Eines der bekanntesten WDR-Gesichter: die Moderatorin Bettina Böttinger Foto: WDR/Melanie Grande

Die ARD zeigt erfolgreiche Talk-Formate aus den dritten Programmen im Ersten. Unter den Aufsteigern ist auch die WDR-Frau Bettina Böttinger. Mit ihrem „Kölner Treff“ will sie die Lücke füllen, die einst Alfred Biolek im Ersten hinterließ.

Stuttgart - Nun ist es doch passiert: Bettina Böttinger ist ins Erste aufgestiegen, zumindest an zwei Dienstagabenden. Am 8. Oktober und 12. November werden zwei Ausgaben vom „Kölner Treff“ im Hauptprogramm der ARD ausgestrahlt, als Teil der „Talk am Dienstag“-Reihe. Eine späte Genugtuung? „Ach nein, das ist übertrieben. Ich freue mich einfach“, sagt die gebürtige Düsseldorferin. Es werde „ein ganz typischer ,Kölner Treff’“, aber „etwas Besonderes“ sei die erste Ausgabe im Ersten dann doch, räumt sie ein: „Ich gebe zu, dass der Herzschlag einen Tick schneller geht“, sagt sie vor ihrer Premiere.

Tatsächlich scheint es ganz typisch zu werden: Die „Tatort“-Kommissarin Margarita Broich soll nicht vom „Tatort“, sondern über ihre neue Liebe reden. Auch der „Tatort“-Kommissar Ulrich Tukur spricht weniger übers Fernsehen als vielmehr über seinen ersten Roman. Beiden soll überdies von den „Mentalmagiern“ Amelie van Tass und Thommy Ten, die mal beim RTL-„Supertalent“ auftraten und zuletzt das Ergebnis der österreichischen Nationalratswahl exakt vorhersagten, in die Köpfe geschaut werden. Die bewegende Lebensgeschichte steuert die Schauspielerin Maryam Zaree („4 Blocks“) bei, die in einem iranischen Gefängnis zur Welt kam und den Dokumentarfilm „Born in Evin“ drehte. „Was wir machen, ist ein Geben und Nehmen“, sagt Bettina Böttinger. Natürlich werde auf das neue Buch, den neuen Film hingewiesen. „Gleichzeitig wissen die Gäste: Wir reden nicht nur über ein Produkt, die Sendung ist keine flimmernde Werbemaßnahme. Es geht immer auch um das persönliche Gespräch.“

„Manche Männer reagieren aggressiv auf mich“

Seit mehr als dreißig Jahren ist sie eine feste Größe beim Westdeutschen Rundfunk (WDR), erstmals vor der Kamera zu sehen war sie im Regionalmagazin „Hier und Heute“ (1988). Böttinger (63) etablierte erfolgreich das Talk-Format „B. trifft . . . “ mit zwei Gästen, die erst in der Sendung erfuhren, mit wem sie da aufeinanderprallen. Sie moderierte unter anderem die Medienshow „Parlazzo“, den „West Art Talk“ über kulturelle Themen, die Talkshow „Böttinger“ und die Literatursendung „Böttingers Bücher“. Als der WDR seinen 50. Geburtstag feierte, führte Bettina Böttinger durch den Abend, und wenn der Sender heute seinem Publikum Gehör schenken möchte („Ihre Meinung“), tut sie es auch. Alles im Dritten.

In das bundesweite ARD-Aushängeschild Erstes Programm ließ der WDR andere ziehen: Frank Plasberg mit seiner Show „Hart aber fair“, Böttingers „Parlazzo“-Nachfolgerin Anne Will, die die erste Frau im „Sportschau“-Studio war. Und als Alfred Biolek den „Boulevard Bio“ im Jahr 2003 schloss, wollte der WDR Böttingers „B. trifft . . .“ lieber im Dritten behalten und setzte auf Sandra Maischberger. Sender und Moderatorin wissen wohl, was sie aneinander haben, auch wenn Bettina Böttinger, die mit einer Frau verheiratet ist, mal in einem „Stern“-Interview offenbarte, dass es beim WDR jahrelang ein Bashing gegen sie gegeben habe. „Manche Männer reagierten regelrecht aggressiv auf mich.“ Trotz aller Widerstände ist sie zu einem der wichtigsten Gesichter der größten Rundfunkanstalt in Deutschland geworden. Auch die jährliche Zahl der Sendungen beim „Kölner Treff“ wurde aufgestockt, weil der WDR mit den Einschaltquoten zufrieden war.

