Wichtige Papiere – die mehrere Gerichte beschäftigen. Foto: imago/Frank Sorge

EU-Autos aus Libyen und Dubai? Das Landgericht Stuttgart hat das sechste Urteil rund um Bestechungen in der Böblinger Zulassungsstelle gesprochen.

Mehr als ein halbes Jahr nach Prozessbeginn hat das Landgericht Stuttgart das mittlerweile sechste Urteil im Zusammenhang mit den Bestechungen rund um die Zulassungsstellen in Böblingen und Leonberg verkündet. Die 5. Große Strafkammer verurteilte einen ehemaligen Autohändler sowie seine beiden Söhne wegen Bestechung und Betruges beziehungsweise Beihilfe dazu zu Bewährungsstrafen zwischen zwei Jahren und elf Monaten.

 

Die Staatsanwaltschaft hatte für den 61-jährigen Hauptangeklagten und den 38-jährigen Sohn nicht bewährungsfähige Strafen von zweieinhalb beziehungsweise zwei Jahren und vier Monaten gefordert, für den 30-jährigen Sohn eine Bewährungsstrafe von 16 Monaten. Die Verteidiger hatten allesamt auf Bewährungsstrafen plädiert.

Prüfberichte, ohne eine einzige Prüfung

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 61-Jährige faktischer Betreiber eines Autohandels in Leonberg war, der auf seine Frau eingetragen war. Die beiden Söhne waren für den An- und Verkauf von Autos unter anderem aus Libyen, Dubai und den Vereinigten Arabischen Emiraten zuständig.

Nach Ansicht des Gerichts hat das Trio zwischen 2017 und 2020 zahlreiche Fahrzeuge, die nicht aus dem EU-Bereich stammten, eingeführt und in Leonberg als zulassungsfähige EU-Fahrzeuge verkauft.

Zu diesem Zweck arbeiteten sie mit vier Tüv-Prüfern zusammen, die die dafür notwendigen Hauptuntersuchungsberichte und Gutachten gegen Bezahlung ausstellten. Pro Auto bekamen die Prüfer 280 Euro. Teilweise hatten die Prüfer die Prüfberichte erstellt, ohne die Autos überhaupt zu Gesicht bekommen zu haben.

Anschließend haben die drei Männer nach Ansicht der Richter vor allem über zwei Mitarbeiterinnen der Zulassungsstelle Leonberg die Autos zugelassen, obwohl wesentliche Unterlagen wie Verzollungsnachweise und Datenblätter fehlten. Die beiden – mittlerweile verurteilten – Mitarbeiterinnen wurden dafür mit 100 bis 230 Euro pro Zulassung entlohnt.

Nur ein Teil lässt sich nachweisen

Schließlich haben die drei Angeklagten insgesamt 24 Autos mit EU-Zulassung verkauft, was bei den Käufern wegen der nachträglich notwendigen Gutachterkosten zu einem Schaden von knapp 10 000 Euro führte. Eines der Autos, das für 14 300 Euro verkauft wurde, war in Schweden gestohlen und mit gefälschter Fahrzeugidentifikationsnummer versehen worden.

Allerdings ließen sich nur rund 25 der insgesamt mehr als 100 angeklagten Taten nachweisen, ein Großteil wurde eingestellt.

Die Verteidiger der drei Angeklagten hatten die Vorwürfe von Beginn an bestritten und darauf aufmerksam gemacht, dass kein einziger Käufer jemals Klage wegen der Zulassungen erhoben habe. Rechtsanwalt Markus Bessler hatte zudem Unverständnis geäußert, warum der Prozess erst Ende April begonnen habe, nachdem die Ermittlungen bereits 2021 abgeschlossen worden seien.

Ein weiterer Prozess steht noch aus

Im Zusammenhang mit den gefälschten Kfz-Zulassungen in den Zulassungsstellen Böblingen und Leonberg gab es zuvor fünf Urteile: Im Mai 2021 hat das Landgericht Stuttgart eine Ex-Mitarbeiterin der Zulassungsstelle zu vier Jahren und fünf Monaten Haft wegen Bestechlichkeit in knapp 300 Fällen verurteilt, ihn zeitweiliger Lebensgefährten bekam im August 2021 eine Bewährungsstrafe.

Eine ehemalige Mitarbeiterin der Außenstelle Leonberg wurde vom Amtsgericht Leonberg im Oktober 2022 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten wegen Bestechlichkeit in 25 Fällen verurteilt. Ebenfalls wegen 25-facher Bestechlichkeit hat das Landgericht einen ehemaligen TÜV-Prüfer zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.

An diesem Dienstag beginnt am Landgericht ein weiterer Prozess gegen einen Prüf-Ingenieur.