen könne, sagt der Architekt.

Finckh propagiert auch überdachte Terrassen und Loggien, die bereits in den Übergangszeiten als zusätzlicher Wohnraum dienen können und viel günstiger herzustellen und zu unterhalten sind. Auch eine Veranda sei eine gute Lösung, da könne man von Bauernhöfen viel lernen oder von der traditionellen Holzarchitektur wie sie beispielsweise in der Alpenregion immer wieder neu interpretiert werde.

Gerade bei der Sanierung gebe es aber keine generellen Lösungen. Die jeweilige Aufgabe müsse man mit innovativer Kreativität angehen. So wie bei einem Objekt in Konstanz beispielsweise, wo ein Altbau mit einer umlaufenden Loggia neu erschlossen wurde und im Innern damit Platz für moderne Bäder entstand.

Allerdings ließen die eng gefassten Bebauungspläne solche attraktiven Lösungen häufig nicht zu und das Hereinrechnen von Terrassen, Veranden und sogar Vordächern in die Grundflächenzahl führe dazu, dass Bauträger und Bauherren so viel Fläche wie möglich des teuren Baugrunds baulich nutzten. Wobei nicht nur das Bauen deutlich teurer geworden sei: Früher habe man ein Drittel des Budgets fürs Grundstück und zwei Drittel für den Hausbau veranschlagt, heute machten die Bodenpreise oft mehr als 50 Prozent der Gesamtkosten aus.

Das schlage sich dann natürlich auf die Quadratmeterpreise für Gebäude nieder, lag der Preis vor fünf Jahren noch bei 4500 Euro, müsse man heute bereits mit 7000 bis 8000 Euro pro Quadratmeter rechnen. „Das kann man sich auch nicht mit zwei guten Gehältern mehr leisten“, folgert der Planer.

„Das Unnachhaltigste ist das Bauen mit Verbundstoffen wie beispielsweise das Wärme-Dämm-Verbund-System (WDVS) mit Styropor, da nicht recyclingfähig“, erklärt der Architekt. „Man muss vom Beginn bis zum Ende rechnen“, sagt Finckh und wirbt für langlebiges und intelligentes Bauen. Wichtig sei eine sensible Planung und gut durchdachte, wandlungsfähige Grundrisse, die sich während des gesamten Zyklus’ eines Gebäudes bewährten. „Wir Architekten sind kreativ, man muss uns nur machen lassen“, ergänzt er und fordert mehr Wettbewerbe, die zwar mit Kosten verbunden seien, aber die Chance für innovative Ideen böten.

Oft sei es eben besser, ein Projekt nicht direkt zu vergeben, sondern Platz und Zeit für gute Konzepte zu lassen. Immerhin gebe es auch eine gesellschaftliche Verantwortung bei jeder Baumaßnahme. „Architektur sehe ich jeden Tag, das ist Kunst im öffentlichen Raum“, erklärt Thomas Sixt Finckh und erinnert an die beeindruckende deutsche Architekturgeschichte, die auch auf dem Dessauer Bauhaus fußt.

Diese Wertschätzung habe einst der verstorbene Alt-Bundespräsident Johannes Rau so formuliert: „Die Architektur ist von allen Künsten diejenige, die die größte gesellschaftliche Verantwortung hat. Ein Buch kann man zuschlagen. Eine Schallplatte kann man weglegen. An einem Haus kann man nicht vorbeigehen, ohne es zu sehen.“