Viele Kunden kaufen nach Empfehlungen auf Online-Portalen – und gehen Fälschern auf den Leim.

Stuttgart - Egal ob es um Hotels, Bücher, Windeln oder Handwerker geht: Wer eine Wahl treffen muss, informiert sich vorher auf Portalen im Internet. Aber Vorsicht: Rund ein Drittel der Kommentare werden inzwischen gezielt von Firmen oder PR-Agenturen geschrieben.

Wer früher eine Unterkunft für den Urlaub gesucht hat, musste sich entweder auf die Empfehlungen von Freunden verlassen oder ins Blaue hinein buchen. Heute reicht ein Klick im Internet, und schon hat man seitenweise Beurteilungen über das schönste Hotel, das beste Restaurant und den günstigsten Mietwagenanbieter vor Ort. Bloß: Glauben sollte man diesen Bewertungen nur bedingt.

"Sie haben ein Produkt, das Sie im Netz bekanntmachen wollen? Sie freuen sich über ausführliche Meinungen mit privatem Touch? Dann sind Sie bei mir richtig." Produkttests auf Bestellung, diesen Service bieten im Internet inzwischen sowohl Privatpersonen wie auch PR-Agenturen ganz ungeniert gegen Bezahlung an.

Michael Barth vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) schätzt, dass etwa ein Drittel aller Bewertungen in Internetportalen so entstehen. Auch Curt Simon Harlinghausen vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) beobachtet eindeutig einen Trend in diese Richtung, tut sich aber schwer damit, konkrete Zahlen zu nennen. Zum einen seien viele Beiträge inzwischen so professionell gefälscht, dass sie sich von authentischen kaum mehr unterscheiden ließen. "Sie beinhalten extra Rechtschreibfehler oder kleine Kritikpunkte, die aber das Gesamturteil nicht negativ beeinflussen." Zum anderen stelle sich kein Unternehmen hin und gebe eine solche initiierte Mundpropaganda öffentlich zu.

Bis zu 40 Prozent mehr Umsatz macht ein Webshop durch positive Kundenbewertungen

Dazu kommt, dass sie rechtlich nur dann etwas zu befürchten haben, wenn falsche Tatsachen behauptet oder Mitbewerber ernsthaft beleidigt wurden. Denn Meinungen kann jeder frei äußern. Trotzdem sagt Thomas Pleil jedem Unternehmen, das ihm mit einer entsprechenden Anfrage kommt: "Finger weg." Pleil ist Professor für Public Relations an der Hochschule Darmstadt. Er warnt davor, einen über lange Jahre aufgebauten Ruf wegen einer guten Bewertung für eine neues Produkt aufs Spiel zu setzen. "Das ist unethisch, und wenn es auffliegt, ist der Schaden um vieles größer als der Nutzen."

Er weiß aber auch, was Leute wie Helmut Hoffer von Ankershoffen antreibt, der im Herbst 2010 als Chef der deutschen iPad-Konkurrenz WePad unter falschem Namen positive Bewertungen auf Amazon schrieb. "Früher haben sich Kunden vor dem Kauf vor allem über Fachzeitschriften oder unabhängige Gütesiegel informiert, heute vertrauen sie dem Urteil einer ,person like me', also einem wie du und ich, mehr."

Neu ist diese Art sich zu informieren nicht. Seit jeher werden der beste Bäcker und der zuverlässigste Handwerker per Mundpropaganda empfohlen - und nicht über den Werbeprospekt des Betriebs. "In solche persönlichen Erfahrungen haben wir das größte Vertrauen. Durch das Internet ist der Kreis nun eben viel größer geworden", sagt Pleil. Hinzu kommt, dass die Bewertungen über Smartphones inzwischen überall verfügbar sind und damit auch für spontane, lokale Entscheidungen genutzt werden können - etwa wenn man ein Restaurant in einer fremden Stadt sucht.

Deswegen gibt es inzwischen kaum mehr ein Produkt oder eine Dienstleistung, die nicht im Netz bewertet wird. Entsprechend rasant wächst der Einfluss auf die Kaufentscheidungen. Bis zu 40 Prozent mehr Umsatz macht ein Webshop durch positive Kundenbewertungen, hat eine Studie des ECC Handel, eine Abteilung des Instituts für Handelsforschung an der Universität Köln 2010 herausgefunden. Umgekehrt werden Produkte mit überdurchschnittlich vielen neutralen oder sehr negativen Bewertungen immer weniger oder überhaupt nicht mehr in Online-Shops angeboten. Durch negative Kommentare kann man also durchaus auch einem Mitbewerber eins auswischen - zumal die Bewertungen Einfluss auf die Platzierung in Suchmaschinen haben.

