Dass am 9. Juni auch etliche kommunale Bedienstete in die Ortsparlamente gewählt worden sind, löst in einigen Rathäusern großen Gesprächsbedarf aus.
Der eine darf, die andere nicht, dafür darf die dritte aber wieder. Fast sechs Wochen nach dem Super-Wahlsonntag löst die Besetzung der lokalen Gemeinderäte gleich in mehreren Rems-Murr-Kommunen nachträglichen Klärungsbedarf aus. Denn wer mit Sitz und Stimme ins Lokalparlament einziehen darf, ist offenbar längst nicht so eindeutig geregelt, wie man meinen würde.
Überrascht von den in der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg enthaltenen Fallstricken ist etwa Ulrike Franke aus Remshalden. Die Erzieherin hatte sich nach dem Wahlsonntag noch über einen stattlichen Stimmenzuwachs freuen dürfen, der sie im Normalfall auch prompt in die Fraktion der FDP/FW katapultiert hätte. 1318 Stimmen erhielt Ulrike Franke, ein Beleg für ihre Beliebtheit. In den Gemeinderat einziehen darf die Frau allerdings trotz des erfolgreichen Abschneidens nicht. Denn beruflich ist die verhinderte Lokalpolitikerin als Leiterin des Kindergartens in der Lehenstraße aktiv – und darf wegen des Engagements für die Kinder im Teilort Grunbach nicht mitbestimmen, was in der Gesamtgemeinde läuft.
Erzieherinnen und Hausmeister saßen im Gremium
Nun ist es allerdings nicht so, dass eine Tätigkeit für die Gemeinde Remshalden schon automatisch ein Ausschlussgrund für die politische Teilhabe wäre. Andere Ortsparlamentarier saßen im Gremium, obwohl sie ihre Brötchen ebenfalls im Rathausauftrag verdienen. Beispiele aus der Vergangenheit sind Julia Föhl und Franziska Schneck, beides ebenfalls gelernte Erzieherinnen. Und auch Volkmar Beck, als Hausmeister mit den lokalen Problemlagen bestens vertraut, stand im Job auf der Lohnliste der Kommune – und durfte im Gemeinderat dennoch über Wohl und Wehe des Orts mitentscheiden.
Hintergrund der auf den ersten Blick schwer nachvollziehbaren Unterscheidung ist ein Ausnahme-Paragraf der Gemeindeordnung. Zwar dürfen grundsätzlich keine Angestellten der Gemeinde auch im Gemeinderat vertreten sein. Doch das gilt nicht für Menschen, die „überwiegend körperliche Arbeit verrichten“. Wer wie Ulrike Franke am Schreibtisch auch organisatorische oder gar konzeptionelle Tätigkeiten ausübt, fällt also raus aus der Wählbarkeit – auch wenn sich bei den Kolleginnen Föhl und Schneck schon mancher die Frage stellen mag, was Kindererziehung denn nun mit „überwiegend körperlicher Arbeit“ zu tun haben könnte. Entscheidend aber ist, das ist durch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, die Leitungsfunktion. Wollte die FDP/FW-Frau ihr Mandat als Gemeinderätin wahrnehmen, müsste sie im Kindergarten die Chefrolle aufgeben – ein Schritt, dem Ulrike Franke nicht nähertreten wollte. Nach rückt jetzt Tim Zimmermann, auch wenn er bei der Wahl fast 200 Stimmen weniger erhalten hat.
Einen ähnlich wie in Remshalden gelagerten Fall gibt es in Leutenbach. Dort haben ebenfalls zwei Erzieherinnen auf der FWG-Liste kandidiert – und wurden prompt gewählt. Bei Silke Siegle, Auszubildende im Naturkindergarten, ist das auch nicht weiter problematisch. Bei Ines Stecher, Vize-Chefin im Kindergarten Lange Äcker im Teilort Nellmersbach, allerdings war nach der Wahl eine Entscheidung gefragt. Sie gibt ihre Stellung als stellvertretende Leiterin der Einrichtung auf, um im Gemeinderat rechtlich beanstandungsfrei vertreten zu sein – der Änderungsvertrag ist bereits unterzeichnet. Nur wenige Kilometer weiter in Winnenden sorgt unterdessen der Fall von Julian Luckert für Gesprächsstoff. Der junge Mann ist nicht nur als Handballtrainer ein Begriff, sondern auch der hauptamtliche Gerätewart der Feuerwehr – und in dieser Funktion auch bei der Kommune angestellt. Dennoch zieht er für die Freien Wähler in den Gemeinderat ein – schließlich steht außer Frage, dass Fahrzeugpflege und das Waschen von Feuerwehrschläuchen als körperliche Arbeit gelten darf. Von FDP-Stadtrat Jürgen Hägele kam dennoch die Kritik, dass er das Mandat für Luckert für ein „No-Go“ hält. Zu beanstanden ist es aber nicht.