In der Ganztagsschule geht es um mehr als Mittagessen. Sie setzt auf pädagogische Angebote auch am Nachmittag. Foto: dpa

Die Nachfrage nach neuen Ganztagsschulen ist so gering wie noch nie. Das kommt der CDU gelegen: Sie favorisiert ohnehin die freiwillige Betreuung außerhalb der Schulen und will diese ausbauen. Doch die Grünen machen nicht mit.

Stuttgart - Nur 14 Grundschulen und vier Grundstufen an Sonderschulen werden im kommenden Schuljahr neue Ganztagsschulen einrichten. Das teilte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Dienstag mit. Das sind so wenig neue Ganztagsschulen wie noch nie. Darüber zeigt sich Daniel Born, der Bildungsexperte der SPD, besorgt. „Der für die Bildungslandschaft und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weitere Ausbau ist ins Stocken geraten“, sagt er und macht den „fortdauernden Koalitionsstreit“ zwischen Grünen und CDU verantwortlich für Unsicherheiten vor Ort. Eine Klärung des Streits ist nicht in Sicht.

Der Ganztagsbetrieb an Grundschulen wurde im Schuljahr 2014/15 im Gesetz verankert. 488 Ganztagsschulen wurden seither genehmigt. Die Zahl der Genehmigungen sank von 179 im ersten Jahr auf 95 im Jahr 2016/17 und 36 für das aktuelle Schuljahr. Das geht aus einer Anfrage der SPD-Fraktion an das Kultusministerium hervor.

Grundschule Grießen will raus aus Ganztagsbetrieb

Eine der bisherigen Ganztagsschulen, die Grundschule Grießen in der Gemeinde Klettgau (Kreis Waldshut), will den Status aufgeben und auf ein flexibles kommunales Betreuungsangebot umsteigen, sagte Eisenmann. Diese Schule erhebt die CDU-Fraktion zum Kronzeugen im Streit über die künftige Schulkindbetreuung. „Dass die Grundschule in Grießen auf Wunsch der Eltern auf die verpflichtende Teilnahme am Ganztag und auf damit verbundene Landesmittel verzichtet, spricht Bände“, konstatiert der CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart. „Wir fühlen uns in unserer Auffassung bestätigt, dass mehr Flexibilität beim Ganztag der richtige Weg ist.“

Als flexibel gelten die freiwilligen Angebote der Kommunen in Horten und Nachmittagsbetreuungen. Seit 2014 bezuschusst das Land keine neuen Angebote in diesem Bereich mehr. Das will die CDU ändern. Das Konzept der grün-roten Vorgängerregierung, die ihren Schwerpunkt auf die verpflichtende Ganztagsschule setzte, sei nicht aufgegangen. Eltern wollten mehrheitlich flexible Angebote, argumentiert Reinhart. „Der Elternwille ist für uns entscheidend.“ Die CDU wollte schon im vergangenen Jahr mit zehn Millionen Euro wieder in die Mitfinanzierung neuer flexibler Betreuungsangebote einsteigen. Doch die Grünen lehnten ab. Reinhart erwartet „konstruktive Signale von unserem Koalitionspartner“. Diese bleiben bis jetzt aus.

Grüne setzen andere Prioritäten

Das Kultusministerium hofft einer Sprecherin zufolge, dass das Vorhaben in den Doppelhaushalt 2020/21 aufgenommen wird, für den jetzt die Weichen gestellt werden. Eine Kabinettsvorlage Eisenmanns haben die Grünen jedoch gestoppt. Ihre bildungspolitische Sprecherin Sandra Boser verweist darauf, „dass die finanziellen und personellen Ressourcen begrenzt sind“. Man müsse Prioritäten setzen.

Nach früheren Angaben Eisenmanns könnten zusätzliche Angebote in der freiwilligen Nachmittagsbetreuung das Land jährlich zwischen 12 und 13 Millionen Euro zusätzlich kosten. Sandra Boser erklärt, das von Eisenmann vorgeschlagene Paket sei „so nicht finanzierbar und im Koalitionsvertrag auch nicht vereinbart“. Für die Grünen habe stattdessen die Stärkung der Schulleitungen und die Ganztagsschule auch in den Klassen fünf bis zehn Vorrang.

Schon für die bereits vom Kabinett beschlossenen Vorhaben aus dem Kultusbereich kalkulieren Experten für den Doppeletat mit strukturellen Mehrkosten von 74 Millionen Euro, die zu genehmigen wären. Dazu zählen der Ausbau der Realschule, Inklusion, die Verlängerung der G9-Züge und Ethikunterricht in der Sekundarstufe 1 (Klasse fünf bis zehn). Die versprochene Stärkung der Schulleitungen ist da noch gar nicht dabei.