Der neue Berliner Flughafen bleibt eine Baustelle. Die Probleme mit der Sicherheitstechnik sind bis heute nicht völlig beseitigt Foto: dpa

Der Hauptstadt-Airport soll frühestens im Herbst 2020 in Betrieb gehen. An diesem Freitag tagt dazu der Aufsichtsrat der Berliner Flughafengesellschaft. Es gibt noch immer viele Technikprobleme – und die Kosten laufen weiter aus dem Ruder.

Berlin - A

m besten abreißen und neu bauen – das empfahlen einige Fachleute, als im Frühjahr 2012 die Hightech-Nation Deutschland eine ihrer größten Blamagen erlebte. Die stolz angekündigte Eröffnung des neuen Hauptstadt-Flughafens BER, zu der bereits Tausende Einladungen verschickt worden waren, musste wegen schwerer Brandschutzmängel im Hauptgebäude abgesagt werden. Die Nachricht ging um die Welt, löste Spott und Kopfschütteln aus.

Mittlerweile sind mehr als 2000 Tage seit dem geplanten Starttermin am 3. Juni 2012 vergangen. Doch die Probleme mit der Sicherheitstechnik im BER-Terminal sind bis heute nicht völlig beseitigt. Nach einem aktuellen Tüv-Bericht, der dem Berliner „Tagesspiegel“ zugespielt wurde, gibt es noch immer zahlreiche Mängel, die eine Abnahme durch die Bauaufsicht ausschließen. An deren Nein war schon vor gut fünf Jahren die Eröffnung gescheitert.

Viele Manager sind bereits gescheitert

Inzwischen ist viel Wasser die Spree hinuntergeflossen – und fast ein halbes Dutzend Manager wie der Ex-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn haben versucht, die vielen Probleme in den Griff zu bekommen. Auch Mehdorn wurde bald wieder abgelöst. Seit dem Frühjahr ist der vormalige Berliner Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup der sechste BER-Chef seit der geplatzten Eröffnung. Er soll den Neustart endlich hinbekommen.Ob das gelingt, ist weiterhin offen. Der neue Zeitplan jedenfalls gilt als sportlich. An diesem Freitag will Lütke Daldrup seine Marschroute offiziell in Berlin dem Aufsichtsrat der staatlichen Flughafenholding FBB vorstellen, die den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Bund gehört. Die wichtigsten Punkte sind jedoch schon bekannt geworden, nachdem der BER-Chef die Regierungschefs beider Länder, Michael Müller und Dietmar Woidke (beide SPD), vertraulich informiert hat.

Demnach soll der BER nun möglichst im Herbst 2020 mit dem Wechsel vom Sommer- zum Winterflugplan in Betrieb gehen. Bis dahin sollen die Brandschutzprobleme im Hauptterminal von den zuständigen Firmen Siemens und Bosch endlich beseitigt sein. Im Terminal können bis zu 22 Millionen Passagiere pro Jahr abgewickelt werden. Wegen des Billigflieger-Booms reicht das vor zwei Jahrzehnten konzipierte Gebäude indes längst nicht mehr aus. Schon voriges Jahr zählte Berlin knapp 33 Millionen Passagiere an seinen beiden Airports Tegel und Schönefeld. Weiteres Wachstum wird mittelfristig trotz der Pleite von Air Berlin erwartet, die auch den Flughafenstrategen einen mächtigen Dämpfer versetzte.

Der Brandschutz bleibt das größte Risiko

Der 61-jährige Lütke Daldrup will die Kapazitätsprobleme mit einem Masterplan bewältigen, der den stufenweisen Ausbau des BER bis 2040 auf bis zu 55 Millionen Passagiere vorsieht. Bis weitere Abfertigungsgebäude errichtet sind, soll zunächst der frühere DDR-Flughafen Schönefeld (SXF) bis wenigstens 2025 weiterlaufen, der mindestens zwölf Millionen Passagiere schafft.

Zunächst geht es aber darum, endlich die Abnahme des 220 Meter langen, 180 Meter breiten und 32 Meter hohen Hauptterminals zu sichern. Mehr als 140 Planungsbüros waren an diesem Großprojekt beteiligt. Dennoch oder gerade deswegen ist das Gebäude zum Mahnmal für ein totales Versagen geworden. Hunderte Planungs- und Baufehler sowie technische Mängel sind in den internen Unterlagen zu finden.

Das größte Risiko für den neuen Starttermin bleibt der Brandschutz. Hier schaut die Bauaufsicht seit der Brandkatastrophe im Düsseldorfer Flughafen 1996 zu Recht noch genauer hin. Damals starben 17 Menschen, und mehr als 80 Personen wurden verletzt. Der BER hat eine besonders komplexe Sicherheitstechnik, mit der viele Hundert Brandschutztüren, Sprinkleranlagen und Rauchabzüge bei Ausbruch eines Feuers, bei einer Explosion oder einem Terroranschlag gesteuert werden sollen.

Bis heute funktionieren die Systeme nicht zuverlässig

Das Problem: Bis heute funktionieren die Systeme nicht zuverlässig, trotz zahlreicher teurer und aufwendiger Umbauten in dem Riesengebäude. Insider hatten schon 2012 gewarnt, dass ein Neubau womöglich schneller ginge und billiger wäre als die Sanierung der völlig verkorksten Anlagen. Die bis heute mit der Sicherheitstechnik beauftragten Konzerne Bosch und Siemens haben sich beim BER jedenfalls auch nicht mit Ruhm bekleckert.Vertreter beider Konzerne beteuerten aber am Mittwoch bei einer Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus, die komplexen Anlagen inzwischen im Griff zu haben. 90 Prozent der Gebäudeautomatisierung seien fertig. Solche Aussagen gab es schon viele, darauf wollen Politiker und Aufsichtsräte kaum noch vertrauen. Immer lauter wird daher der Ruf nach einem Plan B, falls die abschließenden Tests aller Systeme und die Abnahme des Terminals 2019 erneut scheitern sollten.

Vorschlag: BER soll stufenweise in Betrieb gehen

So schlägt der Verkehrsexperte und Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, vor, den BER stufenweise in Betrieb zu nehmen und dafür preisgünstige Billig-Abfertigungshallen zu bauen. Tatsächlich wäre das längst eine Option gewesen. Auch am Airport Tegel, der eigentlich schon 2012 geschlossen werden sollte und wegen der BER-Pleite immer noch in Betrieb ist, wurden rasch zusätzliche Gebäude errichtet, um die Engpässe zu beseitigen, ebenso beim SFX in Schönefeld.

Doch bei den Flughafen-Strategen stößt Hofreiters Vorschlag bisher auf wenig Begeisterung. Dennoch wird in der Aufsichtsratssitzung an diesem Freitag eine Debatte zu einem Plan B erwartet, Ausgang offen. Die Stimmung im Gremium ist ohnehin angespannt. Denn die Kosten des BER haben sich inzwischen von 2,5 Milliarden auf 6,6 Milliarden Euro fast verdreifacht. Jeder weitere Monat des Stillstands kostet dem Vernehmen nach bis zu 13 Millionen Euro. Für den Bund und die beiden Länder – und damit die Steuerzahler – bleibt der Hauptstadt-Airport damit ein Milliardengrab.