So erkennt man gefälschte Bewertungen

Bewertungsportale selbst gehen gegen Fälschungen vor

Das alles hat dazu geführt, dass die Bewertungsportale selbst inzwischen vehement gegen unseriöse Nutzer vorgehen. "Das ist wie bei Schwarzfahrern bei der Bahn: Wenn wir nichts dagegen unternehmen, leidet unsere Glaubwürdigkeit", sagt Ulrich Cramer vom größten deutschsprachigen Hotelbewertungsportal Holidaycheck. Sind die Bewertungen nicht mehr echt, bleiben erst die Nutzer und dann die Gewinne aus. Deswegen filtern eine ausgeklügelte Computersoftware und 60 Mitarbeiter die durchschnittlich 2000 neuen Bewertungen, die täglich geschrieben werden. Etwa zehn Prozent davon werden rausgefischt, weil sie beleidigende Ausdrücke oder Katalogsprache enthalten - oder eine auffallend positive Bewertung nach vielen negativen sind.

"Wir untersuchen das dann genauer und lassen auch schon mal eine Hotelrechnung kommen um zu sehen, dass der Bewerter wirklich dort war", sagt Cramer. Wenn dem System dennoch etwas durch die Lappen geht, vertraut er auf die Nutzer. "Sobald jemand auf eine positive Bewertung hin ein Hotel bucht und dann enttäuscht wird, folgt meist der entsprechende Kommentar."

Ähnlich sieht das auch Michael Gebert, Manager bei Reputeer. Die Münchner Agentur unterstützt Firmen wie auch Privatpersonen beim Aufbau und Schutz ihres guten Rufs im Internet. Er rät Unternehmen zwar durchaus dazu, mit ersten eigenen Bewertungen eine Diskussion anzustoßen, "damit die Herde angeregt wird, sich auch zu äußern". Er sagt ihnen aber auch, dass die sich Richtung der Meinungen, die dann folgen, nicht kontrollieren lässt. Denn die normalen Nutzer bewerten allein nach ihrer Zufriedenheit mit dem Produkt. "Selbst mit einer professionell manipulierten Bewertung können sie niemand einreden, dass sich ein Fiat fährt wie ein Porsche", sagt Gebert.

Die Vielzahl der Beiträge sorgt also dafür, dass sich trotz einiger Fälschungen eine durchaus realistische Durchschnittsbewertung ergeben kann. Thomas Pleil von der Hochschule Darmstadt beobachtet auf dem inzwischen millionenfachen Markt der Meinungen aber noch eine ganz andere Entwicklung. "Die Ersten wenden sich inzwischen wieder richtigen Expertenmeinungen etwa in Fachmagazinen zu, weil ihnen die Online-Portale einfach zu unübersichtlich und zu zeitaufwendig geworden sind."

Oder man bleibt einfach altmodisch und hört auf Empfehlungen von Freunden: Da weiß man zumindest sicher, aus welchem Mund die Propaganda kommt.

So erkennt man gefälschte Produktbewertungen

Auch die Fälscher von Online-Bewertungen haben inzwischen dazugelernt. Statt Sätze aus ihren Werbebroschüren zu übernehmen, versuchen sie, durch persönliche Sprache und kleine Rechtschreibfehler die echten Beiträge möglichst gut zu kopieren. Trotzdem kennen der Bundesverband Digitaler Wirtschaft (BVDW) und der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) einige Tipps, um Fälschern auf die Schliche zu kommen.
Das Portal:Je größer und professioneller das Portal, desto bedeutender ist der Markt für die Anbieter – und eben auch für Fälscher. Auf kleineren Portalen, die Verbraucher selbst auf die Beine stellen, ist das Risiko, auf gefälschte Bewertungen zu stoßen, im Allgemeinen geringer.


Die Anzahl: Je mehr Bewertungen es gibt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass auch echte darunter sind und der Durchschnitt eine realistische Meinung nachbildet.

Die Meinungsvielfalt: Ausschließlich positive Bewertungen sollten einen misstrauisch machen – es gibt nur sehr wenige Produkte, die alle Verbraucher rundum zufriedenstellen. Echte Bewertungen greifen meist sowohl positive als auch negative Punkte auf.


Die Sprache: Liegen nur wenige Bewertungen vor, kann man einzelne Sätze daraus in eine Suchmaschine eingeben und prüfen, ob diese auch bei anderen Bewertungsportalen identisch auftauchen. Auffällig ist es auch, wenn sich die Bewertungen mit Werbeaussagen der Firmen decken.

Die Länge: Egal ob Buchrezension oder Laptoptest: Nur wer sich länger damit auseinandergesetzt hat, kann sich wirklich eine Meinung bilden. Deshalb sind kurze, oberflächliche Bewertungen eher ein Alarmzeichen als ausführlichere Beschreibungen, die auch private Erlebnisse enthalten.

Der Name: Versteckt sich der Bewerter hinter einem Pseudonym? Oder schreibt er unter richtigem Namen und hat vielleicht auch ein Nutzerprofil, auf dem man sehen kann, wie viele andere Beiträge er bereits veröffentlich hat?

Die Konkurrenz: Wird ein Produkt auffällig verrissen und im nächsten Satz das Konkurrenzprodukt hochgelobt, könnte der Wettbewerber selbst dahinter stecken. (mar)