Ute Dieringer (44) hat zuerst Chemielaborantin, jetzt Fachverkäuferin gelernt. Nun hat sie den Otto-Frey-Preis bekommen. Foto: Sascha Sauer

Ute Dieringer aus Fellbach hat als beste Junghandwerkerin des Rems-Murr-Kreises den Otto-Frey-Preis bekommen – mit 44 Jahren.

Fellbach - Wer wissen will, wie viel Fett in der Pfeffersalami steckt oder warum Steaks erst reifen müssen, der braucht nur Ute Dieringer zu fragen. Die frischgebackene Fleischereifachverkäuferin kennt sich aus. Und zwar ausgezeichnet: Sie ist Trägerin des Otto-Frey-Preises, der an den besten Absolventen aus den bei der Kreishandwerkerschaft Rems-Murr ansässigen Innungen verliehen wird.

Ute Dieringer ist 44 Jahre alt. Das ist alles andere als ein typisches Alter für eine Junghandwerkerin. Bei der Lossprechungsfeier in Schorndorf war sie mit Abstand die Älteste unter den Preisträgern. „Das hätten alles meine Kinder sein können.“ Dass sie mit einem Notendurchschnitt von 1,5 den Otto-Frey-Preis gewonnen hat, macht sie stolz. „Ich habe die Ausbildung neben der Arbeit in der Metzgerei gemacht und musste mich ja auch um meine Familie kümmern.“

Aufgewachsen ist sie in Burghausen nahe der österreichischen Grenze. Dort gibt es ein großes Chemieunternehmen. „Bei uns wurde man entweder Bürokauffrau oder Chemielaborantin“, erzählt Ute Dieringer. Sie entschied sich nach der Realschule für Letzteres. Und sie machte die Arbeit gerne, fand es spannend zu messen, ob das für Bungee-Seile vorgesehene Gummi stabil genug ist oder ob die Griffe einer Plastiktüte lange genug halten.

Mit 24 Jahren wurde es ihr zu eng in Burghausen. Sie wollte in einer größeren Stadt leben und zog nach Stuttgart. Einige Jahre später kamen ihre Kinder Steven und Alice zur Welt. Schnell war klar, dass sie in ihren alten Beruf nicht zurückkehren kann. „Es gibt quasi keine Teilzeitstellen in dieser Branche.“ So verdiente sie Geld mit 400-Euro-Jobs. Sie schmierte nachts Brötchen für einen Bäcker, jobbte im Teppichladen und betreute Kinder in einem Fitness-Studio.

„Ich bin eine fleischfressende Pflanze“

Als eine Bekannte von ihrer Arbeit als Aushilfe in der Fellbacher Markthalle schwärmte, wurde Ute Dieringer auf die Metzgerei Klingler aufmerksam. Das wäre doch auch was für mich, dachte sie sich. Schließlich sind Essen und Kochen ihre große Leidenschaft. Vor allem Rind habe sie gerne auf dem Teller, sagt sie. „Ich bin eine fleischfressende Pflanze.“

Thomas Klingler, der Chef der gleichnamigen Metzgerei, stellte sie als Aushilfe ein. Nur wenige Monate später meldete sich Ute Dieringer an der Hoppenlauschule in Stuttgart an, um in einer Kurzzeitklasse die Ausbildung zur Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk zu machen. Jeden Montag saß sie gemeinsam mit anderen Quereinsteigern im Klassenzimmer, paukte Wirtschaftskunde und Betriebstheorie. In der Metzgerei lernte sie die Praxis kennen. „Meine Kollegen standen mir immer geduldig zur Seite“, erzählt sie.

Jahrzehntelang hatte sie nicht mehr auf der Schulbank gesessen. „So lange zuzuhören war ich überhaupt nicht mehr gewöhnt.“ Doch Ute Dieringer zeigte Biss. Und sie war bis in die Haarspitzen motiviert. „Ich hatte ja anfangs in der Metzgerei kaum Ahnung, ich wollte unbedingt wissen, was ich dort verkaufe.“

Ihre Anstrengungen wurden mit Erfolg belohnt: Von 207 Auszubildenden aus allen Handwerksberufen legte sie die beste Prüfung hin. Dass sie bei der Lossprechungsfeier den Otto-Frey-Preis bekommt, davon wussten weder Ute Dieringer noch ihr Arbeitgeber etwas. „Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet“, sagt sie.