Bergsteigerinnen unter sich (von links): Heidi Sand, Billi Bierling und Alix von Melle. Foto:  

Heidi Sand aus Sonnenberg hat mit dem Makalu ihren dritten Achttausender bestiegen und damit Geschichte geschrieben. Als erste Frau aus Deutschland stand sie auf dem Gipfel des Makalu.

Sonnenberg - Klagen über die derzeit herrschende Hitze? Das käme Heidi Sand nicht in den Sinn. Sie ist ganz froh um die wärmenden Strahlen der Sonne. Es ist noch gar nicht so lange her, da stand sie bei minus 25 Grad auf dem Gipfel des 8485 Meter hohen Makalu. „Das war so was von kalt“, erzählt Sand. Beim Aufstieg hatte der leichte Wind noch zugenommen. Eigentlich wollte sie auf der Spitze ein Bild mit sich und der Familienflagge machen, die Heidi Sand, ihren Mann und die drei Kinder zeigt. „Es war aber so kalt, dass ich es nicht geschafft habe, die Kamera herauszuholen. Ich wollte nur schnell wieder runter“, sagt die 47-Jährige.

Acht Wochen war Heidi Sand weg. Zuerst galt es, sich an die Höhe mit mehreren Akklimatisierungsrunden zu gewöhnen. Mit diesen Auf- und Ab-Touren mit Ruhephasen hat Sand am Basiscamp des Mount Everest in 5364 Meter Höhe begonnen. „Das war von der Logistik her geschickter“, sagt Sand. Anschließend ging es weiter ins wesentlich kleinere Basiscamp des Makalu.

Der Makalu- eine ganz andere Hausnummer

„Wir hatten oft schlechtes Wetter, der Wetterbericht hat eigentlich nie so richtig gestimmt“, erzählt die Bergsteigerin, die auch schon auf dem Gipfel des Mount Everest (8848 Meter) und des Cho Oyu (8188 Meter) stand. Als Heidi Sand vor Ort war, ist ein Franzose gestorben. „Das schlägt einem schon aufs Gemüt“, sagt die freischaffende Künstlerin. Der Makalu sei auch eine „ganz andere Hausnummer“: „Er ist technisch sehr, sehr anspruchsvoll, sehr vergletschert und nicht so gut abgesichert.“

Klar war auch, nur bei sicheren Wetterverhältnissen war an einen Aufstieg zu denken. Das hieß vor allem eines: warten, warten, warten. „Ich hatte einen richtigen Zeltkoller“, sagt Heidi Sand. Schließlich hielt sich die Bergsteigerin dort meist auf, andere Möglichkeiten gab es kaum. Zumal neben dem Camp Lawinengefahr drohte. Sand vertrieb sich mit Schach, essen, Ausrüstung kontrollieren, Hörbüchern und lesen die Zeit. „Ich habe auch gelernt, wie man Schafkopf spielt“, sagt die Sonnenbergerin. Nach sieben Wochen habe sie aber „alle Bücher“ gelesen und jedes Hörbuch zweimal angehört.

Mit ihr waren zwei weitere Frauen im Basiscamp: Billi Bierling und Alix von Melle, zwei erfahrene Bergsteigerinnen. „Das war wirklich sehr, sehr nett“, sagt Heidi über ihre Mitstreiterinnen. Billi Bierling stand genau wie Sand auf dem Gipfel, erreichte ihn aber erst zwei Stunden später. Geschichte haben beide geschrieben. Sie waren die beiden ersten deutschen Frauen auf der Spitze des Makalu. Das zumindest besagt die von der US-amerikanischen Journalistin Liz Hawley seit den 60er-Jahren akribisch geführte Himalayan Database. Bierling ist die Assistentin der Chronistin. Insgesamt waren 370 Bergsteiger auf dem Makalu, darunter 21 Frauen.

Erst beim Abstieg ging die Sonne auf

Um 4.15 Uhr stand Sand auf dem Gipfel des Bergriesen. „Es war wieder einmal dunkel“, sagt die Bergsteigerin lachend. Auch bei ihren anderen Gipfelstürmen war ihr das Wetter ganz oben nicht immer hold. Erst beim Abstieg vom Makalu ging dann die Sonne auf. Um 7 Uhr war die Extremkletterin wieder im sogenannten Lager 4, das sich in einer Höhe von 7600 Metern befindet. Dort hat Sand alles zusammengepackt, Wasser geschmolzen und sich eine halbe Stunden kurz ausgeruht und sich dann sofort an den weiteren Abstieg gemacht. Um 22 Uhr war sie zum Gipfelsturm aufgebrochen, um 15 Uhr am nächsten Tag kam sie im Basiscamp an. „Gerade beim Abstieg muss man natürlich sehr, sehr aufpassen“, sagt Sand. Und ergänzt: „Ich wollte einfach heim .“

Im Basiscamp schlief sie dann erst einmal 15 Stunden durch. „Da kommt man dann völlig entkräftet an, hat einen tierischen Hunger, kann aber gar nicht viel essen“, erzählt die Bergsteigerin. Eigentlich wollte sie danach gleich weiter zum Flughafen in Lukla, doch als sie das Zelt öffnete, folgte eine böse Überraschung: Es hatte einen Meter Neuschnee hingelegt. An einen Flug war nicht zu denken. Vier Tage hieß es nun abermals warten: „Die Stimmung war sehr gereizt, jeder wollte raus“, sagt Sand. Als es dann endlich grünes Licht gab, nahm die Sonnenbergerin von Kathmandu aus gleich den ersten Flieger in Richtung Heimat: „Ich wollte einfach nach Hause und hatte schon ein wenig Heimweh.“ Zumal die Kommunaktion mit der Familie zuvor nur über Satellitentelefon möglich war. „Das war spannender als ein Krimi“, hat ihr Mann Arne das Ganze kommentiert.

Mittlerweile hat sich Heidi Sand wieder an das Leben im derzeit heißen Stuttgart gewöhnt: „Die ersten Tage habe ich mich aber wie im falschen Film gefühlt.“ Mit der Besteigung des Makalu hat sie eigentlich ihr Soll erfüllt. „Drei Achttausender, für jedes Kind einen“, sagt Sand lachend, die vor einigen Jahren an Darmkrebs erkrankt war. Damals hatte sie sich geschworen, wenn ich das überlebe, besteige ich den Mount Everest. Das hat sie wahr gemacht. Auch künftig wird sie von den Bergen nicht lassen. „In welcher Form überlege ich mir aber noch“, sagt Sand. Es muss ja auch nicht immer ein Achttausender sein.