Frauke Lippert und Max Kraemer haben sich ein Jahr genommen, um durch Australien, Thailand und Sumatra zu reisen. Dass sie dennoch wählen, stand für die beiden aus Besigheim (Kreis Ludwigsburg) nie außer Frage. Doch wie bei vielen Auslandsdeutschen kamen die Stimmzettel nicht rechtzeitig an.
Es ist 18.15 Uhr Ortszeit, als Frauke Lippert und Max Kraemer im australischen Gosford, eine Stunde entfernt von Sidney, ans Telefon gehen. Den Tag, der den Menschen in Deutschland noch bevorsteht, haben sie schon erlebt. Hinter ihnen liegen arbeitsreiche Stunden in einem Hotel. Poolreinigung, Rasenmähen, Betten beziehen. In zwei Wochen machen sie sich auf den Weg nach Westaustralien, dann Philippinen, Thailand, Sumatra. Seit Oktober sind der Raumausstatter und die Journalistin unterwegs. Bis sie zurück nach Besigheim kommen, wird ungefähr ein Jahr vergangen sein.
Als Bundeskanzler Olaf Scholz im November den Bruch der Ampelkoalition verkündete und sich Neuwahlen abzeichneten, „haben wir uns direkt informiert, was wir machen müssen, um wählen zu können“, sagt die 28-jährige Frauke Lippert. Kurz vor der Wahl steht dann aber fest: Das Paar wird unfreiwillig zu Nichtwählern. Die Stimmzettel kamen nicht rechtzeitig in Australien an.
Wahlunterlagen kommen am 21. Februar an
Wahlberechtigte Auslanddeutsche müssen in der Gemeinde, in der sie zuletzt gemeldet waren, einen Antrag stellen, um ins Wählerverzeichnis aufgenommen zu werden. Im Falle von Frauke Lippert und Max Kraemer: Besigheim. Die Wahlunterlagen werden dann automatisch an die angegebene Adresse verschickt.
Um ihre Stimmzettel sicher zu erhalten, geben sie die Adresse eines Freundes in Australien an. Ihr Plan: ihr Kreuz setzen und mit der Post per Priority-Versand zurückschicken. „Als es immer knapper wurde, haben wir uns Gedanken gemacht, ob es über das Konsulat schneller geht“, sagt Frauke Lippert. Abgabeschluss dafür ist der 18. Februar. Drei Tage später, am Freitag 21. Februar, schreibt der Freund Max Kraemer, dass ihre Wahlunterlagen angekommen sind. „Wir haben noch gescherzt, dass wir an den Flughafen fahren und sie irgendwelchen Deutschen in die Hand drücken“, sagt der 29-Jährige. Aber selbst das hätte nicht mehr gereicht.
Dass wenige Tage den Unterschied gemacht hätten, enttäuscht das Paar. „Wir sind beide der Meinung, dass unsere Stimmen dieses Mal besonders wichtig gewesen wären“, sagt Frauke Lippert. Sie hätten den Wahlkampf über alle Medien verfolgt, „dann kommt die Wahl, du hast deine Meinung, und dann frustet es, das Ergebnis zu sehen und zu wissen, du konntest nichts machen“, sagt Max Kraemer.
Viele Kommunen haben nicht schnellsten Versand gewählt
213 000 Auslandsdeutsche waren bei der Bundestagswahl in den Wählerverzeichnissen registriert – bei vielen kamen die Unterlagen zu spät an. Laut Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung lag das auch daran, dass einige Kommunen private Dienstleister beauftragt haben, die die Stimmzettel über Umwege zugestellt haben. „Besigheim hat eigentlich alles richtig gemacht“, sagen Frauke Lippert und Max Kraemer. Die Stadt hat die Unterlagen per Luftpost und Priority-Versand losgeschickt, von der deutschen Post wurden sie am 6. Februar gestempelt. Die Stadt Besigheim gibt auf Anfrage bekannt, dass 36 Auslandsdeutsche einen Antrag gestellt haben, in das Wählerverzeichnis aufgenommen zu werden. „Ich hatte Vertrauen, dass das auch alles klappt, wenn die dieses Datum festlegen“, sagt Max Kraemer. Die Konsequenz sei aber: der Wahltermin wurde zu früh angesetzt.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht, das knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, beruft sich nach der Wahl auf die fehlenden Stimmen von Auslandsdeutschen. Für einen Einzug in den Bundestag fehlen dem BSW etwa 13 400 Stimmen. Wagenknecht erwägt nun, das Wahlergebnis rechtlich prüfen zu lassen. Verfassungsrechtler sehen geringe Erfolgschancen.
Paar sieht Deutschland als Lebensmittelpunkt
„Es wurde angekündigt, dass es für Auslandsdeutsche schwierig wird, zu wählen“, sagt Frauke Lippert. „Wir dachten immer, irgendwer wird sich dafür einsetzen, dass es möglich gemacht wird.“ Das BSW nutze die fehlenden Stimmen jetzt aber nur, weil es dem eigenen Zweck diene. „Ich glaube nicht, dass es für das BSW etwas verändert hätte, aber wenn sie wirklich in den Bundestag gekommen wären, hätte sich das auf die Mehrheitsverhältnisse und die Regierungsbildung ausgewirkt“, gibt Kraemer dennoch zu bedenken.
Frauke Lippert und Max Kraemer berichten, dass Konsulate in Australien Freunden schon im Voraus mitgeteilt hätten, dass die Zeit sicher nicht reicht. „Es kann also sein, dass es eine Dunkelziffer gibt an Deutschen, die sich gar nicht erst ins Wählerverzeichnis eintragen lassen haben“, sagt Frauke Lippert. Der Unterschied zwischen ihnen und anderen Auslandsdeutschen sei, dass sie zurückkommen. „Wir wollen vielleicht eine Familie gründen, sehen unsere Zukunft in Deutschland. Da war es uns wichtig, das auch mitgestalten zu können“, sagt sie.