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Vater des Amokläufers geht wahrscheinlich in Revision - Stadt Winnenden erwägt Zivilklage.

Stuttgart - Jörg K., der Vater des Amokläufers von Winnenden, will seine Verurteilung zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung nicht hinnehmen. „Wir werden höchstwahrscheinlich in Revision gehen“, sagte am Donnerstag der Anwalt des 52-Jährigen, Hubert Gorka.

Das Landgericht habe die Anklage nur wegen eines Verstoßes gegen das Waffenrecht zugelassen. Das Urteil laute nun aber auch auf fahrlässige Tötung und Körperverletzung. „Wo soll da die Überzeugungskraft des Urteils liegen?“, sagte Gorka.

Das Gericht unter Vorsitz von Reiner Skujat verurteilte den 52-jährigen Unternehmer unter anderem wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monate auf Bewährung. Er blieb damit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die zwei Jahre auf Bewährung verlangt hatte.

Kurz nach der Urteilsverkündung teilte Winnendens Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth (CDU) am Donnerstag mit: "Sobald die Urteilsbegründung vorliegt und das Urteil Bestand hat, stellt sich für die Stadt Winnenden die Frage, ob wir zivilrechtlich unsererseits den materiellen Schaden einklagen, den die Stadt als Schulträgerin erlitten hat."

Der Sportschütze, der das Urteil anhörte, hatte die Pistole, mit der sein Sohn 15 Menschen und sich selbst erschoss, unverschlossen im Schlafzimmer aufbewahrt. Der 17-jährige Tim K. verübte das Massaker am 11. März 2009 in seiner früheren Realschule in Winnenden und auf der Flucht nach Wendlingen. Es war der erste Prozess in Deutschland, bei dem ein Unbeteiligter nach einem Amoklauf vor Gericht stand und verurteilt wurde.

Das Gericht sprach den Vater der 15-fachen fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung in 14 Fällen schuldig, außerdem habe er gegen das Waffengesetz verstoßen. Die Verteidiger hatten sich am Ende des knapp sechsmonatigen Prozesses gegen eine Strafe ausgesprochen. Sie verwiesen darauf, dass der Angeklagte und seine Familie selbst unter den Folgen des Amoklaufs litten.

Angehörige hatten Haftstrafe gefordert

Die meisten vor Gericht als Nebenkläger vertretenen Hinterbliebenen hatten eine Haftstrafe für den Angeklagten verlangt. „Und wenn es nur für ein Vierteljahr ist, aber er muss ins Gefängnis“, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden, Hardy Schober, vor dem Urteil. Schober hatte seine Tochter bei dem Massaker im März 2009 verloren.

Dagegen hatten andere Hinterbliebene ihre Erwartungen bewusst heruntergeschraubt. „Die Frage des Strafmaßes ist sekundär“, sagte Jens Rabe, ein Vertreter der Nebenklage. Am wichtigsten sei, dass es ein klares Signal des Gerichts gebe und der Vater nicht nur wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt werde, sondern auch wegen fahrlässiger Tötung. „Der Prozess war für die Hinterbliebenen emotional sehr belastend, gleichwohl aber hilfreich.“ Sie hätten unter anderem erfahren, wie ihre Kinder genau zu Tode gekommen seien.

"Es gibt keine Gerechtigkeit"

Die Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Gisela Mayer, sagte vor dem Urteil: „Es gibt keine Gerechtigkeit, die diesen 15-fachen Mord in irgendeiner Weise sühnen könnte.“ Allerdings sitze auf der Anklagebank nicht der Amokläufer, sondern sein Vater. Die Vorsitzende der Stiftung kritisierte, dass das Waffengesetz bis heute nicht wirklich verschärft worden sei. Wer in seiner privaten Wohnung gefährliche Waffen halte, habe eine erhöhte Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, sagte Mayer im ZDF-„Morgenmagazin“. „Wenn man diese Norm verletzt, dann wird man deutlich bestraft.“