Ein Sturz vom Dach kann für einen Dachdecker das Ende seiner Karriere bedeuten - eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist Pflicht Foto: dpa

Berufsunfähigkeitsversicherungen werden ab 2015 teurer. Verbraucherschützer warnen aber vor übereilten Abschlüssen und geben Tipps, worauf man achten muss.

Hamburg/Mainz - Wer eine Versicherung gegen den Verlust der eigenen Arbeitskraft abschließen will, sollte auf der Hut sein. Ab 2015 wird der Schutz gegen Berufsunfähigkeit (BU) um bis zu sieben Prozent teurer. Interessenten sollten sich von der angekündigten Teuerungswelle jedoch nicht unter Druck setzen lassen, sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV). Wer eine gute BU-Police will, die im Ernstfall auch zahlt, müsse sich bei der Auswahl Zeit nehmen und vor allem unabhängig beraten lassen. Schnelle Verträge sind ihr Geld meist nicht wert.

„Wir gehen davon aus, dass Versicherungsvertreter in den kommenden Wochen verstärkt für Neuabschlüsse noch in diesem Jahr trommeln“, mahnt Boss zur Vorsicht. Die BU sei mit Prämien von bis zu 1.300 Euro im Jahr und mehr schon jetzt keine günstige Versicherung. Bald wird sie noch teurer. Nach einer Beispielrechnung des Finanzdienstleisters MLP muss ein 25-Jähriger, der 2015 eine eigenständige BU-Police unterschreibt, dann 6,7 Prozent mehr Prämie für eine Monatsrente von 1000 Euro zahlen bei einer Laufzeit bis zum 67. Lebensjahr. Ein 35-Jähriger muss mit einer Beitragssteigerung um 4,8 Prozent rechnen bei gleichen Vertragsbedingungen. Die Preissprünge zum Jahreswechsel sind eine Folge der zeitgleichen Absenkung des Garantiezinses für Lebensversicherungen auf 1,25 Prozent. Wegen der schlechteren Verzinsung sei es für die Versicherer schwieriger geworden, das im Ernstfall benötigte Finanzpolster aufzubauen, so MLP. Die Finanzierungslücke muss der Kunde übernehmen. Bestehende Policen sind aber nicht betroffen.

Etwa 16,9 Millionen Bürger haben vorgesorgt

Aktuell haben etwa 16,9 Millionen Bürger einen Schutz gegen den Verlust ihrer Arbeitskraft. „Eine BU wäre eigentlich dringend geboten für alle, die auf ihr Arbeitseinkommen angewiesen sind“, sagt Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Etwa jeder Vierte muss seinen Beruf aufgeben, weil die Gesundheit nicht mehr mitspielt. Hauptursachen sind psychische Erkrankungen, Krebs, Rücken- sowie Herz-Kreislauf-Leiden. Wer dann nicht mehr arbeiten kann, wird schnell zum Sozialfall. Nach dem 1. Januar 1961 Geborene bekommen allenfalls eine minimale staatliche Unterstützung durch die Erwerbsminderungsrente.

„Die Police ist existenziell“, sagt auch Boss vom Bund der Versicherten. Der Haken: Nicht jeder Vertrag bringt tatsächlich die nötige finanzielle Absicherung. Wer beim Versicherungsantrag Fehler macht, kriegt oft keinen Cent im Ernstfall. „Unter Anleitung von eifrigen Versicherungsvertretern, die Provision für den Abschluss bekommen, sollte niemand die wichtigen Gesundheitsfragen im Antrag ausfüllen, schon gar nicht in Eile“, sagt sie. Vergisst jemand zum Beispiel anzugeben, dass er Jahre zuvor wegen Rückenschmerzen oder Allergien in Behandlung war, kann ihn das wegen arglistiger Täuschung den kompletten Versicherungsschutz kosten.

Ruhe und Sorgfalt beim Ausfüllen oberstes Gebot

„Versicherer zicken zudem oft rum, wenn es ans Zahlen geht“, sagt Boss. Wahrheit, Ruhe und Sorgfalt beim Ausfüllen seien deshalb oberstes Gebot. „Antragsteller müssen teilweise bis zu zehn Jahre zurückgehen und alle Vorerkrankungen penibel auflisten, vom Klinikaufenthalt bis zur Bronchitis“, sagt Wortberg. Wer sichergehen will, sollte die Fragen mit Unterstützung seines Arztes beantworten. Bloß nichts überstürzen, nur um zu sparen.

„Das teuerste Angebot ist zudem nicht automatisch das beste“, sagt Verbraucherschützer Wortberg. Was zählt, sind die Bedingungen. Die Rente sollte bei mindestens 1000 Euro im Monat liegen, also spürbar über den staatlichen Sozialleistungen. Die Laufzeit sollte möglichst bis zum Ende des Berufslebens gehen, für die meisten heißt das bis zum 67. Geburtstag. Wer sich nur bis 65 oder 60 absichert, spart zwar viel Geld. Statt 847 Euro im Jahr zahlt ein 30-jähriger Industriemechaniker bei 1500 Euro Monatsrente von der HUK-Coburg zum Beispiel nur 725 Euro (bis 65) oder 489 Euro (bis 60). „Doch das sollte nur wählen, wer sicher ist, zu dem Zeitpunkt bereits wirtschaftlich abgesichert zu sein“, sagt die Expertin Boss.

Preisunterschiede betragen bis zu 300 Prozent

Grundsätzlich gilt: Nur junge, gesunde Menschen können sich günstig und zu guten Bedingungen absichern, Preissteigerungen hin oder her. Je älter die Kunden beim Einstieg sind, desto teurer wird es für sie: 40-Jährige Gesunde zahlen schon heute etwa 40 Prozent mehr als 30-Jährige. Die Kosten liegen dann etwa zwischen 900 und 1800 Euro im Jahr. Vergleichen lohnt. Die Preisunterschiede betragen bis zu 300 Prozent.

Auch Vorerkrankungen schlagen sich in der Prämie nieder. Wer zu viele Gesundheitsprobleme hat, wird gleich abgelehnt. Einige Berufsgruppen haben grundsätzlich Schwierigkeiten, einen Vertrag an Land zu ziehen. Dazu gehören vor allem Handwerker wie Dachdecker oder Maler, Reporter, Flugbegleiter, Friseure, Krankenschwestern oder Lastwagenfahrer. Ihr Risiko gilt als hoch, den Job weit vor Erreichen der Rente an den Nagel hängen zu müssen. Die Folge: keine Police oder höchstens eine teure mit Risikozuschlägen und magerem Schutz.

Deshalb sollte die BU am besten schon mit Beginn der Lehre oder des Studiums abgeschlossen werden. Je früher, desto günstiger. Kaufmännische Azubis müssen derzeit mindestens 35 Euro im Monat zahlen, Maler-lehrlinge etwa das Doppelte, je nach Anbieter und Einzelfall. Für Studenten geht es ab etwa 50 Euro los. Wortberg rät jungen Interessenten zu „Starter-Policen“. Sie bieten vollen Schutz für einen geringen Beitrag. Für junge Einsteiger ist die „Nachversicherungsgarantie“ wichtig. Damit lässt sich nach der Ausbildung – wenn das Einkommen steigt – die Rente ohne Gesundheitsprüfung erhöhen. Wird die BU mit einer Risikolebensversicherung kombiniert, ist sie ebenfalls billiger. Die angekündigten Preissteigerungen gelten für diese Verträge nicht.