Die Suche nach einem Kitaplatz für Kleinkinder ist nach wie vor mühsam in Stuttgart. Foto: dpa

401 zusätzliche Betreuungsplätze hat die Stadt in einem Jahr geschaffen, doch freie Plätze sind trotzdem rar. Laut Verwaltung liegt das an einer höheren Kleinkindzahl und am Erzieherinnenmangel.

Stuttgart - Jahrelang beklagte Stuttgart niedrige Geburtenzahlen und hohe Wegzüge. Das Blatt hat sich gewendet. Mehr Menschen sind zugezogen, und es kommen wieder mehr Kinder zur Welt. Mit 6773 Geburten im Jahr 2016 und 6725 im Jahr 2017 sind das mehr, als in den vergangenen 30 Jahren vom Statistischen Amt jährlich verzeichnet wurden. Entsprechend müssen die Ämter planen, allen voran das Jugendamt.

Im März 2017 gab es für Kleinkinder 401 Betreuungsplätze mehr als im Vorjahr, und doch konnte die Stadt den Versorgungsgrad, also den Anteil der Kleinkinder, die zum Zug kamen, noch nicht einmal um einen ganzen Prozentpunkt steigern. Er lag im März 2017 bei 43,2 Prozent. Auf den Wartelisten für die Kitas standen zu diesem Zeitpunkt deshalb noch 3457 Kinder zwischen ein und drei Jahren, mehr als die Hälfte davon mit einem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz.

Ausbau um mehr als 2000 Plätze

Bei den Drei- bis Sechsjährigen sind bisher fast alle mit einem Kitaplatz versorgt. Die Stadt muss trotzdem weiter kräftig ausbauen, denn einerseits suchten 717 Eltern auch für Kinder unter einem Jahr vermehrt eine Betreuungsmöglichkeit (plus 24 Prozent), zum anderen müssen die höheren Geburtenzahlen perspektivisch in die Kalkulation einfließen. Beschlossen waren 2017 schon der Ausbau um 2006 Kleinkind-Plätze und um 1781 Plätze für ältere Kitakinder.

Die Bilanz könnte noch besser aussehen, wenn wirklich alle vorhandenen und beschlossenen Kleinkindbetreuungsplätze genutzt werden könnten. Doch der Personalmangel trübt die Bilanz: 350 Plätze bei der Stadt, 170 bei den freien Trägern mussten wegen fehlender Erzieherinnen zum Stichtag im vergangenen März leer bleiben.

Personalentwicklung angeregt

Um sich ein besseres Bild über ungenutzte Räumlichkeiten in den Stadtbezirken machen zu können, bat Stadträtin Iris Ripsam (CDU) die Verwaltung während der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am Montag um eine entsprechende „stadtweite“ Darstellung. Als „Hauptproblem des Platzausbaus“ identifizierten Judith Vowinkel (SPD) und die anderen Fraktionen die Personalgewinnung. Vowinkel forderte mehr Aufstockerangebote für Teilzeit-Erzieherinnen, gleiche Tarifstrukturen in Horten und Schülerhäusern und die Verlängerung des Übertarifs für Erzieherinnen in Stuttgart.

Vittorio Lazaridis (Grüne) schlug vor, wie in Bayern interprofessionelle Teams einzusetzen: „Wir müssen uns Dinge überlegen, die außerhalb ausgetretener Pfade liegen“, sagte er und forderte ein Konzept ein. Christian Walter (SÖS/Linke plus) regte an, bei Neubauvorhaben größere Kitas zu planen, die einen Teil des Platzdefizits im Bezirk abdecken könnten, Rose von Stein (Freie Wähler) reagierte mit Galgenhumor: „Wir brauchen 3-D-Drucker, um an mehr Personal zu kommen.“

Ganztag für Schulkinder verschärft die Lage

Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) erinnerte angesichts der Jahr für Jahr zerrinnenden Hoffnung auf ein ausreichendes Platzangebot an die Gesamtbilanz: „Wir haben seit dem Jahr 2008 insgesamt 4100 neue Plätze geschaffen“, der Gemeinderat habe bis zum Jahr 2022 weitere 53,6 Millionen Euro für Aus- und Umbauten beschlossen. Für eine der nächsten Sitzungen des Jugendhilfeausschusses kündigte sie eine Konzeption zur Personalgewinnung an, „die stärker als früher freie Träger mit einbezieht: Wir initiieren eine Innovationswerkstatt“.

Dabei hat der Personalnotstand seinen Höhepunkt vermutlich noch nicht einmal erreicht: Einigen sich die Parteien bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin, wird ein Rechtsanspruch auf Betreuung für Grundschulkinder eingeführt. Rund 30 000 leben in Stuttgart, zurzeit sind circa 48 Prozent von ihnen nachmittags versorgt. „Kommt der Rechtsanspruch, liegt der künftige Bedarf bei 100 Prozent“, sagte Jugendamtschefin Susanne Heynen, „wir werden also jedes Jahr über die gleichen Themen sprechen.“

Fezer wehrt sich gegen willkürliche Forderungen

Ein neues Thema ergibt sich durch das höchstinstanzliche Urteil des Bundesgerichtshofs Leipzig. Demnach muss die Landeshauptstadt Familien entschädigen, die keinen städtischen Kitaplatz bekommen haben und auf eine (teurere) private Kita ausgewichen sind. In allen Neufällen wolle man jedoch nicht automatisch die gesamte Differenz erstatten, sondern zuvor ermitteln, welcher Eigenanteil für Eltern zumutbar sei. „Es kann nicht sein, dass die teuerste Kita ausgesucht wird und wir ohne Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen bezahlen“, konterte Fezer eine kritische Anmerkung aus den Reihen des Ausschusses. „Außerdem könnten private Betreiber Plätze zu gigantischen Preisen anbieten und den Steuerzahler am Ende zahlen lassen“, fügte Iris Ripsam an. Woher Fezer das Personal für die Einzelprüfungen nehmen wolle, fragte Ripsam dann aber doch und erhielt zur Antwort: „Wir werden notfalls auf Sie zukommen.“