In mehr als 300 Fällen hat sie mehr als 500 Fahrzeuge ohne die notwendigen Unterlagen zugelassen und dafür Geld kassiert. Die 27-Jährige wird für mehr als vier Jahre ins Gefängnis müssen.
Stuttgart/Böblingen - Nach sieben Prozesstagen mit umfangreicher Beweisaufnahme hat eine ehemalige Mitarbeiterin der Zulassungsstelle Böblingen am Mittwoch am Landgericht Stuttgart ein umfassendes Geständnis abgelegt und einen Großteil der Tatvorwürfe über ihren Anwalt Zlatko Prtenjaca eingeräumt. Insbesondere gestand die 27-Jährige, in mehr als 300 Fällen zwischen Juli 2017 und Juni 2020 mehr als 500 Fahrzeuge ohne die notwendigen Unterlagen zugelassen zu haben beziehungsweise diese selbst gefälscht und als Gegenleistung Geld genommen zu haben.
Als Motivation für ihre Taten gab sie an, sie habe als Jugendliche ein geringes Selbstbewusstsein gehabt und sei in der Schule oft gemobbt worden. In ihrer Position auf der Zulassungsstelle habe sie zum ersten Mal das Gefühl gehabt, für ihren neuen Freund etwas wert zu sein und ihn finanziell unterstützen zu können. „Ich wollte von ihm geliebt werden“, sagte die 27-Jährige. Sie habe darüber hinaus mit zwei Männern eines Netzwerkes kooperiert, weil sie sich ihnen gegenüber wichtig gefühlt habe.
Sie sei auf dem Parkplatz angesprochen worden
Die Initiative sei von einem der Männer ausgegangen: Dieser habe ihr nach der Ausgabe von Ausfuhrkennzeichen auf dem Parkplatz der Außenstelle Leonberg 50 Euro in die Hand gedrückt und ihr gesagt, sie solle sich melden, wenn sie etwas dazuverdienen wolle. Sie habe sich dann mit ihm getroffen. Seine Bedenken, dass sie von der Kripo sei, habe sie mit der Bemerkung zerstreut, sie stehe unter Bewährung. Der Mann habe ihr gesagt, von dem Geschäft hätten sie beide etwas, wenn er alle Zulassungen über sie laufen lassen könne. Er könne sich die Kosten für Fahrten zu anderen Zulassungsstellen sparen.
Das Geld sei in der Wohnung ihres Freundes deponiert worden, da sie noch bei ihren Eltern gewohnt habe und es dort möglicherweise entdeckt worden wäre. Wofür ihr Freund das Geld verwendet habe, wisse sie nicht genau. Er habe aber fünf oder sechs Autos gekauft und nach Serbien weiterverkauft. Sie selbst habe circa 50 000 Euro für Friseurbesuche, Kosmetik und Wellness ausgegeben.
Darüber hinaus räumte die 27-Jährige ein, ein Smartphone im Wert von 1100 Euro von dem Holzgerlinger Gebrauchtwagenhändler angenommen zu haben, für den sie Zulassungen manipuliert habe, und der sie damit zu weiteren Taten motivieren wollte. Sie wisse, dass sie einen großen Fehler gemacht habe und es tue ihr sehr leid.
Verständigung mit Gericht und Staatsanwaltschaft
Das Geständnis war Teil einer so genannten Verfahrensverständigung, auf die sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung geeinigt hatten. Im Gegenzug zum Geständnis sicherte der Vorsitzende Richter Frank Maurer der Angeklagten eine Strafe zwischen vier Jahren und drei Monaten und vier Jahren und neun Monaten zu. Zudem werde der Vorwurf der Beihilfe zum gewerbsmäßigen Schmuggel und zum Betrug fallen gelassen.
Die Staatsanwaltschaft hatte der 27-Jährigen, die zunächst in der Außenstelle Leonberg und später in der Zulassungsstelle in Böblingen tätig war, ursprünglich mehr als 300 Taten vorgeworfen, darunter gewerbsmäßige Bestechlichkeit, Beihilfe zum gewerbsmäßigen Schmuggel, Vorteilsannahme, Diebstahl, Betrug und Bestechung. Die 27-Jährige soll dabei gut drei Jahre lang regelmäßig gegen ihre Amtspflichten verstoßen haben, weil sie Import-Autos ohne Zollnachweise, ausländische Papiere, TÜV-Nachweise oder mit unvollständigen technischen Daten für den Straßenverkehr zugelassen habe.
Mehr als 100 000 Euro kassiert
Die Frau soll laut Anklage Teil eines ganzen Netzwerkes sein und von zwei Männern für ihre Taten bezahlt worden sein. Insgesamt soll sie mehr als 100 000 Euro kassiert haben. Die Hintermänner seien Teil einer libanesischen Bande in Berlin. Nach den Berechnungen der Anklagebehörde geht der Schaden in die Millionen: Der Wert der zu Unrecht zugelassenen Fahrzeuge soll fast elf Millionen Euro betragen, Steuern sollen in Höhe von etwa 2,6 Millionen Euro nicht bezahlt worden sein. Die Fahrzeuge waren zum Teil aus dem Hochpreissegment, dabei waren unter anderem Lamborghini, BMW und Chrysler.
Am 28. April sollen voraussichtlich die Plädoyers gehalten und auch das Urteil gesprochen werden.