Dieses Foto entstand ungefähr 1935 und zeigt die Prämierung beim Bernhäuser Pferdemarkt. Foto: Stadtarchiv Filderstadt

Der Pferdemarkt in Bernhausen hat bereits viele Höhen und Tiefen erlebt. Der Filderstädter Stadtarchivar Nikolaus Back kennt die Historie.

Endlich, nach zwei Jahren Coronapause, findet am Wochenende, 4. und 5. März, in Bernhausen wieder der Pferdemarkt statt. Und nicht nur das, laut offizieller Zählung ist es das 100. Mal und damit ein Jubiläum. Heutzutage ist der Pferdemarkt freilich ein Event. Die schönen Tiere, der Sport und Geselligkeit stehen im Vordergrund. In den Anfangsjahren war das aber freilich ganz anders. Nikolaus Back, der Filderstädter Stadtarchivar, hat die Geschichte recherchiert.

Anfang der 1920er Jahre haben etwa 50 Prozent der Bevölkerung in Bernhausen von der Landwirtschaft gelebt. Pferde spielten dabei als Zugtiere eine wichtige Rolle. „Bei der Gründung des Pferdemarktes ging es in erster Linie um die Förderung der Landwirtschaft“, sagt Back. Nur war die gar nicht so leicht umzusetzen, denn der Staat musste solche Veranstaltungen genehmigen. Und es gab Widersacher. Andere Städte in der Region mit eigenen Pferdemärkten, so zum Beispiel auch Stuttgart, wollten keine Konkurrenz. „Doch die Landwirtschaftliche Schule in Hohenheim hat sich für Bernhausen eingesetzt. Da gab es wohl Verbindungen“, sagt der Archivar. Zudem sei in Bernhausen schon früher mit Pferden gehandelt worden. Und bereits seit 1872 habe dort ein Vieh-, Schweine- und Krämermarkt existiert. „Es gab also schon eine gewisse Tradition, weshalb der Pferdemarkt genehmigt wurde.“

Einer der höchsten weltlichen Feiertage

Bernhausen war damals ein Dorf mit gerade einmal rund 2300 Einwohnern. Doch der Ort lag günstig an einer Bahnlinie. Und so war der Pferdemarkt von Anfang an ein Erfolg. „Es war in Bernhausen einer der höchsten weltlichen Feiertage. Viele Einwohner nahmen Urlaub, die Schulen gaben frei, die Gasthäuser waren voll“, heißt es auf der Internetseite des Fördervereins zur Erhaltung des Bernhäuser Pferdemarktes. „Insgesamt war der Pferdemarkt eine Aufwertung für Bernhausen. Heute würde man von Stadtmarketing sprechen. Aber der Pferdehandel stand damals schon im Mittelpunkt“, ergänzt Back.

Im Jahr 1924 wurden zum ersten Mal Pferde prämiert. „So sollte ein Anreiz geschaffen werden, hochwertige Tiere zu bringen“, erklärt der Stadtarchivar. Vor Kurzem hat er eine Originalurkunde aus diesem Jahr in die Finger bekommen. „Es ist das älteste Dokument, das wir zum Pferdemarkt haben“, sagt Back nicht ohne Stolz. Insgesamt gebe es leider nur wenige Fotos von der Veranstaltung in ihren Anfangsjahren.

In der NS-Zeit war es eine Propagandaveranstaltung

Dass der Pferdemarkt in Bernhausen ein Erfolg wurde, war keine Selbstverständlichkeit. Man könne schon die Frage stellen, ob die Gründung eines Pferdemarktes in den 1920er Jahren noch zeitgemäß gewesen sei, sagt Back, denn der Traktor war bereits erfunden. „Es gab zu dieser Zeit aber nur wenige, und viele konnten sich nicht vorstellen, dass diese mal massenhaft als Zugmaschine zum Einsatz kommen würden“, erklärt Back.

Die Herrschaft der Nationalsozialisten war – auch was den Pferdemarkt betrifft – ein dunkles Kapitel in der Geschichte. „Jüdische Pferde- und Viehhändler wurden verdrängt und durften ab 1935 nicht mehr kommen. Auf dem Pferdemarkt, so er stattfand, gab es viel Propaganda, so ist zum Beispiel auch die Reiter-SA aufgetreten“, hat der Stadtarchivar recherchiert.

In den 1960ern muss sich der Pferdemarkt neu erfinden

Nach dem Zweiten Weltkrieg wagten die Menschen in Bernhausen einen Neuanfang und legten den Fokus wieder auf die Landwirtschaft. 1949 stellte der Landwirtschaftliche Ortsverein auf dem Markt nicht nur Pferde aus, sondern auch landwirtschaftliche Maschinen. Sie gingen also mit der Zeit, um den Markt attraktiv zu halten. Denn die Traktoren übernahmen zunehmend die Arbeit der Pferde auf den Feldern. Anfang der 1960er Jahre spielte der Pferdehandel auf den Fildern kaum noch eine Rolle. Damit musste sich der Pferdemarkt neu erfinden, und man konzentrierte sich auf den Reitsport und Kutschengespanne. 1963 wurde der Reit- und Fahrverein gegründet, 1964 gab es auf dem Bernhäuser Pferdemarkt erstmals Reitvorführungen. Doch auch der Landwirtschaftliche Ortsverein hielt der Veranstaltung weiterhin die Treue.

Auch in den jüngeren Jahren erlebte der Pferdemarkt immer wieder Höhen und Tiefen. Nach der Jahrtausendwende gab es verschiedene Sparrunden in der Filderstädter Verwaltung, die auch den Pferdemarkt gefährdeten. Es gab Überlegungen, ihn zumindest nur noch alle zwei Jahre stattfinden zu lassen. Um das zu verhindern, gründete sich 2004 der Förderverein zur Erhaltung des Bernhäuser Pferdemarktes. Doch die Besucherzahlen sanken weiter. Um den Markt wieder attraktiver zu machen, findet er seit 2009 nicht mehr am Sonntag und Montag, sondern am Samstag und Sonntag statt.

Seitdem gibt es auch das beliebte Schaufahren mit Kaltblutpferden im Ortskern, und die Siegerehrungen für die Zuchtstuten finden an der Volmarstraße statt. „Das alles ist dem Pferdemarkt zugutegekommen. Er ist und bleibt eine Attraktion“, so das Fazit des Stadtarchivars Nikolaus Back.

Die Vereine hinter dem Pferdemarkt

Förderverein
Das Ziel des 2004 gegründeten Förderverein zur Erhaltung des Bernhäuser Pferdemarktes ist es, die finanziellen Mittel zu organisieren, damit der Pferdemarkt weiterhin jedes Jahr stattfinden kann. In den Jahren 2005 bis 2012 wurden vom Verein etwa 40 000 Euro aufgebracht, davon in den Jahren 2009 bis 2012 alleine 8800 Euro für die Aktivitäten im Ortskern wie das Schaufahren und die Siegerehrungen.

Reitverein
In einer Zeit, in der das Pferd aus der Landwirtschaft verdrängt wurde, besannen sich Pferdefreunden darauf, ihre tierischen Arbeitskameraden in ihr Freizeit einzubinden. Man genoss den sonntäglichen Ausritt und nahm mit der Kutsche an Festzügen teil. So entstand die Idee, einen eigenen Verein zu gründen, welche am 28. August 1963 im Gasthaus „Zur Linde“ in Bernhausen in die Tat umgesetzt wurde. Am 2. März 1964 folgte der erste öffentliche Auftritt des Vereins anlässlich des Bernhäuser Pferdemarkts.