Affenstarke Außenwirkung: Die Kürbis-Ausstellung im Herbst steht bei vielen Besuchern, die teils von weit her kommen, auf der Ausflugsagenda. Foto: Jürgen Bach

Ludwigsburg zieht wieder so viele Besucher an wie vor der Pandemie. Die Besucher seien entdeckungslustig und übernachtungsfreudig, sagt der Tourismusmanager Elmar Kunz. Wie ist das zu erklären?

Was habe man nicht alles befürchtet, sagt Elmar Kunz. Kein Geschäftsreiseverkehr mehr, nur noch digitale Entdeckungsreisen, Zurückhaltung, Vorsicht. „Die Sorgen waren groß. Aber Pustekuchen. Man hat einen Riesenbedarf an Präsenz“, fasst der Ludwigsburger Tourismusmanager die Lage nach Lockdowns und Einschränkungen zusammen.

Die Lust auf Ludwigsburg sei wieder groß, „es ist fast ein Wunder, wie groß.“ Von Januar bis November 2022 lagen die Übernachtungen nur 15 Prozent unter denen des Rekordjahres 2019. Das sei bemerkenswert, findet Kunz, denn 2022 sei ja eine Art „Rumpfjahr“ gewesen, in dessen ersten Monaten pandemiebedingt noch starke Einschränkungen geherrscht hätten.

„Manchmal war es fast zu voll“

Den Status quo und die Perspektiven zum Ludwigsburg-Tourismus präsentiert Kunz im Betriebsausschuss Tourismus & Events. Attraktionspunkt Nummer eins ist und bleibt der Barock-Weihnachtsmarkt. Doch auch der Run aufs Blüba war 2022 nicht nur an Wochenenden, sondern auch unter der Woche enorm, „der Tagestourismus war teils sogar über dem Niveau von 2019. Manchmal war es fast zu voll“, berichtet Kunz. Überraschenderweise sei vor allem die Kürbis-Ausstellung weithin bekannt, auch im Ausland – sogar vor dem Blühenden Barock selbst. „Wir hatten zum Beispiel eine Gruppe aus Mailand für einen Tagesausflug da, die wollten morgens um halb acht schon eine Führung und dann direkt in die Kürbis-Ausstellung“, erzählt er über die Anziehungskraft des in Form gebrachten Gemüses.

Die Stadtführungen, von denen Ludwigsburg eine außergewöhnliche große Bandbreite anbietet – „da gibt es andere tolle Städte, die haben samstagnachmittags eine Standardführung und das war’s“, so Kunz – waren sogar noch stärker nachgefragt als im Jahr vor Ausbruch der Pandemie. Viele seien ausverkauft gewesen. Kostüm-, Natur-, Geschichts-, Kinder- oder Genussführungen wie die „Gourmet-Tour to go Ludwigsburger Versucherle“, die online buchbar sind, wecken die Entdeckerlust bei Besuchern, aber auch bei Gästen aus der Stadt selbst.

Kultur, Regionalität, Nachhaltigkeit

Überhaupt ist das ein Trend, den Corona ausgelöst hat: Viele Menschen wollen ihre nähere Umgebung kennenlernen. Das war zunächst aus der Not geboren, weil Verreisen nicht ging – aber dabei merkten viele, dass es vor Ort viele unbekannte Reize gibt, die eine Entdeckung lohnen. „Tourismusmarketing ist längst nicht mehr nur die Gewinnung von Gästen“, so Kunz, „man geht nicht mehr rein vom Gast aus, die Denkweise bezieht auch die eigene Bevölkerung ein.“ Wie ist die Lebensart der Menschen vor Ort? Kultur, Regionalität, Nachhaltigkeit hießen die Schlagworte, und sie hätten viel Potenzial – für Besucher und für Einheimische. Etwa bei den Themen Steillagen und Neckar. Da müsse auch nicht jeder für sich das Rad neu erfinden. Kunz verweist auf die Steillagen-App „Echt.Schön.Schräg“, die das Landratsamt mit Tourismusverbänden und Kommunen entwickelt hat und mit der sich Wanderwege, Restaurants und Aussichtspunkte entdecken lassen, ebenso wie Wissenswertes zu Weinbau, Tieren und Pflanzen.

Durchschlagenden Erfolg verzeichnete das vergangenes Jahr initiierte Projekt „Heldenschmiede“, bei dem Amateure ein Jahr lang in den Steillagen geschult wurden, sich als Winzer auf Zeit betätigten und zum Schluss sogar einen eigenen Wein kelterten. 50 Menschen machten mit. Im März startet die zweite Auflage des Programms – „und jetzt gibt es einfach eine zweite Gruppe“, freut sich Kunz, „eine neue Anfängergruppe, und die Gruppe vom vergangenen Jahr, die als Fortgeschrittene weitermacht.“

Junge Menschen machen sich in den Weinbergen breit

Überhaupt: Dass mehr jüngere Menschen in den Weinbergen unterwegs seien, fotografierten und sich interessierten, das sei ein Phänomen, dass man seit Corona feststellen könne. Auch dass man die Menschen hinter Produkten kennenlernen will und wissen möchte, wie Dinge entstehen, ist ein Trend, den der Tourismus aufgreift. Ebenso wie die Frage, wie interessante Ziele noch besser öffentlich oder mit dem E-Bike erreicht werden können. Der Shuttleservice bei den Ludwigsburger Steillagentagen sei beispielsweise so gut angekommen, dass die Ordner für die Autos eigentlich kaum noch nötig gewesen seien. Die hätten dann die Besucher empfangen können, erzählt Elmar Kunz. „Da waren aber auch die Cabrio-Shuttles selbst schon eine Attraktion.“

Durch den Ausbau von Kooperationen mit lokalen und regionalen Partnern und Tourismusverbänden will Tourismus & Events Synergien schaffen und Freiräume für neue Ideen gewinnen. Durch solche Mitgliedschaften sei Ludwigsburg oft automatisch bei Marketingaktionen mit im Boot, sagt Elmar Kunz – und müsse keine eigenen personellen Ressourcen investieren.

Infos

Trends beobachten
 „Wir dürfen nicht schlafen, zum Beispiel beim Thema Künstliche Intelligenz oder Chat-Formaten, bei denen Menschen, die noch auf der Suche nach Tipps sind, geholfen wird“, so Elmar Kunz. Große Softwareunternehmen investierten schon Milliarden in diese Richtung. „Das beobachten wir, um auf der Welle mitzuschwimmen, wenn etwas Marktreifes entwickelt ist.“

Wege weisen
 In Stuttgart gibt es seit Ende Oktober eine digitale Stele am Schlossplatz, die auch Tourismus & Events Ludwigsburg interessant findet. Sie weist auf Konzerte, Ausstellungen und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten hin. Der Betrieb des Prototyps läuft noch in einer Testphase, die Pfeile sind vorübergehend statisch ausgerichtet. Bald soll sie gegen einen neuen Prototypen mit Drehmechanismus ausgetauscht werden. Drei GPS-gesteuerte Pfeile zeigen präzise in die Richtung des jeweiligen Veranstaltungsorts. Sobald sich die Stele bewährt hat, folgen zwei weitere am Sporer- und Marktplatz.