Stuttgart zieht auch im kommenden Jahrzehnt viele Menschen an. Foto: SDMG

Stuttgart wird im nächsten Jahrzehnt weiter wachsen – um sechs Prozent. Doch wo . 2030 werden fast 650 000 in Stuttgart leben. Doch in welchen Bezirken wächst die Bevölkerung am schnellsten und wie reagiert die Stadt darauf?

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart wird bis Ende des nächsten Jahrzehnts so viele Einwohner haben wie noch nie. Dann werden knapp 650 000 Menschen in der Landeshauptstadt leben. Heute sind es laut Statistischem Amt rund 614 000. Auf der Basis von 2017 werde die Bevölkerungszahl damit um 6,1 Prozent oder 38 000 Menschen steigen, so das Ergebnis der aktuellen Einwohnerprognose des Statistischen Amts der Stadt. Stark zunehmen wird die Zahl der Senioren. Aber es wird auch „eine in den letzten 30 Jahren nicht dagewesene Zunahme der Zahl Kinder und Jugendlichen“ geben. Die Folge: Familien suchen vermehrt bezahlbaren Wohnraum. Allerdings ist die Entwicklung in der Stadtbezirken höchst unterschiedlich. Sie hängt stark von der Neubautätigkeit ab.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Einwohnervorausberechnung?

Wenn die hohe Anziehungskraft Stuttgarts bleibt, wird die Einwohnerzahl zwischen 2017 und 2030 um 6,1 Prozent anwachsen. Die Zunahme um knapp 38 000 Menschen wird im Jahr 2030 mit 649 300 Einwohnern zu einem historischen Höchststand führen. Das größte Plus gibt es bis 2024 mit einem jährlichen Zuwachs von 3000 bis 4000 Menschen, danach schwächt sich das Wachstum auf Steigerungen von jährlich 2000 bis 3000 ab.

Was sind die Voraussetzungen?

Die Statistiker der Stadt gehen von einer weiterhin guten wirtschaftlichen Lage, einer hohen Nachfrage nach Arbeitskräften und ein entsprechendes Wohnangebot aus. Dabei haben sie beim Wohnungsneubau drei Varianten berücksichtigt. Als realistisch stufen sie den Bau von 2000 Wohnungen pro Jahr ein, was zum Zuwachs von 6,1 Prozent führen würde. In einer unteren Variante mit 1800 neuen Wohnungen pro Jahr betrüge die Steigerung 5,2 Prozent, in einer oberen Variante mit 2200 Wohnungen 7,4 Prozent. „Dieses Potenzial wird Stuttgart aufgrund der dafür fehlenden Bauflächen jedoch vermutlich nicht ausschöpfen können“, heißt es in der Studie.

Was bedeutet das für einzelne Altersgruppen?

Laut der Prognose steigt die Zahl der Kinder und Jugendlichen bis 15 Jahre von 79 800 auf 87 900 deutlich. Unter Dreijährige wird es 2030 rund 19 400 geben, das sind 1100 mehr als heute. Der Grund dafür sind die durch Zuwanderung gut besetzten Elternjahrgänge und die zuletzt hohen Geburtenraten. Die starken Babyboomerjahrgänge (1955 bis 1969) kommen bis 2030 ins Rentenalter. Zugleich steigt ihre Lebenserwartung. Die Folge: Die Zahl der Über-65-Jährigen steigt von 110 000 auf 121 000, fast jeder fünfte Stuttgarter gehört dann dieser Altersgruppe an. Und es gibt immer mehr Hochbetagte über 80 Jahre: 37 500 – das sind 3900 mehr als heute.

Gibt es örtliche Unterschiede?

Ja. Unterschiedliche Altersstrukturen, aber vor allem Neubauten wirken sich aus. „Hohe Zuwachsraten werden in Stadtbezirken mit reger Bautätigkeit erwartet, vor allem auf den bis dahin zur Verfügung stehenden ehemaligen Bahnflächen des Projekts Stuttgart 21“, erklärt der Leiter des Statistischen Amts der Stadt Stuttgart, Thomas Schwarz. Im Stadtbezirk Nord, in dem das Rosensteinviertel liegt, steigt die Einwohnerzahl bis 2030 um knapp 18 Prozent, in Mitte und Mühlhausen um fast elf Prozent. Einen hohen Zuwachs um 11,5 Prozent gibt es auch in Zuffenhausen – hier schlägt die dafür günstige Einwohnerstruktur stark zu Buche. In vier Stadtbezirken sinkt die Einwohnerzahl, alle liegen auf den Fildern: Sillenbuch, Möhringen, Degerloch und Plieningen. Die Gründe sind geringe Bautätigkeit und ungünstige Altersstruktur. Mit Abstand größter Stadtteil ist auch 2030 Bad Cannstatt fast 78 000 Einwohnern und dem höchsten absoluten Zuwachs von 6175 Menschen. Dahinter folgen Stuttgart-West mit 56 016 (plus 3952) und Vaihingen mit 49 018 (3279) Einwohnern.

Was sind die Reaktionen?

„Es ist erfreulich, dass wir in diesem und im nächsten Jahrzehnt mit steigenden Einwohnerzahlen rechnen können“, sagt Ordnungsbürgermeister Martin Schairer, der für Statistikabteilung im Rathaus zuständig ist: „Wenn die wirtschaftliche Lage sich nicht gravierend verschlechtert, wird Stuttgart weiterhin zu den dynamischen Wachstumspolen in Deutschland gehören“. Doch der Bürgermeister betont auch, dass „wir uns planerisch, vor allem in der Infrastrukturversorgung und im Verkehrsmanagement, auf diese Situation vorbereiten müssen“. Ins gleiche Horn bläst Thomas Schwarz. Es sei „von elementarer Bedeutung für eine vorausschauend planende Stadt, dass sie eine konkrete Vorstellung davon hat, wie sich die Zahl der Einwohner entwickeln dürfte, mit wie vielen Klein- und Schulkindern, Senioren und Hochbetagten wir rechnen müssen“, sagt er.

Wie verlässlich sind die Zahlen?

Bevölkerungsprognosen sind schwierig. So wurde beispielsweise in den 1990er und 2000er Jahren von einer Stagnation, wenn nicht einem Rückgang der Bevölkerung in der Landeshauptstadt und in der Region Stuttgart ausgegangen. Doch zahlreiche Institute und auch das Statistische Landesamt lagen daneben. In Wirklichkeit gab es eine Steigerung. Auch die vorige Prognose aus dem Jahr 2012 des Statistischen Amts der Stadt bewahrheitete sich nicht: die Einwohnerzahl ist deutlich höher. Die Vorausberechnungen seien nicht als Vorhersagen zu interpretieren, heißt es dazu. Es seien eher „Wenn-dann-Aussagen“. So liegen der Berechnung Annahmen zur Neubautätigkeit, zu Geburten- und Sterbehäufigkeiten, zum Zu- und Wegzug zugrunde. „Wir haben einen realitätsnahen Ansatz“, sagt Schwarz.