Die Lokführergewerkschaft muss hart kämpfen gegen die Konkurrenz. Foto: dpa Montage: Phit

Die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) geht aus den Betriebsratswahlen bei der Deutschen Bahn nicht gestärkt hervor. Die Konkurrenz von der EVG kann sich gut behaupten. Den Dämpfer hat die GDL um ihren Chef Claus Weselsky selbst ausgelöst.

Stuttgart - Die Ansage von Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL, war eindeutig: „Wir streben die Mehrheit der Betriebsräte an – in allen Betrieben mit Zugbegleitern und Lokomotivführern“, verkündete er im Vorfeld der Betriebsratswahlen bei der Deutschen Bahn (DB) und den anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen. Die Konkurrenz von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) solle auf Platz zwei verwiesen werden, sagte er. Gelungen ist es ihm nicht.

Nach Auszählung der Ergebnisse bekannte Weselsky gegenüber unserer Zeitung: „Das Ziel haben wir nicht erreicht – glasklar.“ Speziell bei der DB AG konnte sich die GDL nicht steigern – leichte Mandatszuwächse wurden lediglich bei Bahn-Mitbewerbern erzielt. Zugleich verlor sie mancherorts ihre Mehrheiten. EVG-Vize Klaus-Dieter Hommel jubelte in einer ersten Reaktion, „dass wir die Ergebnisse von 2014 bestätigen und verbessern konnten“.

Ausschluss von Mitgliedern löst großen Wirbel aus

Aus Sicht von Weselsky hat der Dämpfer einen klaren Grund: Um zu verhindern, dass GDL-Angehörige auf sogenannten freien Wahllisten kandidieren, wurden insgesamt 200 aktive Mitglieder sowohl bei der Deutschen Bahn als auch bei „Nichtbundeseigenen Bahnen“ schlichtweg aus der Gewerkschaft herausgeworfen – ein bundesweit einmaliger Vorgang, denn sonst traut sich das keine Gewerkschaft.

Die Betroffenen hatten sich demnach auf GDL-Listen nicht angemessen vertreten gefühlt und freie Listen gegründet. Darauf reagierte der GDL-Vorstand, was „großen Wirbel“ auslöste, wie der Gewerkschaftsführer bekennt, der in der Vergangenheit schon oft durch Polarisierung aufgefallen ist. Das Stimmensplitting habe die GDL-Listen geschwächt und dazu geführt, „dass wir keinen Zuwachs erzielen, sondern lediglich unsere Plätze verteidigen konnten“. Doch verteidigt er das Vorgehen als „absolut richtig“, denn „GDL-Mitglieder kandidieren auf GDL-Listen“. Weselsky: „Wir schmücken uns nicht mit fremden Federn, sondern haben diejenigen, die uns aus Eigennutz gespalten haben, ausgeschlossen.“ Die Bildung freier Listen vor Betriebsratswahlen sei ein „Krebsgeschwür, an dem alle Gewerkschaften leiden“. Die Entsolidarisierung greife mehr um sich, als ihm bewusst gewesen sei.

Die Ausschlüsse stünden im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – eine Gewerkschaft müsse ein solch organisationsschädigendes Verhalten nicht hinnehmen. Von der EVG ist derweil zu hören, dass sie vergleichbare Fälle lediglich mit dem Ausschluss aus der jeweiligen Ortsgruppe ahnden will. Weselsky rechnet aber nicht damit, dass die Konkurrenz harte Konsequenzen ziehen will.

Ouvertüre zur Tarifrunde im Herbst

Die Betriebsratswahlen haben keine direkten Auswirkungen auf die im Herbst anstehende Tarifrunde bei der Deutschen Bahn, liefern aber eine schrille Ouvertüre. Mitte Juni will die GDL ihre Lohnforderung beschließen. „Das wird eine spannende Tarifrunde im Jahr drei nach der großen Auseinandersetzung“, sagt Weselsky mit Blick auf die Schlichtung im Sommer 2015, bei der die Politiker Bodo Ramelow (Linke) und Matthias Platzeck (SPD) den längsten Tarifkonflikt in der Geschichte der Bahn befriedet hatten. Auch im März 2017 gelang die Vermittlung. Jetzt folge die „erste Tarifrunde, in dem wir versuchen wollen, auf dem Verhandlungswege zueinander zu kommen“, sagt Weselsky. „Ohne Schlichtung.“ Ob dies gelingt, werde auch von den Vorstellungen der Arbeitgeber abhängen. Die kämen schon mit Wunsch nach tariflichen Einschnitten für den kriselnden Cargo-Bereich. „Da werden sie mit uns nicht so weit kommen, wie sie sich das vorstellen.“

GDL-Tarifverträge werden nicht umgesetzt

Belastet wird das Verhältnis zur Konzernführung auch durch die schleppende Umsetzung von GDL-Tarifverträgen. Weselsky zufolge würden einige Betriebsräte der EVG die Realisierung „torpedieren“. Dies lasse sich die GDL aber nicht gefallen, weil laut Gesetz Tarifverträge höherrangig angesiedelt seien als Betriebsvereinbarungen. So „werden wir die Arbeitgeber zwingen, das umzusetzen, was sie zuvor unterschrieben haben“. Bei der Deutschen Bahn tue man sich weiterhin schwer mit der Pluralität von Tarifverträgen.

Eine Belastung ist auch die Personalnot bei der Bahn. Der neue Personalvorstand Martin Seiler hatte jüngst verkündet, dass die Bahn in diesem Jahr 19 000 Neueinstellungen plane. In den nächsten vier Jahren sollten jährlich 15 000 neue Beschäftigte gewonnen werden. Allerdings wird in den kommenden zehn Jahren auch die Hälfte der Belegschaft aus Altersgründen gehen.

„Seiler versucht, die Defizite der Vergangenheit aufzuarbeiten“, sagt Weselsky, der auf einen Wandel hofft. Zwar habe auch Seilers Vorgänger Ulrich Weber Tausende von Einstellungen propagiert, doch seien die Planzahlen am Ende immer wieder heruntergerechnet worden. „Jetzt machen uns der enge Markt und heruntergefahrene Ausbildungskapazitäten zu schaffen.“ Allein in den DB-Bereichen Cargo und Regio würden 1000 Lokomotivführer fehlen.