Romy Hausmann auf Besuch in Stuttgart Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Schriftstellerin lebt in der Nähe von Stuttgart auf dem Land. Warum in der Abgeschiedenheit auch das Grauen seinen Platz hat.

Zum Hutladen muss sie nachher unbedingt, wenn sie schon in Stuttgart ist: „Das ist doch toll, dass es so was noch gibt!“ Zum Gespräch im Café des Emilu-Hotels trägt Romy Hausmann ein violettes Barett, unter dem ihr blonder Pony keck hervor blinzelt. Kann man so zugewandt aussehen und Thriller schreiben, in denen das Grauen hinter jeder Buchseite lauert? Ihren weiblichen Hauptfiguren verlangt Romy Hausmann alles ab. Lena lebt mit zwei Kindern von einem Kontrollfreak eingesperrt in einer fensterlosen Hütte im Wald („Liebes Kind“). Nadja war wegen eines grausamen Verbrechens in Haft und versucht nach der Entlassung verzweifelt ein normales Leben aufzubauen („Marta schläft“). Und Ann soll damit klarkommen, dass ihr geliebter Vater zehn Mädchen ermordet hat („Perfect Day“).

 

Kleines Idyll am Waldrand

Ihr eigener Alltag klingt dagegen wie die reine Idylle. Die Frau, die Hochdeutsch spricht, wohnt „in einem sehr kleinen Haus am Waldrand“ – und zwar in einem sehr kleinen Ort im Kreis Göppingen. Wo genau, das will sie nicht verraten. Sie hat aber auch lange in München gelebt, und sagt, sie liebe Städte. „Ich bin keine Autorin, die keine Menschen verträgt. Ich brauche Impulse, andere Meinungen.“ Ein wirkliches Heimatgefühl habe sie nicht, meint Romy Hausmann. Die 40-Jährige ist in der früheren DDR geboren und hat dort vor der Flucht der Familie noch die erste Klasse besucht. Über Rheinland-Pfalz kam sie ins Schwabenland, hier ist sie zur Schule gegangen und hat Abitur gemacht. „Dann wollte ich von hier weg.“

Sie denkt nicht ans Wegziehen

Seit ihr Sohn zwei Jahre alt ist, ist Romy Hausmann wieder da. Heute ist er 13, und seine Mutter denkt nicht ans Wegziehen, auch wenn Sie jeden Tag Mama-Taxi spielen muss. Auch mit dem Menschenschlag hier, der ihr ja sowieso nicht fremd war, kommt sie gut zurecht. „Die Schwaben sind zugeknöpft und kleinlich? Ach komm, das stimmt doch gar nicht.“ Momentan passe ihr abgeschiedener Wohnort, eine frühere Ferienhaussiedlung, einfach zu ihrem Lebensgefühl, meint sie, samt dem Gemüsebeet und dem Wald, durch den sie oft spaziert. „Nur die Katze ist leider tot.“

Lesen Sie aus unserem Angebot: Stuttgarter Kriminächte – Romy Hausmann bringt die Bar zum Prickeln

Im Thriller hat Romy Hausmann, die sich zuvor erfolglos mit Frauenromanen versucht hat, ihr Genre gefunden. Ihr Thriller-Debüt „Liebes Kind“ hat es 2019 aus dem Stand auf Platz eins der „Spiegel“-Bestsellerliste geschafft und ist inzwischen in 26 Sprachen übersetzt. Mittlerweile hat sie zwei weitere Romane veröffentlicht, und trotzdem bleibt das Schreiben für sie ein mühsamer Prozess. „Ich bin sehr manisch beim Schreiben, ich kaue Fingernägel, ich weine, ich vergesse die Zeit, den Müll rauszubringen, alles.“ Ihr Sohn verhafte sie in den Strukturen des Alltags, er zeige ihr dann, „was wirklich zählt in der Welt“. Ein ganzes Jahr braucht sie für ein Buch, im Vollzeitjob. Über die Deadline verhandelt sie zäh. „Ich bin keine Lieferantin. Ich möchte nicht, dass meine Art zu schreiben sich abnutzt.“

True Crime statt Romane

Zurzeit arbeitet Romy Hausmann, die als TV-Journalistin unter anderem die Texte für den Off-Sprecher der Doku-Soap „Shopping Queen“ geschrieben hat, an einem neuen Buch, das sich von ihren Romanen völlig unterscheidet. Es handelt von „True Crime“, also echten Kriminalfällen – ein Trend, der sich zurzeit durch alle Medien zieht. Das ist ihr bewusst, schließlich hat alles ja damit angefangen, dass sie selbst Podcasts angehört hat – beim Einschlafen. Im Februar fiel eine große Lese-Tour aus. In der freien Zeit wollte an ihrem Küchentisch sechs Fälle, die sie selbst für ihre Romane recherchiert hatte, mit Freunden vom Fach besprechen. Ihr Verlag stieg ein, es wurden zwölf daraus und schließlich die Idee zum Buch. „Das Ganze ist eskaliert.“

Thriller Nummer vier steht an

Für das Buch schrieb sie die Mutter einer jungen Frau an, die in Australien unter mysteriösen Umständen zu Tode kam. „Ich habe lange gezögert. Aber ich wollte wissen, was so ein Verbrechen mit der Familie macht.“ Die Mutter antwortete ihr, daraus ist eine intensive Mail-Freundschaft entstanden. Romy Hausmann begann Tagebuch zu schreiben, auch darüber, was die Antworten mit ihr gemacht haben. „Ich hatte das zuvor ja wie viele andere auch als Unterhaltung konsumiert.“ Daraus ist der zweite Erzählstrang des Buches geworden. Im August erscheint „True Crime – Der Abgrund in dir“. Und Romy Hausmann sagt: „Das ist das Persönlichste, was ich bisher gemacht habe.“

Danach wird sie sich wieder Thriller Nummer vier zuwenden, den sie für ihren Ausflug ins True-Crime-Fach unterbrochen hat. Denn: „Der Thriller ist so ein schöner Spielplatz.“