Verbraucherschützer warnen: Auf Onlineplattformen werde der Immobilienkauf markig beworben, doch dann entpuppe sich der Haus-Traum mitunter als Albtraum. Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Hat der Tiktok-Star „Immo Tommy“ aus Stuttgart Immobilienkäufer abgezockt? Experten raten bei sogenannten Finfluencern schon länger zur Vorsicht.

Mit einem Netzwerk an Vertrieblern soll der Stuttgarter Social-Media-Star „Immo Tommy“ – der sich selbst „Europas größter Immobilien-Influencer“ nennt – angeblich überteuerte Schrottobjekte vermittelt und versteckte Provisionen kassiert haben. Experten warnen angesichts des Booms von Finanz-Influencern, kurz Finfluencern, schon länger vor manch unseriösem Tippgeber und Geschäftemacher im Netz.

 

„Hören Sie nicht auf Immobilien-Influencer“, warnt die Verbraucherzentrale in einem aktuellen Leitfaden. Auf Onlineplattformen wie Tiktok und Instagram werde der Immobilienkauf mit markigen Worten beworben, doch dann entpuppe sich der Traum von den eigenen vier Wänden mitunter als Albtraum. „Am Ende profitieren oft allein das Netzwerk der Influencer und die finanzierenden Banken und Sparkassen.“

„Rundum-Sorglos-Paket“ – von wegen

Solch dubioses Gebaren werfen Käuferinnen und Käufer, die sich abgezockt fühlen, „Immo Tommy“ und seinem Team laut einer Recherche von „Spiegel“ und NDR vor. Konkret soll der Influencer eine Art „Rundum-Sorglos-Paket“ beworben haben, bei dem sich sein Netzwerk von der Finanzierung über die Sanierung bis hin zur Auswahl der Mieter um alles kümmere. Stattdessen stehen jetzt Vorwürfe wegen überteuerter Schrottimmobilien, riskanter Finanzierungen und versteckter Provisionen im Raum.

Tomislav Primorac bei einer Podiumsdiskussion auf der Messe Invest 2024 Foto: I/MAGO/Arnulf Hettrich

Die Versprechen von „Immo Tommy“ sahen ohnehin viele Branchenkenner skeptisch. Geschichten vom Vermögensaufbau mit auf Pump finanzierten Immobilien, die sich von selbst abbezahlen, schienen nicht recht zu den Zeiten erhöhter Zinsen und schwerer Krise am Bau zu passen. Doch der Stuttgarter, der mit richtigem Namen Tomislav Primorac heißt, kam damit groß heraus – bei Tiktok und Instagram folgen ihm insgesamt rund zwei Millionen Nutzerkonten.

Vermeintliche Seriosität verliehen Primorac Expertenauftritte in großen Medien und eine Werbepartnerschaft mit Immoscout24. Im vergangenen Jahr lud sogar Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner ihn und andere Finfluencer zu einem PR-Termin ein. Hinzu kam weitgehend wohlwollende Berichterstattung. Auch unsere Zeitung widmete „Immo Tommy“ im März 2023 ein Porträt auf Stadtkind Stuttgart. Das Stück wurde mittlerweile von der Redaktion zurückgezogen.

Gegenüber „Spiegel“ und NDR wies Primorac die Vorwürfe zurück, ohne jedoch im Detail darauf einzugehen. In einem Video-Statement räumte er Fehler ein, schob die Schuld aber vor allem auf nicht näher benannte Partner in seinem Netzwerk. Insgesamt bemüht sich der Influencer in dem Video, den Eindruck zu vermitteln, dass es sich bei den Beschwerden um Ausnahmen handele, denen eine Masse zufriedener Käufer gegenüberstehe. „Wo gehobelt wird, fallen auch Späne“, sagt Primorac. Er nimmt auch die Käufer in die Pflicht: „Eine Immobilie zu kaufen, da gehört auch ein Stück weit Eigenverantwortung dazu.“

Die Bausparkasse Schwäbisch Hall war den Berichten nach bei den zweifelhaften Finanzierungen eingebunden, habe eine Auskunft zu Einzelfällen aber mit Verweis aufs Bankgeheimnis abgelehnt. Angeblich ebenfalls involviert war die Volksbank Konstanz, auch sie habe sich nicht äußern wollen.

Finanzaufsicht Bafin warnt von Totalverlust

Ob es sich bei den Anschuldigungen gegen „Immo Tommy“ um einen veritablen Betrugsskandal handelt, muss sich erst noch zeigen. Derweil gilt die Unschuldsvermutung. Grundsätzliche Bedenken gegenüber Immobilien- und Finanz-Influencern äußern Fachleute und Aufsichtsbehörden indes schon seit geraumer Zeit. Denn neben seriösen Kanälen gibt es jede Menge Hochstapler und Gauner, die Anleger in hochriskante Finanzwetten, Schneeballsysteme, teure Coachings oder Abofallen locken.

„Wer solchen Tipps blind folgt, riskiert Kapitaleinbußen bis hin zum Totalverlust“, warnt die deutsche Finanzaufsicht Bafin. Viele Follower, viele Likes und viele positive Kommentare seien kein Gütesiegel. Nicht alle Tippgeber würden sich ausreichend mit Finanzthemen auskennen, zudem sei bei manchen die Motivation unredlich. Mangelnde Qualifikation und zu wenig Transparenz bei Interessenkonflikten und eigenen Geschäftsinteressen – diese Kritik an Finfluencern kommt schon seit Jahren immer wieder auf.

„Es gibt beides: Professionelle Finfluencer, die sich an Regeln halten und die Risiken von Investments sehr aktiv ansprechen, ebenso wie schwarze Schafe, die unseriöse Investmenttipps mit ihren Followern teilen“, erklärt Professorin Monika Kovarova-Simecek von der Fachhochschule St. Pölten. Ihrer Analyse nach wächst der Markt rasant. Ein wichtiger Grund ist demnach das Interesse jüngerer Menschen, die das Thema Geldanlage während der Coronazeit entdeckten. So seien 50 Prozent der deutschen Finfluencer erst ab 2020 bei Instagram aktiv.

Strengere Regeln für Finfluencer gefordert

Ist eine schärfere Regulierung nötig? Im März machten Abgeordnete der Grünen mit der Forderung an die EU-Kommission Schlagzeilen, unter anderem bei Finanzprodukten ein Werbeverbot für Influencer zu erlassen. Auch Verbraucherschützer sind für strengere Regeln. „Aus unserer Sicht müssten Influencer für ihre Aussagen haftbar gemacht werden können“, heißt es bei der Verbraucherzentrale Hamburg. „Es darf nicht sein, dass sie Menschen von für sie nachteiligen Geschäften überzeugen und dafür keine Verantwortung übernehmen.“