Kultusministerin Marion Schick Foto: dpa

SPD und Grüne fordern im Landtag zusätzliche Klassen an den beruflichen Gymnasien.

Stuttgart - Das berufliche Gymnasium gilt als Erfolgsmodell. Doch nicht jeder Schüler, der nach der mittleren Reife dort Abitur machen möchte und den erforderlichen Notendurchschnitt hat, kann dies auch tun. SPD und Grüne fordern deshalb einen Rechtsanspruch für diese Schüler.

Es ist seit Jahren die gleiche Prozedur: Bei den beruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg gehen bis Anfang März Tausende von Bewerbungen ein. Doch vielen Schülern reicht auch ein Notendurchschnitt von 2,5 oder besser bei der mittleren Reife nicht für einen der begehrten Plätze - obwohl des Schulgesetz einen Durchschnitt von 3,0 oder besser in den Hauptfächern als Voraussetzung nennt. Im vergangenen Jahr wurden etwa ein Drittel der Bewerber abgelehnt. Für die rund 18.000 Plätze im nächsten Schuljahr haben sich knapp 27.000 Schüler beworben. SPD und Grüne haben deshalb am Mittwoch im Landtag zusätzliche Klassen für die beruflichen Schulen gefordert - und einen Rechtsanspruch für Schüler, die die Voraussetzungen erfüllen.

Kultusministerin Marion Schick (CDU) hält das Thema dagegen für überbewertet. "Meine Damen und Herren, haben Sie es verschlafen oder nicht mitbekommen? Wir haben hier in den letzten Jahren eminent viel getan", sagt sie. Im letzten Schuljahr seien 100 Lehrerdeputate geschaffen und 15 neue sozialwissenschaftliche Gymnasien eröffnet worden - allerdings mussten dafür an den jeweiligen Gymnasien andere Schwerpunkte gestrichen werden. Im nächsten Schuljahr kämen noch einmal 15 Standorte hinzu. Dass die Zahl der Bewerber so hoch sei, hänge auch mit Mehrfachbewerbungen zusammen, so Schick. "Nicht jeder, der sich irgendwo für irgendetwas bewirbt, will am Ende auch dorthin." Abgewiesene Schüler könnten auch am Berufskolleg die Fachhochschulreife machen und danach studieren. Zudem gebe es noch "Luft" an den beruflichen Gymnasien. Im vergangenen Jahr seien dort nur 93 Prozent der Kapazitäten ausgelastet gewesen. Im Klartext: Nicht alle Klassen hatten 32 Schüler - sei es, weil Schüler kurzfristig einen Platz nicht annahmen, eine Klasse wiederholten oder abgingen.

"Mein eigener Sohn hat das mitgemacht"

SPD und Grüne warfen der Landesregierung vor, sie werbe ständig damit, dass das Schulsystem durchlässig sei und es für jeden Schulabschluss einen Anschluss gebe - dies entspreche jedoch nicht der Realität. "Wenn der Wechsel im Kultusministerium mehr sein soll als der Wechsel von einem bildungspolitischen Griesgram zu einem netten Gesicht, dann müssen Sie schönen Worten auch Taten folgen lassen", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Claus Schmiedel. Mit der jetzigen Regelung würden viele Realschüler, Werkrealschüler und Fachschüler gegenüber den Gymnasiasten benachteiligt, weil ihnen der Weg zum Abitur verbaut werde.

Trotz des leichten Ausbaus im vergangenen Jahr habe sich die Situation "überhaupt nicht entspannt", sagte der Grünen-Abgeordnete Siegfried Lehmann. Dabei seien gerade die beruflichen Gymnasien wichtig, um den Bedarf an Ingenieuren zu decken. "Es ist nicht zu verstehen, dass man jungen Menschen Ausbildungsmöglichkeiten versperrt, die Zukunftschancen bieten könnten."

Alle jungen Menschen, die eine entsprechende Befähigung haben, müssten einen Platz an einem beruflichen Gymnasium erhalten, forderte auch die FDP-Abgeordnete Heiderose Berroth. Sie könne gut nachvollziehen, wie sich Eltern und Schüler fühlten, die fast ein halbes Jahr warten müssten, bis sie wissen, ob der Wechsel zum beruflichen Gymnasium klappt. "Mein eigener Sohn hat das mitgemacht." Einen Rechtsanspruch lehnt sie allerdings ab. Die CDU-Abgeordnete Andrea Krueger hingegen sieht wenig Handlungsbedarf. Zwar sei es richtig, dass nur 60 bis 70 Prozent der Bewerber an die beruflichen Gymnasien übrigblieben. "Aber woher wollen Sie denn wissen, dass die anderen rund 30 Prozent die duale Ausbildung nur als zweite Wahl empfinden?", fragte sie in Richtung Opposition.

Die Lehrerverbände dagegen halten die Situation ebenfalls für problematisch. "Wir gehen von einem Rückgang der Ausbildungsplätze im dualen System um zehn Prozent aus, so dass mehr Schüler zum nächsten Schuljahr an die Vollzeitschulen drängen", sagte Waldemar Futter, Vorsitzender der Berufsschullehrerverbände. Damit jeder ernsthafte Bewerber auf ein berufliches Gymnasium wechseln könne, müssten 100 zusätzliche Klassen eingerichtet werden. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft verlangt ein Sofortprogramm: "Wir erwarten von Kultusministerin Marion Schick, dass sie ihre Versprechen einlöst und durch zusätzliche Klassen an den beruflichen Gymnasien den Absolventen der Realschulen einen Schulplatz anbietet", so Landeschefin Doro Moritz.