Andrea Berg bei jenem für einen glühenden Fan verhängnisvollen Konzert vor drei Jahren Foto: Gottfried Stoppel/Archiv

Ein gebürtiger Brite ist ein großer Fan der Schlagersängerin. Bei einem Konzert verletzte ihn das Feuerwerk am Auge. Er forderte Schmerzensgeld – und bekam jetzt, nach drei Jahren, vor dem Landgericht einen Vergleich angeboten, der ihn kaum zufriedenstellen dürfte.

Stuttgart/Aspach - Als Mister Brian R. Hicks vor acht Jahren aus dem britischen Yorkshire nach Düsseldorf zog, lernte er vor allem ein Kulturgut besonders zu schätzen: „Ich liebe deutschen Schlager“, sagt der 64-Jährige mit wirklich ernst gemeinter Begeisterung in der Stimme. Ganz besonders schloss der Mann Andrea Berg ins Herz. Um sie live zu erleben, nahm er auch am 19. Juli 2014 die Reise vom Rheinland in das schwäbische Aspach auf sich, wo die Schlagerkönigin jedes Jahr vor mehr als zehntausend Zuschauern im Stadion des Fußball-Drittligisten SG Sonnenhof-Großaspach ihr „Heimspiel“-Konzert zelebriert. Ein großartiges Erlebnis, wie Hicks auch heute noch anerkennend sagt – bis zu jenem Abschlussfeuerwerk, das ebenfalls traditionell am Ende der „Heimspiel“-Konzerte für die Fans an den Himmel gezaubert wird. Für Brian Hicks war es ein Erlebnis, das ihm nicht nur einige, wenn auch vorübergehende, Schmerzen bereitete, sondern auch die Einstellung zu seinem Star auf eine harte Probe gestellt hat.

Verbrennungen am Auge

Als er an jenem Abend gegen Mitternacht nach oben schaute, um das Feuerwerk zu bewundern, berichtet er rückblickend selbst, habe er plötzlich einen scharfen, heißen Gegenstand in seinem linken Auge gefühlt. Erst habe er versucht, ihn herauszureiben, doch dann sei er zu einer Krankenschwester des Roten Kreuzes gegangen, die ihm das Auge ausgewaschen und nebenbei erzählt habe, dass am Vorabend ein ähnlicher Vorfall passiert sei. Er sei daraufhin eine Woche lang krank geschrieben gewesen. Er habe Verbrennungen am Auge abbekommen, zum Glück keine bleibenden Schäden. Wahrscheinlich habe ihn seine Brille vor Schlimmerem bewahrt.

Hicks beschloss, den Veranstalter auf Schmerzensgeld zu verklagen, schließlich hätte dieser seiner Ansicht nach dafür sorgen müssen, dass das Feuerwerk gefahrlos abgebrannt würde. Er habe dies aus Prinzip getan, weil er sicher gewesen sei, dass sich die Gerechtigkeit durchsetze, oder, wie er es ausdrückt: „Good will beat evil“. Doch damit begann er einen juristischen Streit, der auch an diesem Donnerstag, nach drei Jahren also, vor dem Stuttgarter Landgericht noch keinen Abschluss gefunden hat.

Dort war die Andrea Berg Tournee und Promotion GmbH in die Berufung gegangen, weil diese im vergangenen Jahr vom Amtsgericht Backnang zur Zahlung von 2000 Euro zuzüglich Hotel- und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt worden war. Dem Urteil wie auch einem zuvor unterbreiteten Vergleichsangebot in Höhe von 1000 Euro hatte der Konzertveranstalter widersprochen – weil seines Erachtens nicht festgestellt worden sei, dass die Verletzung des Fans von dem Feuerwerk herrühre.

Richterin: Keinerlei Fakten für eine Pflichtverletzung

Zu einem ähnlichen Schluss ist nun auch die Fünfte Zivilkammer des Landgerichts gekommen. Es lägen keinerlei Fakten für eine Pflichtverletzung des Veranstalters vor, sagte die Vorsitzende Richterin Regine Heemann: „Wir können nicht sagen, was abgeschossen wurde, billiges chinesisches Zeug oder gute Qualität. Wir glauben Ihnen, dass Ihnen etwas ins Auge geflogen ist, aber wir wissen nicht, was es war“. Dies könne im Nachhinein höchstens ein Gutachter klären – dessen Einschätzung aber auch ein Risiko für den Kläger berge. „Von dem Sachverständigen hängt ab, wie der Prozess ausgeht – das ist total offen“, sagte die Richterin und empfahl, sich gütlich zu einigen.

Die „hohe Messlatte“, die das Gericht in Sachen Beweisführung aufgelegt habe, konnte wiederum der Rechtsanwalt von Brian Hicks, Jens Perske, nicht nachvollziehen. „Wo soll der Splitter sonst hergekommen sein – als Meteorit aus dem Weltraum gefallen?“, fragte Perske süffisant. Überhaupt sei die juristische Auseinandersetzung geradezu grotesk: „Wir streiten hier unter anderem über eine Augensalbe im Wert von sieben Euro und 89 Cent.“

Dennoch will sein Mandant über das vom Gericht gemachte und von der Gegenseite akzeptierte neuerliche Vergleichsangebot von genau 1127,50 Euro nachdenken. Zwar würde dieses bedeuten, dass er davon auch seine Anwaltskosten und die Hälfte der Gerichtskosten bestreiten müsste. Aber Brian Hicks sagt auch, dass er den anstrengenden und nervenaufreibenden Streit, dessen Ausmaß er nie erahnt hätte, gründlich leid sei.

Karte für nächstes „Heimspiel“-Konzert schon gekauft

„Wir wollen nicht, dass ein Fan enttäuscht wird“, sagte nach der Verhandlung hingegen Ralf Kitzberger, ein Berater des Berg-Managements. Seine Einladung an Brian Hicks für das nächste „Heimspiel“-Konzert in diesem Sommer kommt indes vermutlich zu spät. Er habe sich selbst schon längst eine Karte für das Event besorgt, sagte der 64-jährige Brite. Schließlich sei er nach wie vor ein großer Fan der Künstlerin – allerdings wisse er nach all dem „juristischen Schlamassel“, wie er sagt, nicht mehr, ob er da noch hingehen wolle. Bis in zwei Wochen muss er nun aber entscheiden, ob er den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich annimmt.