Frauen können durch Berührungen geliebter Menschen entspannen, Männer nicht. Foto: imago/David Munoz

Wenn einem alles zu viel wird, mindern Zärtlichkeiten der Liebsten den Stress. Das gilt aber nur für Frauen. Zu tun hat das mit der Evolution, so Psychologen. Aber warum?

Für den italienischen Philosophen Luciano De Crescenzo stand fest: „Jeder von uns ist ein Engel mit nur einem Flügel. Und wir können nur fliegen, wenn wir uns umarmen.“ Eine aktuelle Studie bestätigt nun, dass eine Umarmung uns tatsächlich Halt in belastenden Situationen geben kann. Doch offenbar gilt das nur für Frauen.

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Für die Untersuchung hat ein Forscherteam um Julian Packheiser von der Universität Bochum 38 Liebespaare unter Stress gesetzt: Sie wurden aufgefordert, ihren Arm möglichst lange in eiskaltes Wasser zu tauchen und dabei noch in ein Kameraobjektiv zu schauen. Zuvor durfte sich aber die eine Hälfte der Paare für maximal 20 Sekunden umarmen, während die andere Hälfte ohne diese Interaktion auskommen musste. Der Stresslevel der Probanden wurde durch eine Speichelprobe ermittelt, die auf das Stresshormon Cortisol untersucht wurde.

Es zeigte sich, dass bei den Frauen der Cortisolspiegel deutlich weniger anstieg, wenn sie sich zuvor mit ihrem Partner umarmt hatten. „Bei den Männern fanden wir hingegen keine Hinweise darauf, dass sie von einer kurzen Umarmung als Stresspuffer profitieren würden“, so die Forscher.

Frauen reagieren stärker auf Berührung

Doch warum wirkt sich das Kuscheln nur auf Frauen so positiv aus? Die Überlegung, dass die Männer in ihrer Beziehung vielleicht nicht ganz so glücklich sind – und daher die Umarmung als weniger beruhigend empfinden –, konnten die Forscher aus Bochum ausschließen: Sie hatten vor dem Eiswasser-Test per Fragebogen ermittelt, dass ihre Probanden ähnlich glücklich in ihrer Partnerschaft waren. Aus dieser Richtung ließ sich also keine Erklärung finden, mit der man die geschlechtsspezifische Stressdämpfung beim Umarmen hätte erklären können.

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Es muss wohl mit körperlichen Unterschieden zusammenhängen: So ist bekannt, dass Frauen bei Körperkontakt zu einem geliebten Menschen mehr Oxytocin ausschüttet. Und diese gerne als „Kuschelhormon“ bezeichnete Substanz sorgt nicht nur für intensive Zärtlichkeitsgefühle, sondern auch für eine geringere Cortisolausschüttung aus den Nebennieren.

Sensibilität hat evolutionäre Gründe

Doch so naheliegend dieser Erklärungsansatz auch ist: Warum bilden Frauen eigentlich bei körperlichen Zärtlichkeiten mehr Oxytocin? Valentina Russo von der Sapienza Universität Rom hat die wissenschaftliche Datenlage zu diesem Thema ausgewertet. Nach dieser gibt es gute evolutionäre Gründe für das Phänomen. „Mütter sind in der Beziehung zu ihren Säuglingen in besonderem Maße darauf angewiesen, auch subtilere Berührungen richtig deuten zu können“, erklärt die Psychologin. Und das habe vermutlich dazu geführt, dass sie „generell empfänglicher für eine Kommunikation über Körperkontakte“ sind.

Männer sollten trotzdem umarmen

Bei Frauen dämpfen Umarmungen also den Stress, weil die Evolution sie als potenzielle Mütter mit mehr Sensibilität für Hautkontakte ausgestattet hat. Der Mann hingegen ist in dieser Hinsicht eher ein Analphabet. Das sollte aber nicht bedeuten, dass Männer ihre Partnerinnen in stressigen Zeiten nicht mehr umarmen müssen. Im Gegenteil: Denn immerhin werden Frauen dadurch ruhiger – und so können Männer auch etwas tun, das nur Frauen guttut.