Im Hotel Adlon wurden in wenigen Tagen 18 900 Euro auf den Kopf gehauen. Foto: Hotel Adlon

Im Prozess um einen vermeintlichen Schuldnerberater kommen haarsträubende Details ans Licht. Unter anderem bewirtete er seine Opfer für 18 900 Euro, die Zeche zahlten diese selbst ohne es zu wissen.

Leutenbach - Weil alles so gut klappte mit der Zusammenarbeit, habe er die ganze Familie nach Berlin eingeladen, erinnert sich die 61-jährige Seniorchefin eines Leutenbacher Handwerksunternehmens. Er, das ist der 36-jährige Angeklagte vor der 8. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts, der sich wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Diebstahls verantworten muss. Der Familie hatte er vorgespiegelt, sie mit Fördermitteln der EU von finanziellen Sorgen befreien zu können. Tatsächlich schob er Geld der Familie hin und her. Und so zahlte diese die Einladung selbst – ohne es zu wissen, versteht sich. „Wissen Sie, was die Sause gekostet hat“, fragt die Verteidigerin die Frau, welche verneint. „18 900 Euro!“

Drei Suiten im Edelhotel gemietet

Fünf Tage weilten die Eheleute im August 2015 zusammen mit ihrem Sohn, einem Enkel und dem Angeklagten in Berlin. Nicht irgendwo: „Er hatte drei Suiten im Adlon gemietet. Das war schon ein Erlebnis“, sagt die 61-Jährige, die betont, ihr Mann und sie selbst wären nie auf die Idee gekommen, in dem weltberühmten Hotel am Brandburger Tor abzusteigen.

Die Reise sollte aber noch einen weiteren Sinn haben. In Berlin wollte der Angeklagte, der am ersten Verhandlungstag ein Geständnis abgelegt hatte, der Familie angeblich die Kreditkarten übergeben für das Geld aus dem Europäischen Sozialfonds, das er in Aussicht gestellt hatte. Doch weder dieses noch die Autos, die er für die Familie „gekauft“ hatte, waren real. Die Stimmung kippte, nach der Rückreise nach Leutenbach machte sich der 36-Jährige davon. Dabei ließ er noch einen Laptop, ein Tablet und ein Smartphone der Frau mitgehen.

Welcher Schaden der Familie durch sein Treiben entstand, ist schwer zu sagen. „Wir haben bis vor kurzem sämtliche Unterlagen sortiert. Mehrere Steuerberater haben uns als Mandanten abgelehnt, weil er solch ein Durcheinander hinterlassen hatte.“ Tatsächlich habe der Angeklagte ständig Beträge von Konten abgezogen, diese dann aber wieder auf anderen eingezahlt. Auch den Erlös von fast 40 000 Euro aus dem Verkauf fiktiver Autos an Freunde der Familie zahlte er größtenteils auf deren Geschäftskonten ein. Dieser Buchungswirbel fiel einer Bankberaterin der Familie auf, die nachfragte, was denn los sei. „Davor war ja immer alles ganz solide abgelaufen.“

Das Verhältnis zur Tochter hat gelitten

Doch weder durch diesen Anruf noch bei anderen Gelegenheiten habe sie die Zusammenarbeit mit dem Mann aus Brandenburg aufgegeben, der fast ein Vierteljahr im Haus der Familie lebte. Wie es zu dem Vertrauen zu einem wildfremden Menschen gekommen war, den sie bei der ersten Begegnung sogar als unsympathisch empfand, könne sie sich im Nachhinein nicht erklären. „Mein Bauchgefühl hat wohl versagt.“ Das ihrer Tochter jedoch nicht, die für die Buchhaltung des Familienbetriebs zuständig gewesen war. Doch auch deren Warnungen habe sie in den Wind geschlagen, berichtet die Mutter. Das Verhältnis zwischen ihnen sei seitdem dahin. „Wie konntet ihr einen solchen Betrüger mir vorziehen“, laute der Vorwurf der Tochter.

Selbst den Umstand, dass diese herausgefunden hatte, dass der 36-Jährige wegen Betrugs vorbestraft war, schoben die Eltern zur Seite. „Er hat behauptet, seine Exfrau habe ihn fälschlich hinter Gitter gebracht. Er hat uns sogar einen Bescheid über die Abfindung gezeigt, die er deshalb bekommen habe.“

Als durch und durch schlechten Menschen wolle sie den Angeklagten nicht bezeichnen, sagt die 61-Jährige. Sonst wäre er ja nicht so in der Familie aufgenommen worden.„Bei seinen Fähigkeiten hätte er eigentlich richtig was werden könne.“