Im Stuttgarter Gastgewerbe ist die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen zehn Jahre um etwas mehr als die Hälfte gewachsen. Die wichtigsten Arbeitgeber in Stuttgart sehen Sie in der Galerie. Foto: dpa

Stuttgart hat in den vergangenen zehn Jahren einen Job-Boom erlebt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist seither um fast 70 000 auf 416 667 gestiegen. Das sind rund 20 Prozent mehr. Das ist ein neuer Rekord.

Stuttgart - Am Horizont zeichnen sich wirtschaftlich schwierige Zeiten ab. Insbesondere für die von der Autoindustrie geprägte Region. Sollte es so kommen, endet damit ein Job-Boom, der ein ganzes Jahrzehnt angehalten hat. Von 2008 an ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Stuttgart von 346 721 auf 416 667 im Jahr 2018 gestiegen. „Das ist neuer Rekord“, sagt Lucas Jacobi, der beim Statistischen Amt der Stadt für das Thema Wirtschaft zuständig ist. Der Zuwachs von fast 70 000 zusätzlichen Beschäftigten oder plus 20,2 Prozent ist dabei kein Aufholeffekt nach der Finanzkrise, da 2008 noch ein Vorkrisenjahr mit einer schon damals recht guten Beschäftigungslage in der Stadt war.

Beträchtlich waren die Zuwächse im sogenannten sekundären Sektor, zu dem Industrie, Handwerk, das verarbeitende Gewerbe, aber auch die Bauwirtschaft gehören. Hier seien „rund 12 600 Arbeitsplätze entstanden“, sagt Lucas Jacobi. Das ist eine Zunahme von 18 Prozent. Den prozentual größten Zuwachs verzeichnete der Bereich Energie- und Wasserversorgung von 1744 auf 5132 Beschäftigte (plus 51 Prozent). In absoluten Zahlen allerdings fiel der Anstieg im verarbeitenden Gewerbe, zu dem auch die Autoindustrie zählt, mit plus 9600 Arbeitsplätzen (17 Prozent) am höchsten aus.

Größtes Wachstum bei den Dienstleistungen

Das größte Wachstum aber verzeichnete der Dienstleistungssektor, in dem vier Fünftel der Beschäftigten arbeiten. Hier stieg in Stuttgart die Zahl der Arbeitsplätze innerhalb von zehn Jahren um rund 57 000 (plus 21 Prozent) auf nunmehr 331 000. Aber auch hier gab es Gewinner und Verlierer. So haben die Betriebe, die im Handel und der Reparatur von Autos tätig sind, etwa 1000 Arbeitsplätze abgebaut, Banken und Versicherungen sogar rund 2300 (minus sieben Prozent). Bei letzteren haben Niedrigzinspolitik und Digitalisierung ihre Spuren hinterlassen. Dafür ist im Gastgewerbe die Zahl der Beschäftigten um etwas mehr als die Hälfte gewachsen (um 4500 oder 52 Prozent). „Gastgewerbe und Tourismus jagen von einem Rekord zum anderen“, erklärt Jacobi. „Die Menschen sind konsumfreudiger geworden.“

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In absoluten Zahlen noch deutlich höher war die Jobzunahme im Gesundheits- und Sozialwesen (13 000 Jobs, plus 40 Prozent), zu denen Kranken- und Altenpflege sowie die Kinderbetreuung zählen. Die unter sonstige wirtschaftlichen Dienstleistungen geführten Branchen, darunter Zeitarbeit, Wach- und Sicherheitsdienste sowie Gebäudebetreuung, haben um 9700 Beschäftigungsverhältnisse zugelegt (plus 46 Prozent). Mit großem Abstand aber am meisten Stellen dazugekommen sind in jenem Wirtschaftszweig, zu dem Unternehmens- und Steuerberatungen, Werbung, Architektur- und Ingenieurbüros sowie Forschung und Entwicklung gehören. Hier sind in den vergangenen zehn Jahren 17 700 neue Stellen geschaffen worden (plus 36 Prozent). In diesem Bereich arbeiten inzwischen in Stuttgart 67 000 Menschen, also jeder sechste versicherungspflichtig Beschäftigte. „Das sind hochwertige Jobs“, betont Lucas Jacobi.

Geringfügige Beschäftigung im Nebenjob

Apropos Jobwertigkeit: Die Zahlen des Statistischen Amts zeigen, „dass der Jobzuwachs nicht auf geringfügiger Beschäftigung fußt“, so der Sachgebietsleiter, „sondern auf sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung“. Zwar ist auch die geringfügige Beschäftigung gestiegen in den Jahren, aber lediglich um 11,8 Prozent auf 71 680 Jobs Ende Dezember 2018. Die Zahl derer, die ausschließlich geringfügige Jobs machen, ist sogar zurückgegangen (minus 6,3 Prozent auf 38 308). Die geringfügige Beschäftigung im Nebenjob hat aber deutlich zugenommen, um 43,7 Prozent auf 33 372. Eine Analyse dieser Entwicklung liegt nicht vor.

Besonders profitiert haben von dem Job-Boom Menschen mit einer guten Ausbildung. Die Zahl der Beschäftigten mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung ist um 14,6 Prozent gestiegen, die derer ohne Berufsausbildung nur um 4,7 Prozent. Die Gruppe der Beschäftigten mit einem Fachhochschul- oder Universitätsabschluss hat sogar um fast 80 Prozent zugenommen.

Beschäftigung von Frauen stark gestiegen

Bemerkenswert ist der hohe Anteil von Menschen mit einem ausländischen Pass an dieser Entwicklung. Von den rund 70 000 Stellen, die es heute in Stuttgart im Vergleich zu 2008 mehr gibt, werden rund 39 Prozent von Beschäftigten mit einem ausländischen Pass ausgefüllt. Das hat viel mit der EU-Osterweiterung und den Folgen der Finanzkrise in Süd- und Südosteuropa zutun. Die Zahl etwa der in Stuttgart Beschäftigten aus Rumänien hat sich seither auf knapp 3900 fast versiebenfacht, die der Bulgaren fast verfünffacht (auf 1320). Die Zahl der Mitarbeiter mit einem griechischen Pass ist um knapp ein Drittel auf rund 7100 gestiegen, die der Italiener um fast 30 Prozent auf mehr als 8500. Die Personengruppe mit einem Pass aus einem Land des ehemaligen Jugoslawien hat sich seit 2008 fast verdoppelt, um 11 636 auf 22 649. Die größte Gruppe sind die Kroaten mit fast 7400 Beschäftigten.

Betrachtet man die Statistik getrennt nach Frauen und Männern, fällt auf: die Frauen in Arbeit haben mehr zugelegt (um 24 Prozent auf 191 787) als die Männer (um 18 Prozent auf 224 880). Bei den Frauen ist der Jobzuwachs von 37 241 Beschäftigungsverhältnissen zu rund 78 Prozent Teilzeitarbeit. Bei den Männern hat der Teilzeitanteil zwar um 82,8 Prozent zugenommen und sich damit nahezu verdoppelt. Mit 23 132 Jobs oder rund zehn Prozent liegt er aber noch immer weit unter dem der Frauen, die es mit 76 987 Stellen in Stuttgart auf einen Teilzeitanteil von 40 Prozent bringen.