Von der Heimat-Uni an eine britische Hochschule wechseln? Der Brexit bedroht diesen Austausch. Foto: dpa

Bei Studenten aus Baden-Württemberg stehen Studienaufenthalte und Praktika in Großbritannien bisher hoch im Kurs. Der Brexit droht die populären Austauschwege zu versperren. Die FDP fordert deshalb mehr Kompromissbereitschaft von der Bundesregierung.

Berlin - Der Brexit droht gerade baden-württembergischen Studenten ihre Lust auf einen Tapetenwechsel während des Studiums zu verhageln. Denn die Studierenden aus dem Südwesten liegen nach Angaben der Bundesregierung bisher ganz vorn, wenn es um einen Auslandsaufenthalt in „good old Britain“ geht. Demnach kamen 2015 von 4889 deutschen Studenten, die ein über das europäische Erasmusprogramm gefördertes Auslandssemester an einer britischen Hochschule gemacht haben, 1065 aus dem Südwesten. Das ist mit 21,8 Prozent der Löwenanteil; auf Platz zwei liegt Bayern mit einem Anteil von 17,1 Prozent. Hinzu kommen die Studierenden, die im Vereinten Königreich ein Praktikum absolviert haben. Das waren 1721 aus ganz Deutschland. 302 stammen aus dem Ländle (17,5 Prozent) – nur aus Bayern (307) und Nordrhein-Westfalen (334) zieht es noch mehr Praktikanten über den Kanal. Jüngere Zahlen gibt es laut Bundesregierung nicht.

Berlin pocht auf Prinzipientreue

Die FDP-Bundestagsfraktion, die eine Anfrage zu dem Thema gestellt hat, sieht diesen regen Austausch nun durch den Brexit bedroht – und durch die Regierung in Berlin. Der Grund: Die Bundesregierung legt sich in der Antwort auf die Kleine Anfrage nicht fest, wie der Austritt von Großbritannien aus der EU sich auf den Studentenaustausch auswirken wird. „Der zukünftige Status des Vereinigten Königreichs im Erasmus+-Programm hängt vom Ausgang der Brexit-Verhandlungen ab“, teilt das Wissenschaftsministerium mit. Grundsätzlich würden dabei die von der EU gesetzten Regeln für Drittstaaten gelten. Damit bekräftigt die Bundesregierung ihre Generallinie für die Brexit-Gespräche, wonach es beim Abschied von der EU keine Rosinenpickerei der Briten geben dürfe.

Beim jüngsten Europäischen Rat in Salzburg hat die Kanzlerin in Bezug auf die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien noch einmal deutlich die Einigkeit innerhalb der EU bekräftigt, „dass es in Sachen Binnenmarkt keine Kompromisse geben kann“.

In Bezug auf den Studentenaustausch halten die Liberalen diese Haltung für verfehlt. „Der Bundesregierung ist das Schicksal der deutsch-britischen Bildungsmobilität offensichtlich völlig egal. Sie setzt den Austausch junger Europäer fahrlässig aufs Spiel“, kritisiert der baden-württembergische FDP-Abgeordnete Jens Brandenburg. Der liberale Bildungspolitiker verweist darauf, dass drei Viertel der jungen Briten beim Referendum gegen den Brexit gestimmt haben. Deshalb fordert er die Regierung in Berlin zu größerer Kompromissbereitschaft gegenüber London auf. „Das Vereinigte Königreich muss auch nach dem Brexit Erasmus-Programmland bleiben“, fordert Brandenburg im Gespräch mit unserer Zeitung.

Konstantin Kuhle, Europapolitiker der FDP, gibt ihm recht. „Die Europäische Union sollte nicht vergessen, dass sich viele und insbesondere junge Menschen im Vereinigten Königreich der EU nahe fühlen. Für sie steht zu hoffen, dass es nicht zu einem ungeordneten Ausscheiden des Landes aus der EU kommt.“

Junge Briten finden Studium in Europa nicht ganz so attraktiv

Allerdings ist die Reisetätigkeit der jungen Briten in die umgekehrte Richtung nicht ganz so ausgeprägt: 2015 machten nur 10 087 britische Studenten ein Auslandssemester in Europa – davon waren 1695 in Deutschland und 260 in Baden-Württemberg. Zum Vergleich: Im gleichen Jahr zog es 37 281 deutsche Studierende für ein Semester an eine Hochschule in der EU.