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Grüner Landesvater Kretschmann versöhnt sich mit der Autobranche - und bekommt am Ende gar ein Jobangebot.

Stuttgart - Er schraubt an einem Motor, macht eine Probefahrt mit schnellen Autos und bekommt zwischendurch gar ein Jobangebot vom Daimler-Chef höchstpersönlich: Seinen Frieden mit der Autobranche schließt Winfried Kretschmann im Mercedes-Benz-Werk in Stuttgart-Untertürkheim. „Der sachkundige Blick, die selbstverständlichen Handgriffe“, schmeichelt Daimler-Chef Dieter Zetsche dem Landesvater bei dessen Besuch, „falls Sie sich beruflich neuorientieren wollen - wir sollten im Gespräch bleiben“.

MP schlägt versöhnlichere Töne als vor einem Jahr an

Der grüne Regierungschef als Autobauer? Noch im vergangenen Jahr hätte Kretschmann sicher kein solches Angebot bekommen. Mit der „Innovationspeitsche“ wollte der Landesvater der Branche damals kommen - und ihnen so umweltfreundlichere Technologien abtrotzen. Daimler, Porsche & Co sollten weniger und kleinere Autos bauen, forderte er.

Heute schlägt er versöhnlichere Töne an: „Daimler ist so etwas wie die Halsschlagader unseres Landes“, sagt er beim Werksbesuch. Kurz darauf wird er sich von Zetsche in einer neuen A-Klasse umherfahren lassen.

Ökologie und Ökonomie sollen Hand in Hand gehen

Was ist passiert? Zunächst einmal stimmt Daimlers Bemühen um energiesparende Motoren und Elektroautos versöhnlich. Zum anderen scheint es, als habe der Regierungschef, der sich zum Ziel gesetzt hat, Ökologie und Ökonomie zu versöhnen, die Bedeutung der Wirtschaft für das Land erkannt. Zuletzt betonte er immer wieder, die Grünen seien eine „Autofahrerpartei“. Auch Porsche stattete er bereits einen Besuch ab, ebenso wie einem Daimler-Testkanal.

Mit Blick auf Daimler sagte er: „Ich bin sehr dankbar, dass Baden-Württemberg Kernstandort bleibt, ausgebaut und verstärkt wird.“ Der Autobauer investiert nach eigenen Angaben allein in diesem Jahr mehr als 2 Milliarden Euro in seine Pkw-Werke im Südwesten.

Überhaupt spielt die Autoindustrie im Südwesten eine wichtige Rolle: Mit zuletzt 70,7 Milliarden Euro ist sie die umsatzstärkste Branche im Ländle. Mehr als 200.000 Menschen arbeiten bei den Herstellern und Zulieferern.

Zetsche über Verhältnis zu Kretschmann: „Pragmatisch, faktisch, gut“

Daimler selbst stellt Kretschmann mittlerweile immerhin ein solides Zeugnis aus. „Pragmatisch, faktisch, gut“, beschreibt Zetsche sein Verhältnis zum Landesvater und dessen Politik. Zugleich kündigte er die Innovationen an, auf die Kretschmann stets pocht. Zetsche: „Mag sein, dass Baden-Württemberg ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist, aber es bietet ganz sicher noch viele ungeahnte Chancen und die gilt es zu nutzen - nachhaltig.“

Auch Handwerkspräsident zieht positives Fazit

Neben dem Autobauer finden auch andere Unternehmen im Land lobende Worte für Kretschmann - anders als noch zu Beginn von dessen Amtszeit: „Die Bilanz fällt nicht schlecht aus“, sagt etwa Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle. Ein Jahr zuvor hatte er mit Blick auf Grün-Rot noch von einer „nachhaltigen Verunsicherung der Wirtschaft“ gesprochen. Heute wünscht er sich zwar mehr Berufsorientierung in Schulen. Unter dem Strich zieht er aber ein positives Fazit: „Das Miteinanderreden und Zuhören hat die Landesregierung wahr gemacht.“

Der IHK-Präsident Herbert Müller begrüßt, dass die Aussagen zur „Innovationspeitsche“ vom Tisch sind. Die Industrie fühle sich nun besser unterstützt - wenngleich mit Einschränkungen. „Der Ministerpräsident bekennt sich zur Wirtschaft und zur Industrie, aber sie sind nicht seine Schwerpunkte“, sagt Müller. „Wir werden gehört, aber nur wenn wir laut genug rufen.“