Lars Eidinger am Samstag in Berlin Foto: dpa/Michael Kappeler

In dem absurden KZ-Drama „Persian Lessons“ spielt Lars Eidinger einen SS-Mann, der Farsi lernen möchte. Bei der Berlinale-Pressekonferenz zum Film übermannten den Schauspieler die Gefühle.

Berlin - „Darüber müsste ich wahrscheinlich mit meinen Analytiker sprechen“, antwortet am Samstag bei er Berlinale der Schauspieler Lars Eidinger auf die Frage, wie er das alles schafft: Er steht ständig auf der Theaterbühne und ist beim Festival in gleich zwei Filmen zu sehen. „Ich frage mich auch, wieso ich so einen Schaffensdrang habe, jeden Tag sagen Leute zu mir: Mach mal ein bisschen weniger! Ich höre, ich wäre omnipräsent, aber ich denke in solchen Kategorien gar nicht. Was soll ich denn machen, wenn ich nichts mache, im Kaffee sitzen und Zeitung lesen? Ich schaffe lieber, teile etwas mit einem Publikum, das ist einfach lustvoll für mich, ich will kreativ sein.“ Und dann kommen Lars Eidinger die Tränen: „Ich finde, unsere Gesellschaft ist so dermaßen vergiftet, was Hass und Missgunst angeht“, sagt er mit brechender Stimme. Er versuche, Liebe in die Welt zu tragen, und bekomme dafür Hass als Antwort.

Das ist einen längeren Applaus wert, genau wie Eidingers Leistung in dem satirischen Weltkriegsdrama „Persian Lessons, das am Samstag in der Reihe Berlinale Special zu sehen war. Viele Filme spielen in deutschen Konzentrationslagern, doch Vadim Perelman hat einen eigenen Blickwinkel gefunden. Die absurde Prämisse beruht auf einer wahren, von Wolfgang Kohlhaase ausformulierten Geschichte: Ein jüdischer Gefangener gibt sich als Perser aus und ein Hauptsturmführer weist ihn an, ihn in Farsi zu unterrichten, denn er möchte nach dem Krieg in Teheran, wo sein Bruder lebt, ein Restaurant eröffnen. Der Gefangene kann kein Farsi und erfindet nach und nach eine Sprache, in der sich die beide am Ende tatsächlich unterhalten.

Unter den Nazis menschelt es

Zwei Aspekte machen den Film sehr sehenswert. Erstens die Schauspielkunst der Protagonisten: Lars Eidinger sind die inneren Kämpfe ins Gesicht geschrieben, die in dem neurotischen SS-Sonderling Koch toben, der Argentinier Nahuel Pérez Biscayart verkörpert in Mimik und Gesten den ganzen Schmerz der Vernichtung als permanenter unter Todesangst stehender Gefangener, der sich trotzdem einen feinen rebellischen Unterton leistet. “Koch kann sich in dieser fremden Sprache so ausdrücken, wie er es auf Deutsch nie könnte“, sagt Perelman bei der Pressekonferenz. „Er schreibt sogar ein Gedicht. Außerdem brauchte er einen Freund, das nist schon auch Selbsttäuschung im Spiel, Koch ist ja nicht dumm.“

Zweitens ist da die Interaktion der deutschen Wärterinnen und Wärter, die – typisch Nazis – einander misstrauen, piesacken und denunzieren. „Oft wirken die Nazis in Filmen wie Roboter, die nur herumschreien und nichts tun, was menschlich ist“, sagt Perelman. „Ich gebe ihnen Liebe, Eifersucht, Angst, ich vermenschliche sie, ohne ihre Taten zu relativieren. Damit kann sich das Publikum identifizieren und sagen: Das hätte ich sein können. Das macht es viel schwerer, es als Anomalie nicht ans ich heranzulassen – so etwas kann jederzeit in jedem Land passieren.“

Gegenseitige Wertschätzung

Das sieht Eidinger auch so: Man merkt ja, wie schnell die Gefahr droht, dass Geschichte sich wiederholen kann“, sagt er. „Und ich kann nicht behaupten, ich hätte keine Schuld, ich kann mich davon nicht freimachen.“ Es sei für ihn seltsam, wenn Deutsche sagten, sie hätten mit den Nazi-Verbrechen nichts mehr zu tun. „Ich bin als Deutscher bis heute hochgradig traumatisiert. Ich habe ein Interesse daran, dieses Trauma zu verarbeiten und freue mich, wenn ich die Möglichkeit habe, es mit so einem Film zu tun auf so eine komplexe Art und Weise, wo ich mich dem stelle.“

Ohne Lobhudelei drücken Eidinger und Biscayart einander gegenseitige Wertschätzung aus. „Glaubwürdigkeit ist der größte Triumph des Künstlers“, sagt Eidinger. „Wenn das ein Miteinander ist und man sich gegenseitig glaubt, ist das einer der schönsten und intimsten Momente, die man als Mensch teilen kann.“ Und das ist schon mal ein paar Tränen wert.