Vom Journalismus zur Unterhaltung

2019 bringt es der Talk in Nordrhein-Westfalen bisher auf einen Marktanteil von 8,7 Prozent, bundesweit schauen im Schnitt 730 000 Menschen zu, in der Mehrzahl sind es Frauen. Allerdings waren die Zahlen auch schon mal besser. Bettina Böttinger übernimmt mittlerweile nicht mehr alle Folgen, Susan Link und Micky Beisenherz springen 2019 in 15 von 45 Ausgaben ein. Denn längst hat sich Böttinger mit einer eigenen Firma (Encanto) selbstständig gemacht, die auch den „Kölner Treff“ produziert – und diverse andere Formate, von Hunde-Soaps („Ein Heim für alle Felle“) über das Reportageformat „B.sucht“ bis zur Promi-Show „Krause kommt“ im SWR.

Böttinger wechselte vom Journalismus in die Unterhaltung. Durch den Abend führt sie unaufgeregt und souverän, sie ist gut vorbereitet und kann hartnäckig sein, würde aber niemals einen Gast vorführen. Schon gar nicht im „Kölner Treff“, den Böttinger „Wohlfühlfernsehen“ nennt, was gar nicht abwertend gemeint ist. Ihre eigene Rolle sei die einer Gastgeberin, die sich um „gute, kultivierte Gesprächsführung“ bemühe. Das habe sie von Alfred Biolek gelernt, sagt sie. Der hinterließ nach Böttingers Ansicht nach dem Ende von „Boulevard Bio“ eine Lücke am Dienstagabend (obwohl dort jahrelang „Menschen bei Maischberger“ lief). Der Unterhaltungstalk sei nicht mehr existent gewesen, sagt sie. „Warum nicht diese Lücke füllen?“

Das SWR-„Nachtcafé“ ist nicht mit dabei

Nachdem Sandra Maischberges Talk im Jahr 2016 auf den Mittwoch umgezogen ist, zeigte die ARD am späten Dienstagabend Serien wie „Die Vorstadtweiber“, Debütfilme und Fernsehfilm-Wiederholungen. Nun probiert sie es an acht Abenden mal wieder mit Unterhaltungstalk. Den Auftakt machte die „NDR Talk Show“ am 24. September (1,41 Millionen Zuschauer, 11,6 Prozent Marktanteil). Eine Woche später feierte die neue Show „Hier spricht Berlin“ (RBB) eine eher durchwachsene Premiere, was nicht nur für die mäßige Quote (930.000 Zuschauer, 7,7 Prozent Marktanteil) galt. Der Versuch, besonders lebendig, frech und echt berlinerisch zu wirken, geriet etwas laut und anstrengend. Den Moderatorinnen Jessy Wellmer und Eva-Maria Lemke mangelte es in mancher Gesprächssituation noch an Gespür und Timing. Was aber bei einer Premiere nicht sonderlich erstaunlich ist.

Als vierte Show in der Reihe „Talk am Dienstag“ ist der Radio-Bremen-Klassiker „3 nach 9“ am Start. Alle behalten im Übrigen ihren angestammten Freitags-Sendeplatz, der WDR wiederholt dort die Ausgabe von Dienstag. Wer neben dem „Riverboat“ (MDR) auch nicht berücksichtigt wurde, ist das SWR-„Nachtcafé“ mit Michael Steinbrecher. „Die Auswahl erfolgte im Konsens auf ARD-Ebene“, erklärt ARD-Sprecher Burchard Röver. Einen Wettbewerb unter den Gesprächssendungen der Dritten „gab es unseres Wissens nach nicht“, teilt Valentin Nann vom SWR mit.