Joachim Keck war am Freitag in Beilstein zu Besuch. Singen, Vorlesen und Gymnastik gibt es jetzt in der Einzelbetreuung Foto: Werner Kuhnle

Die Einschränkungen durch das Corona-Virus treffen alle, Bewohner und Mitarbeiter von Pflegeheimen aber in besonderem Maße.

Marbach/Bottwartal - Wie ihre Kollegen im Krankenpflegebereich leisten auch die Mitarbeiter von Altenpflegeheimen Außergewöhnliches in diesen Tagen. Denn nicht nur das Besuchsverbot und die aus Sicherheitsgründen verhängte Ausgangssperre machen den Bewohnern zu schaffen; auch Angebote in den Heimen wie gemeinsames Singen, Basteln, Gymnastik oder Diavorträge müssen in diesen Tagen entfallen. Und auch das gewohnte gemeinsame Mittagessen kann nicht wie sonst stattfinden. Die Altenpflegekräfte tun dennoch alles, um Alternativen bieten zu können, damit die Bewohner nicht vereinsamen und depressiv werden.

Im Haus Ahorn in Beilstein hat man die Gruppen verkleinert, nach Stockwerken getrennt und auf Einzeltherapie umgestellt. Das heißt beispielsweise, dass Sitzgymnastik eben einzeln statt wie sonst in der Gruppe gemacht wird. Die Senioren bekommen zudem derzeit ihr Essen aufs Zimmer, sagt die Heimleiterin Andrea Stoll, da man in den Speiseräumen nicht den notwendigen Abstand halten kann. Damit die Bewohner trotzdem positiv in den Tag starten können, erhalten sie jeden Morgen Post von der Marbacherin Christine Fischer, die sich ehrenamtlich im Haus Ahorn engagiert: ein nettes Bild mit einem lieben Gruß dabei. Auch die Mitarbeiter des Heims denken sich immer wieder etwas Besonderes aus. „Die Hauswirtschaft backt etwas und legt etwas Süßes dazu, und an Ostern haben wir spiezielle Ostereier gebastelt“, erzählt Andrea Stoll. Zudem würden vermehrt Gespräche geführt, „und es gibt auch mehr Musikveranstaltungen, die die Bewohner von ihren Balkonen oder mit ausreichend Abstand von der Terrasse aus verfolgen können“. So war beispielsweise am Freitagnachmittag Joachim Keck zu Besuch, der an der Musikschule Marbach-Bottwartal Saxofon und Klarinette unterrichtet.

Damit auch den Angehörigen nicht der Kontakt verloren geht, wurden vor kurzem Fotos von den Bewohnern gemacht und mit einem Gruß verschickt – „eine Aktion, die sehr gut ankam“, freut sich die Heimleiterin. Es sei natürlich trotzdem schwierig, wenn man seine Lieben nicht sehen könne, aber man müsse abwägen, welches Risiko man eingehen könne und welches nicht. Die Balance zu finden, sei sehr anspruchsvoll. Anspruchsvoll sei aber auch, dass die gewohnten Arbeitsabläufe ganz anders strukturiert werden mussten. Doch dank des Einsatzes aller Mitarbeiter, die bereitwillig auch neue Ideen und Konzepte umsetzten, habe man Traurigkeit oder gar Depression ganz gut im Griff. Dennoch gelte: „Wir überdenken jeden Tag neu, um die Einschränkungen für die Bewohner so gering wie möglich zu halten.“ Was Masken und andere Schutzkleidung betrifft, sei man im Haus Ahorn gut ausgestattet.

Auch im Kleeblatt-Heim in Erdmannhausen gibt es ausreichend Schutzkleidung. Und hier finden auch Veranstaltungen wie Singen und Gymnastik noch statt – in Kleingruppen mit genügend Sicherheitsabstand oder einzeln im Zimmer. Auch die medizinische Versorgung durch Ärzte oder Physiotherapeuten von außen ist mit strengen Schutzvorkehrungen gesichert. Wer allerdings gerade nicht kommen kann, sind zwei Ehrenamtliche: „Ein Mann, der immer etwas vorsingt, und eine Frau, die mit ihren Therapiehunden zu Besuch kommt“, erläutert die Pflegefachkraft Tina Hopp. Dafür bekämen die Bewohner jetzt verstärkt Zuwendung und Zuspruch von den Pflegenden. Und es gebe auch Gelegenheit zu skypen, um so die Angehörigen wenigstens per Computerbildschirm sehen und sprechen zu können. Trotzdem sei die Situation schwer. So habe eine Bewohnerin, die sonst sehr aktiv gewesen sei, seit dem Besuchsverbot ziemlich abgebaut und wolle gar nicht mehr aufstehen. Insgesamt seien alle, auch die Mitarbeiter, traurig über die aktuelle Situation: „Und wir hoffen, dass das bald wieder normal läuft.“ Stefan Ebert, Geschäftsführer der Kleeblatt-Heime, hat festgestellt, dass die Pflegenden trotz der aktuellen Herausforderung ganz gut zurechtkämen. Und so traurig es für die Bewohner und ihre Angehörigen sei: Da es mangels Besuchern gerade ruhiger sei, hätten die Mitarbeiter auch mehr Zeit, sich intensiv um die Bewohner zu kümmern. Die Situation sei übrigens in allen Kleeblatt-Heimen im Einzugsgebiet der Marbacher Zeitung vergleichbar, betont Ebert.

Recht entspannt ist die Situation in der Benninger Seniorenresidenz Neckarblick des ASB. „Singen, Vorlesen und Gymnastik gibt es jetzt in der Einzelbetreuung“, sagt Pflegedienstleiter Dimitri Berngardt. Es gebe auch trotz Ausgangssperre und Besuchsverbot keine Komplikationen. „Wir haben hinten einen kleinen Garten, sodass die Bewohner trotzdem mit entsprechendem Sicherheitsabstand ins Freie können. Nur so lange Strecken wie sonst können sie halt nicht laufen.“ Ein weiterer Pluspunkt, um Kontakt zu halten: „Wir haben mehrere mit Skype ausgerüstete Laptops. Und zu festen Zeiten können die Angehörigen so Kontakt aufnehmen.“ Auch mit Schutzkleidung sei man gut ausgestattet. „Und wir sind froh, Corona-frei zu sein. Wir haben allerdings auch schon im Februar reagiert und Vorsichtsmaßnahmen getroffen“, betont Berngardt.