Ganz hoch hinaus: Manfred Stäbler aus Breitenstein wagt sich in Ecuador in ein neues Abenteuer und besteigt einige der höchsten Berge der Welt. Dabei wäre seine Reise fast vorzeitig beendet gewesen.
„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.“ Viele Menschen würden gerne das erleben, was Reinhard Mey in seinem legendären Lied besingt. Diesem Gefühl ganz nah gekommen ist Manfred Stäbler. Der passionierte Bergsteiger hat eine Tour absolviert, die er so schnell nicht vergessen wird. Schließlich befand er sich auf dem am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernten Ort der Welt, also dem Himmel ganz nah. „Es war eine mega Erfahrung“, berichtet der 59-Jährige.
Er ist seit Jahren sportlich aktiv. Im Anschluss an eine mehrjährigen Auszeit nach seiner langen Handball-Karriere startete er 2006 seine zweite sportliche Laufbahn. Als Teil des Kreiszeitung-Teams meisterte er einen Halbmarathon durch Stuttgart. Sein Ehrgeiz war geweckt. Er übte sich im Klettern, Bergsteigen, Triathlon und im Ultratrail. „Wenn ich wusste, wie es ging, habe ich mir eine neue Herausforderung gesucht“, sagt der gebürtige Breitensteiner.
Das Bergsteigen hat ihn jedoch nie wirklich losgelassen. Seit 15 Jahren geht er dem Sport bereits nach, mittlerweile hat er sogar eine Trainerlizenz für Indoor-Sportklettern. Auch draußen ist er immer wieder auf den Berggipfeln zu finden. Nachdem er 2020 bereits einige 4000er bezwungen hatte, widmete er sich jüngst dem ecuadorianischen Hochgebirge.
Auslöser für seine Abenteuerlust war ein Flyer, den seine Frau im Urlaub in Südtirol entdeckte. Nach anfänglichem Grübeln entschied er sich schließlich für die Reise nach Südamerika. „Es war eine super ausgeklügelte Tour“, schwärmt er von dem Programm, auf dem mit dem Chimborazo der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernte Gipfel stand. Doch mit der Buchung kamen dem gelernten Bergsteiger Zweifel, schließlich war er noch nie so weit oben. So musste er sich nicht nur neue Ausrüstung wie Expeditionsbergstiefel, die für mehr Stabilität sorgen, anschaffen, sondern sich auch entsprechend vorbereiten. „Ich habe wieder mehr Ausdauertraining sowie Krafttraining für meinen Rumpf gemacht“, schildert Stäbler. Zudem verzichtete er in den zehn Wochen vor dem Abflug auf Alkohol – all das, um topfit diese schwierige Aufgabe anzugehen.
Die erste Herausforderung war bereits die Ankunft in Quito. Mit 2850 Höhenmetern ist sie die am höchsten gelegenen Hauptstadt der Welt. Viel Zeit zum Akklimatisieren gab es für die Reisegruppe nicht, gleich am zweiten Tag stand die Besteigung des Pichincha an. „Da haben wir ein erstes Gefühl bekommen“, so Stäbler.
Statt schnellen Schrittes den Gipfel zu erklimmen, ging es in bedächtigem Tempo vorwärts. „Sonst hätten wir Atemnot bekommen.“ Oben angekommen hatte der Mann aus dem Schönbuch bereits einen neuen persönlichen Rekord aufgestellt: Der sogenannte Hausberg Quitos liegt auf 4776 Metern Höhe – und damit 142 Meter höher als sein höchster bisher erklommener Gipfel.
Allzu lang hielt diese Bestmarke aber nicht. Der Illiniza Norte mit 5126 Höhenmetern war eine etwas andere Herausforderung für die zwölfköpfige Reisegruppe. Denn die Spitze war nicht von Gletschereis bedeckt, sondern ein reiner Felsengipfel. „Wir mussten schon etwas klettern“, berichtet der passionierte Bergsteiger.
Viel Zeit zum Ausruhen blieb nicht. Nach einem Erholungstag peilte die Gruppe das nächste Ziel an: Cotopaxi. Mit 5897 Metern ist er einer der höchsten Vulkane der Welt. „Der Blick in den Krater war der Wahnsinn“, schildert Stäbler seinen Eindruck vom schneebedeckten Vulkan. Dabei profitierte er von dem klaren Blick, den es um 6 Uhr morgens gab. Dafür hatte er bereits um 23 Uhr aufstehen und um Mitternacht mit dem Aufstieg beginnen müssen. „Die Sonne erhöht die Gefahr von Stein- und Eisschlag.“
Derweil hatte er auch mit einer anderen Herausforderung zu kämpfen: Schlafen auf einer Höhe von 4700 Metern. „Es kam öfters vor, dass ich Atemnot hatte. Das hat mich davon abgehalten, dass ich in den Tiefschlaf komme“, erläutert er. In dieser schwierigen Phase lernte er zu schätzen, wie wichtig die Zusammenarbeit innerhalb des Teams ist. Seine Mitstreiter wussten, mit dieser Aufgabe umzugehen, einige waren sogar schon in Nepal. „Wenn man so eine Erfahrung erzählt bekommt, ist das mega hilfreich“, so der ausgebildete Fitnesstrainer.
All diese Ratschläge halfen zunächst nichts, denn nach dem Cotopaxi ging es ihm schlecht. „Ich bin vermutlich etwas zu schnell am Vulkan angegangen“, mutmaßt er. „Ich dachte, dass ich den Chimborazo wahrscheinlich nicht schaffen werde.“ Doch sein Körper half ihm. Der 59-Jährige regenerierte sich erstaunlich schnell und nahm am letzten Gipfeltag die 6263 Höhenmeter in Angriff. Aus dem Höhenlager waren es zwar nur noch 900 Meter, doch der Aufstieg erwies sich als beschwerlich. Dabei hatte Stäbler sogar etwas Glück. Zwei Leute aus dem Hochlager gingen nicht mit, sodass ein Bergführer noch Platz in seiner Gruppe hatte. „Sonst hätte ich umkehren müssen.“
In Serpentinen ging es schließlich empor. „Die Erfahrung, dass man einen eigenen Rhythmus finden und beibehalten muss, war extrem wichtig.“ Dies war jedoch kein leichtes Unterfangen. Zum einen musste er das schnellere Tempo der anderen versuchen auszublenden und zum anderen musste er sich von zu übersteigenden Hindernissen, die sich auf seinem Weg befanden, nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „Es war unglaublich zu erfahren, was der Körper leisten kann, wenn es beschwerlich wird“, blickt er auf das Erlebnis zurück.
Mittlerweile ist der Bergsteiger wieder in seiner schwäbischen Heimat, einen erneuten Ausflug in ein Hochgebirge will er aber auf keinen Fall ausschließen. „Der Reiz ist da, das noch einmal zu probieren“, sagt er. Einen Gedanken an den sportlichen Ruhestand verschwendet Stäbler daher nicht. „Ich musste in meinem Leben immer wieder einen kleinen Reiz setzen, um zu schauen, was noch geht.“ Vielleicht greift er dann mal wieder nach den Sternen.